"Durst nach Leben", Johannes 7, 37-39, Jochen Arnold
7,37

"Durst nach Leben", Johannes 7, 37-39, Jochen Arnold

Durst nach Leben
Votum und Begrüßung
EG 278,1-3 Kehrstrophe und 7-9 mit Kehrstrophe mit Psalm 42 und 43
Ehr sei dem Vater
Kyrie und Gloria
Epistel Eph 3,14-21
EG 130,1-3
Evangelium Joh 15,26-16,4
Apostolicum gesprochen
Lied LW 19 Da wohnt ein Sehnen tief in uns nach Gott (evtl. mit E Piano)
Predigt zu Joh 7
Liedideen: EG 399,1.2.4.6
Abkündigungen
Fürbitten mit Lied 133, 1-2.4-6
Abendmahl
Zur Austeilung: Meine Hoffnung und meine Freude (Taizé)
222,3
Vor dem Segen:
Segen
 
Liebe Gemeinde,
Da wohnt ein Sehnen tief in unshaben wir eben gesungen…
Und gleich einige Sehnsüchte aufgezählt: Nach Frieden und Freiheit, nach Einsicht und Beherztheit und noch nach vielem mehr. Ja, da wohnt ein Sehnen in  uns nach Glück und nach Liebe, ein Durst nach Leben, wie man es nicht kaufen kann.
Mich bewegt das, ihr Männer und Frauen, diese Sehnsucht, sie interessiert mich nicht nur als Predigtthema, sondern, weil ich es für eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart halte, denen sich unsere Kirche unbedingt stellen muss. Wir können es uns nicht leisten über die Köpfe, und schon gar nicht über die Herzen hinweg zu predigen.
Deshalb versuche ich es jetzt einmal, begebe mich auf die Reise durch unsere Stadt…
I Sehnsucht nach Leben
Eine junge Mutter (Linda), Anfang 30  sagt: Wonach ich mich sehne? Ach, ich will endlich mal Ruhe, endlich mal abschalten, keiner, der was von mir will „Mama“….Ich muss immer funktionieren… Und manchmal habe ich den Eindruck, ich kriege für das alles dann auch noch einen Fußtritt.“
Ich höre: die Sehnsucht nach Anerkennung, aber auch nach Ruhe, nach einer Zeitgestaltung aus eigenen Stücken, also Suche nach mehr Freiheit.
Dann ist da Thomas, Mitte 40: Ich halte es kaum mehr aus. Tag-täglich in dieser Mühle. Immer dieser grässliche Termindruck. Heute Morgen die Präsentation vor den Kollegen und dem Chef, heute Nachmittag das Kundengespräch und heute Abend wieder nacharbeiten, vorbereiten für morgen. Ja, am liebsten würde ich mal ganz raus, ein halbes Jahr auf die einsame Insel oder in die Berge…
Ganz anders Erika, Anfang 70: Sie lebt schon länger allein seit die Kinder alle aus dem Haus sind ist es lange her. Sie geht gern unter Leute,  fühlt sich zuhause einsam, möchte endlich mal wieder Ansprache: Es ist die Sehnsucht nach Nähe und Zuwendung, nach Freundschaft…
Dann ist da  Denis: 14 Jahre, gerade konfirmiert. Demnächst 9. Klasse. Schule findet er alles andere als lustig. Sie macht mich noch kaputt, nächste Woche schon wieder 4 Klassenarbeiten und das Referat letzte Woche, da ist er übel abgeschmiert… In seinem Zimmer hängt ein Plakat: Heute schon gelebt? Darauf ein junges Paar in einem offenen Cabriolet, ihre Haare fliegen im Wind, ach so ein Auto, so ein Mädchen…
Wer Durst hat, soll zu mir kommen!
  Trinken darf, wer glaubt!(evtl. von anderer Sprechstimme aus der Gemeinde!)
  Wer Durst hat, darf kommen?
  Wer spricht denn da? Fühlt sich hier denn jemand angesprochen?? Was soll das überhaupt heißen: Trinken darf, wer nur glaubt?
  Eine merkwürdige Stimme, eine Stimme wie aus einer anderen Welt…
II Land des Lebens?
Eine zweite Stimme kommt dazu:
Von deinen Sinnen hinaus gesandt,
  geh bis an deiner Sehnsucht Rand.
  Man muss nur gehen:
  Kein Gefühl ist das fernste.
  Lass dich von mir nicht trennen.
  Nah ist das Land, das sie das Leben nennen.
Spannend diese Einladung: Ja solche Stimmen kenne ich auch in mir: Nah ist das Land, das sie das Leben nennen. Geh weiter, sprich aus, wonach es dich drängt. Trau dich, deine Träume zu leben…
Aber ist es denn wirklich so nah, das Land, das Rainer Maria Rilke beschreibt, das Land, das sie das Leben nennen? Ist es nicht unendlich weit weg, zertrümmert von Bomben auf wehrlose Zivilisten und geschmolzen in Reaktorblöcken? Begraben unter wahnsinnigen Wellen riesiger Wassermassen eines Tsunami?
Ja, ist nicht auch Gott weit weg, von Jesus ganz zu schweigen?
Hat er uns nicht im Stich gelassen mit seinem Tod und seiner mysteriösen Himmelfahrt?
III Begegnung auf dem Fest
Der Evangelist Johannes widerspricht. Nein, er hat euch nicht im Stich gelassen, auch wenn es vielleicht so scheint! Begleiten wir zwei Menschen, die er uns schildert, zwei Menschen die ebenfalls auf dem Weg sind in das Land des Lebens. Menschen von damals, die genauso gut heute leben könnten.
Tausende von Pilgern und Pilgerinnen haben Jerusalem erreicht, die Schöne, die Hochgebaute, Erhabene. Alle wollen sie zum Laubhüttenfest, das  Fest der Ernte feiern. Jung und alt sind nehmen heute teil an einer großen Wasserprozession. An den sieben Tagen des Festes wird ein goldenes Gefäß mit Wasser aus dem TeichSiloah gefüllt und für Wasserspenden in den Tempel (zum Brandopferaltar) getragen.“ Heute ist der letzte Tag, da tragen es die Priester siebenmal um den Altar, um es dann schließlich Gott darzubringen.
            Zwei Menschen sind dabei – ein Mann und eine Frau, sie vielleicht um die 40 hat einen weiten Weg gemacht aus der Stadt Nablus im Samariterland, er Mitte 50 lebt seit Kindestagen in Jerusalem. Priesteradel, vornehme Eltern, theologisch gebildet und politisch engagiert. Er sitzt im höchsten Gremium der Stadt, im hohen Rat. Aber die Macht interessiert ihn nicht, nicht mehr. Er ist gepackt von einem ganz anderen Wunsch. Er ist fasziniert von Rabbi Jeschua, der so aufregende Zeichen getan hat. Neulich soll er aus Wasser Wein gemacht haben. Und dann hat er vor kurzem die Händler aus dem Tempel gejagt und gesagt, er könne ihn abreißen und in 3 Tagen wieder aufbauen.  Er bewundert den Mut! Deshalb war er letzte Nacht bei ihm. Keiner hat ihn beobachtet. Er kam mit all seinen Fragen, hat ihn förmlich zugeschüttet. Ja, er bekam Antworten, aber eher Bilder und neue Fragen. Von einer Wiedergeburt aus Wasser und Geist hat Jesus geredet, von einem radikalen Neubeginn.
Wenn man nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann man nicht in das Reich Gottes kommen. Er möchte so gern verstehen, was das heißt, aber auch etwas davon spüren… Denn je länger je mehr, mag er sich nicht mehr zufrieden geben mit den gestanzten und gelehrten Antworten der Hohenpriester…
Wer Durst hat, soll zu mir kommen!
  Trinken darf, wer glaubt!
War das nicht seine Stimme? Dann treffen seine Augen die der Frau. Na vielleicht nicht mehr ganz jung, aber… Ihre Augen suchen ebenfalls, aufgeregt, sehnsüchtig.
Es ist eine einfache Frau, eine aus dem Volk, ja man erkennt es an den Kleidern und ihrer Frisur, wahrscheinlich ist es sogar eine Ungläubige. Die Männer schauen ihr ja ganz schön nach.
Auch in ihr brodelt es.Seit sie ihn getroffen hat vor einigen Wochen draußen am Brunnen des Jakob, spürt sie es wieder: ihr Leben ist noch nicht vorbei. Es gibt noch mehr als die schöne Erfahrung von Zärtlichkeit und körperlicher Liebe, es gibt da auch noch eine andere Sehnsucht. Spirituelles Leben, Wasser für die Seele!  Jesus hatte gesagt: Wer von dem Wasser trinkt, dass ich ihm gebe, der wird ewig keinen Durst mehr haben!
Ihrer Familie und den Leuten im Dorf hat sie von der Begegnung erzählt. Wenn du von dem Wasser trinkst, dass er dir gibt,  wirst du keinen Durst mehr haben!
In ihrem Leben hat sich bereits einiges verändert: Ja, sie möchte ihn wieder hören, wieder sehen, am liebsten ganz allein in seiner Nähe sein.
IV Lebenswasser von ihm
Wen da dürstet, der komme zu mir
  Und es trinke, der da glaubt!
Ruft es laut. Das ist seine Stimme, sie klingt kräftig, viel männlicher als damals am Brunnen.
Dann sieht sie sein Gesicht:
  Von dessen Leib werden Ströme des lebendigen Wassers fließen.
  So sagt es die Schrift.
  Wen da dürstet, der komme zu mir
  Und es trinke, der da glaubt!
Da ist es wieder, das Herzklopfen, die neue Hoffnung, die Begeisterung. In diesem Moment schaut er sie an. In ihr jubelt es. Ja er meint mich. Das gilt auch für mich! Nicht nur jüdische Männer, auch samaritanische Frauen sind eingeladen. Endlich einer, der weiß, wo Gottes Kraftquellen anzuzapfen sind. Wo es Leben, ewiges Leben gibt. Ihre Seele ist wie ein trockener Schwamm, sie saugt seine Worte gierig auf.
Und Er? Der nächtliche Besucher? Auch in ihm arbeitet es: Er murmelt die Worte vor sich hin:
Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke. Wer an mich glaubt –wie die Schrift sagt – aus seinem Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.
1. Wessen Leib meint er wohl: Seinen oder meinen Leib?
  2. Und auf welche Schriftstelle spielt er an?
In einer rabbinischen Quelle heißt es zum Laubhüttenfest: „Warum wird der Tempel „Haus des Wasserschöpfens“ genannt? Weil man dort den Heiligen Geist schöpft, wie der Prophet (Jes 12,3) sagt: „Und ihr werdet mit Freuden kommen und Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils.“
Jesus nimmt das für sich in Anspruch denkt er, den Heiligen Geist, den göttlichen Geist auszuteilen, Lebensdurst zu stillen, Freude erleben zu lassen. Welch ein Mut. Aber auch: Wie schön! Er ist ein ganz außergewöhnlicher Prophet…
Während Nikodemus noch grübelt, schaut ihn Jesus an, tritt auf ihn zu: Vertrau mir.
  Ich erwecke dich zu neuem Leben, ich zeige dir den Weg der Wahrheit.
  Ich mache dich frei.
  Auch der Frau wendet sich Jesus zu: Glaube mir, ich bin das lebendige Wasser,
  vertraue mir deine Sehnsucht an. Sie wird gestillt werden.
Sie spürt eine Veränderung in sich, regelrecht körperlich, meint förmlich selbst zu einer Quelle zu werden, aus der es sprudelt. Nicht nur ein stilles Wasser, sondern eine richtige Fontäne. So intensiv hat sie lange nicht gefühlt…
V Vitaldrink des Lebendigen
Beneidenswert diese Begegnungen, nicht wahr? Leider lassen sich solche spirituellen Höhenflüge heute nicht mehr realisieren, denken Sie jetzt vielleicht. Aber wieso eigentlich? Sind Sie sich sicher: Ich höre ihn heute morgen sehr gut mit seiner Einladung! Ja, Sie sind hier richtig in diesem Gottesdienst! An einem 1000 Jahre alten Kraftort des Lebens. Rechne also damit, dass Gott auch mit dir redet. Dass Jesus auch in deinem Leben Raum bekommt. Verschließ deine Ohren und dein Herz nicht für die frohe, die belebende, die erfrischende Botschaft!
Ich komme gerade vom Kirchentag in Dresden: wo wir diese Erfahrung machen konnten. Tausende von Menschen hellwach für Gott und für diese Welt.
Herzen, Mund und Hände erhoben zum Lob,  Gemeinschaft wird gelebt und erlebt.
  WO dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein. Hieß das Motto.
Eine Antwort auf die Frage nach Leben auf den spirituellen Dauerdurst der Gegenwart, eine Antwort auf die Sehnsucht nach dem Land des Lebens: Lassen wir uns mit hineinnehmen in diesen Strom: Wenn du nachher im Abendmahl das auffrischst, was dir in der Taufe schon zugeflossen und dein Leben überströmt hat, kannst du es schmecken und sehen. Wenn du im Kreis der Getauften Christi Stimme hörst: Für dich gegeben, für dich vergossen.  An diesem Ort wird es geschehen, dass auch du zu einer Kraft- und Lebensquelle für Andere wirst. Christsein heißt nicht nur getauft sein, sondern dieses Wasser des Lebens weitergeben.
Jesus sagt dir so kurz vor Pfingsten: lass dich be- geist- ern, von mir, von dem, der das Wasser hat und den Geist schenkt, damit du andere wieder be- geistern kannst.
Du darfst selbst ein Durstlöscher sein, ein Vitaldrink des Lebendigen in einer durstigen Welt. Ich lege deine verschütteten Quellen frei und gebe  dir Raum zum Leben, damit auch Andere Luft und Raum, Geist und Wasser durch dich bekommen.
Schütte meinen Brunnen nicht zu durch dein Zaudern oder deine Skepsis. Setze auf das, was nicht nur dich selbst sondern auch Andere vor dem Verdursten rettet!
Wen da dürstet, der komme zu mir
  Und es trinke, der da glaubt!
  Dann wirst du sehen:
  Aus deinem Leib werden Ströme des lebendigen Wassers fließen. Amen.