12.10.2014, Karlsruhe: "Frei-Räume" entdecken
28,10-22

12.10.2014, Karlsruhe: "Frei-Räume" entdecken

Liebe Gemeinde,

wer seine Urlaubskoffer packt, nimmt nicht nur Handtücher, Badesachen und Flugticket mit,  sondern auch große Hoffnungen: endlich Pause machen. Die Uhr ablegen können. In aller Seelenruhe Sandburgen bauen. Nur noch das Vogelzwitschern hören… Oder das Rauschen der Palmen.

Aber solch ein Ortswechsel garantiert noch keine Ruhe. Ich brauche meist ein paar Tage, um wirklich abschalten zu können. Mitten im Urlaub denke ich an die Arbeit. Manchmal verfolgt mich der Alltag sogar bis in meine Träume hinein. Unerledigtes holt mich überall ein. Spätestens, wenn ich wieder nach Hause fahre.

Dabei wollte ich doch gerade im Urlaub einmal so richtig zu mir selbst kommen!

Nichts weniger als das verspricht mir ein Reiseveranstalter mit der Zeile: "Gerade einen wichtigen Menschen wieder getroffen: mich selbst." Aus seiner Sicht geht das ganz einfach: Reise aussuchen, buchen, Abflug.

Und doch trennen mich manchmal mehr als tausend Flugmeilen von mir selbst. Denn es gibt Fragen, die lassen sich nicht mal eben zwischen zwei Arbeitswochen im Schwimmbad und an der Bar nebenbei erledigen. Sie fordern uns ganz.

Das merken wir, wenn wir - wieder im Alltag - plötzlich mal "aus dem Verkehr gezogen" werden. Weil uns eine Krankheit unerwartet Zeit zum Nachdenken gibt. Oder ein Job zu Ende ist und wir so plötzlich fragen, was uns erfüllt und welchen Sinn unser Leben hat.

Jakob war eines Tages in dieser Situation. Wir haben eben von ihm gehört. Eigentlich hatte er alle Hände voll zu tun und seine Zukunft stand fest: Vieh züchten. Heiraten. Kinder. Alles im Schoß der großen Familie. Wie ein Leben im alten Israel eben so aussah.

Doch eines Tages platzten seine Pläne. Das hatte er selbst verbockt. Auf der Jagd nach dem Erbe hatte er Vater und Bruder betrogen. Sein Bruder nahm ihm das richtig übel. Darum musste Jakob Hals über Kopf verschwinden. Ab in die Wüste.

Dort steht er nun. Buchstäblich im Dunkeln. Der Horizont seines Lebens hat sich verfinstert. Zwar hat ihm der Vater eine Adresse mit auf den Weg gegeben. Aber wird er dort offene Türen finden? Der Rückweg ist versperrt, die Zukunft ungewiss. Jakob kann nichts tun außer schlafen und warten, dass es wieder hell wird. Ein reines Gewissen hat er auch nicht, dementsprechend hart gebettet fällt er völlig erschöpft in den Schlaf.

"Und ihm träumte", übersetzt Luther, nicht etwa: "er träumte." Natürlich sind wir selbst die Regisseure unserer eigenen Träume. Doch zugleich melden sich in ihnen Stimmen, die sich unserer Kontrolle entziehen und die wir bei Tag gar nicht zulassen. Im Traum meldet sich eine andere als die augenfällige Wirklichkeit. An einem völlig unauffälligen Ort öffnet sich der Himmel.

Der Kontakt zur Familie ist unterbrochen, da zeigt sich auf einmal ein anderes Gegenüber: Gott, vermittelt durch eine Vielzahl von Boten. Jakob ist selbst überrascht. "Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht!" sagt er am nächsten Morgen voller Staunen.

Gott begegnet dem Flüchtling dort, wo er nicht mit ihm rechnet. Das macht Gott immer so. Plötzlich ist er da. Das kann man nicht vorhersehen oder gar einplanen.

Auch Jakob hatte bestimmt nicht gedacht, dass Gott sich für ihn noch interessiert. Immerhin hatte er seinen Vater hinters Licht geführt und sich bei alledem absolut scheinheilig verhalten. Und so einem will Gott begegnen? 

Wie hätten Sie in Jakobs Haut reagiert?
Oder wie würden Sie sich verhalten, wenn Sie plötzlich Gottes Stimme hören?
Scheu und  ängstlich?
Oder mit dem stillen Gedanken: Lass mir noch etwas Zeit - fromm sein kann ich später noch?

Obwohl Jakob also kein Heiliger ist, spricht Gott ihn an. "Ich bin mit dir und will dich behüten … und will dich wieder herbringen." Was für eine wunderbare Zusage!

Gott legt Jakob und mit ihm auch uns nicht auf Fehler fest. Trotz allem öffnet er uns das Fenster der Hoffnung. Die Bibel erzählt zwar, dass Jakob noch einen langen Weg vor sich hat. Aber Gott bekennt sich jetzt schon eindeutig zu ihm. Gott sagt Ja, vorbehaltlos – das gibt Jakob Kraft. Mit dieser Zusage im Rücken kann er seinen Weg zuversichtlicher fortsetzen.

Jakob reagiert darauf mit einem dankbaren Gelübde und stellt einen Stein auf. Dieses Denkmal wird noch viele Jahre danach an Gottes und sein eigenes Versprechen erinnern. Ihn und alle anderen, die daran vorbei kommen. Bethel – auf Deutsch - "Haus Gottes", wird zum Hoffnungszeichen für alle, die wie Jakob nicht weiterwissen und neue Kraft für ihren Weg brauchen.

Statement von Harald Bronkal:

Gott sei Dank, dass es solche Orte und Zeiten gibt. Ich habe auch ein "Bethel": Meine feste Gewohnheit, am Sonntag den Gottesdienst zu besuchen. Das hat meine Wochen schon immer strukturiert. Ich brauche diesen festen Rahmen, um zur Ruhe zu kommen. Dass es in unserem Land eine geschützte Sonntagsruhe gibt, ist eine Errungenschaft, die ich nicht missen möchte.

Statement von Manuela Moravek:

Und ich möchte dazu beitragen, dass diese Errungenschaft nicht eines Tages wirtschaftlichen Interessen geopfert wird, sondern erhalten bleibt. Ich nehme mir vor, auch andere an Feiertagen möglichst wenig in Anspruch zu nehmen. Ich könnte z.B. schon samstags tanken, damit der Sonntag für möglichst viele ein Ruhetag bleibt.

"Gott sei Dank, es ist Sonntag!" Vielleicht haben Sie schon einmal gehört von dieser Kampagne der christlichen Kirchen. Damit appellieren sie an alle Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft: setzen Sie sich ein für den Schutz des Sonntags! Unternehmen Sie etwas gegen seine schleichende Aushöhlung! Menschen leben nicht nur von der Arbeit. Sie brauchen auch Zeit zum Feiern. Wer sich nie unterbrechen lässt, kennt dieses befreite Aufatmen nicht mehr.

Und bringt sich vielleicht auch um Begegnungen, wie Jakob sie hatte.

Dass Gott uns wie Jakob überrascht, haben wir zwar nicht in der Hand. Aber wir können günstige Gelegenheiten einplanen. Einen kleinen Urlaub mitten im Alltagsstress, in dem wir wieder zur Ruhe finden und neue Kraft tanken. Wo sich hoffentlich der Himmel öffnet.

Jakob hatte einen Stein. Wir haben den Sonntag. Dieser Tag erinnert uns daran, dass unser Leben nicht darin aufgeht, möglichst reibungslos zu funktionieren. Die wirklichen Kraftquellen unseres Lebens liegen woanders – in der Zusage Gottes: "Ich bin mit dir und will dich behüten." Amen.