Christsein als Gewinn - Predigt zu 1. Korinther 9,16-23 von Christian Bogislav Burandt
9,16-23

Christsein als Gewinn - Predigt zu 1. Korinther 9,16-23 von Christian Bogislav Burandt

Christsein als Gewinn
 
Gewinner, liebe Gemeinde, fragt man besonders gerne nach den Gründen für ihren Erfolg. In diesen Tagen der Fußballweltmeisterschaft fällt mir das besonders auf. Es ist fast so, als fiele ein Sonnenstrahl des glücklichen Gewinners auf die oder den, der Fragen stellt.

Das macht mir Mut, heute einmal mit Fragen an den Apostel Paulus heranzutreten. Denn dieser Mann aus Tarsus - auf dem Gebiet der heutigen Türkei - dieser Mann lässt sich als Gewinner bezeichnen! Er hat es geschafft, mit seinen Briefen ins heilige Buch der Christen aufgenommen zu werden. Wer kann das schon von sich sagen? Und der Apostel Paulus war so erfolgreich, dass mehrere unbekannte Autoren in der Antike versucht haben, in seinem Namen und mit seiner Autorität ihre eigenen Gedanken in der Welt zu verbreiten!

Voller Respekt  machen wir uns also auf und nähern uns dem Völkerapostel. Wir fragen: Herr Paulus, wie erklären Sie sich ihren großartigen Erfolg mit der Christusbotschaft? Warum sind sie so berühmt geworden sind mit ihrer Darlegung des Evangeliums?
 Paulus antwortet: Dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen, denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte!

Eine kalte Dusche ist die Antwort! Paulus will sich offensichtlich nicht im Erfolg sonnen. Er muss das Evangelium verkündigen. Hat der Apostel einen Komplex? Wir fragen Paulus: Machen Sie die ganze Mühe umsonst? Sind sie nun freiwillig bei der Evangeliumsverkündigung dabei oder nicht?
Paulus antwortet: Täte ich’s aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich’s aber nicht aus eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut.

Für einen Moment sind wir etwas verwirrt. Aber dann verstehen wir: In der Arbeitswelt trete ich freiwillig eine Stelle an und erhalte dafür den entsprechenden Lohn. Das ist normale wirtschaftliche Logik. Paulus aber bestreitet für sich, dass seine Verkündigung der Christusbotschaft sich verrechnen lässt. Denn Jesus Christus hat ihn zum Apostel berufen und aus ihm, dem Christenverfolger Saulus, den Paulus, den Christus-Bezeuger gemacht. Damit hat Jesus Christus dem Paulus eine Ehre verliehen, die sich wirtschaftlicher Logik entzieht. Und doch ist es eine Ehre, die Arbeit, Mühe und Einsatz verlangt. Paulus ist so gesehen schlechthin der Begründer des Ehrenamtes! –

Stimmt das? Wir sind noch ein wenig unsicher und fragen: Paulus, was ist denn nun dein Lohn? Der Apostel antwortet prompt:
Dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium keinen Gebrauch mache.

Wir schlucken für einen Moment. Und wir merken: Der Apostel Paulus ist nicht zu verwechseln mit einem normalen Geistlichen. Die Hoffnung auf Gott, auf Jesus Christus lässt den Paulus offensichtlich unempfindlich werden für den eigenen Konto-Stand. Weder am Berühmtsein noch am Reichtum ist ihm gelegen. Es ist so, als ob der Apostel die christliche Hoffnung besingt:

In dieser Hoffnung lerne ich
In alle Lebenslagen mich,
in Glück und Not zu fügen.
Und wenn ich Mangel leiden muss,
so lass ich mir genügen.

(Detlev Block, Wann ist unser Mund voll Lachen? Biblische Gesänge für die Gemeinde, Stuttgart 1986, S.129; zu singen nach EG 497).

Nun gut. Paulus ist kein Knecht der normalen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse; das haben wir verstanden. Wir spüren in seinen Aussagen freilich einen besonderen Geist der Freiheit. Wir fragen Paulus: Stimmt das? Der Apostel antwortet: Obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne.

Aha. Paulus will also sehr wohl etwas gewinnen. Er möchte möglichst viele Menschen gewinnen. Seine großartige Freiheit setzt Paulus ein, um ganz verschiedenen Menschen die frohe Botschaft von Jesus Christus nahe bringen zu können: den Juden, den Gesetzestreuen, den Gesetzlosen und den Schwachen! Schärfere Gegensätze als die genannten Gruppen sind kaum denkbar. Meint Paulus im Ernst, er könnte so total unterschiedlichen Gruppen das Evangelium nahe bringen? Paulus sagt: Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette.

Liebe rettet. Immer wieder. Jeder von uns kennt Geschichten, die davon handeln. Gottes Liebe geht über menschliche Liebe hinaus, sie rettet zum Leben in Ewigkeit. Gottes Liebe in Jesus Christus gilt allen Menschen und sie macht nicht vor den größten denkbaren menschlichen Unterschieden Halt. Wer sie weitergeben will, darf sich durch die Bandbreite des Menschlichen nicht verunsichern lassen.

Im Evangelium vom Großen Abendmahl hörten wir, wie der Knecht losgeht und auf den Landstraßen und an den Zäunen (s. Lk 14,23) die Menschen einlädt zum Festessen in Gottes Reich. Dieselbe Einladung braucht ganz verschiedene Ausdrucksweisen, damit die hochbetagte Witwe, der jugendliche Aussteiger oder der gestresste Mittvierziger sie annehmen können! Gottes Liebe in Jesus Christus, seine Einladung zum Leben braucht jeweils ganz unterschiedliche Übersetzungen. Welche Übersetzung wäre denn für uns die richtige? Wir schauen auf den Apostel Paulus. Den normalen Kämpfen und Zweideutigkeiten des Alltags ist er nicht enthoben:

Was bedeutet es nun, an Christus zu glauben,
Freude oder Traurigkeit,
Stärke oder Schwachheit,
Gewinn oder Verlust,
Glücklichsein oder Leiden,
Frieden oder Kampf?
Beides – und das erste mitten im zweiten!

(Hans-Joachim Eckstein, Du liebst mich also bin ich, 7. Auflage, Stuttgart 1994, S.121)

Bei aller Traurigkeit, aller Schwachheit, allem Verlust, allem Leiden und allem Kampf – für Paulus leuchten Freude, Stärke, Gewinn, Glücklichsein und Frieden im Christsein heller. Er sagt: Alles tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.

Wir, liebe Gemeinde, sind nicht der Apostel Paulus. Und Paulus ist bei all seiner Berühmtheit, die er eher gegen seinen Willen erlangt hat, auch kein Gewinner nach der Art der Fußballhelden. Das haben unsere Fragen gezeigt. Wir haben vielmehr erkannt: Der Apostel sieht sein Leben im Licht der Liebe Gottes, seine Berufung ins Ehrenamt, sein Leben als Christ als Gewinn an. Als einen Gewinn, den er mit möglichst vielen Menschen teilen möchte. – Auch wir möchten Anteil bekommen an Gottes rettender Liebe. Und so beten wir zu Gott:

Gib uns im Leben Liebe
Nach deiner Liebe Art.
Gib uns im Sterben Hoffnung,
die für dein Reich bewahrt.
Gib beides aus dem Glauben
an dich und dein Gebot.
So können wir bestehen
im Leben und im Tod.

(Detlev Block, Wann ist unser Mund voll Lachen? Biblische Gesänge für die Gemeinde, Stuttgart 1986, S.67).
AMEN