Gnade sei mit Euch und Frieden von Gott unserem Vater und  dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder!

Was wäre ein Neujahrsmorgen ohne gute Worte, ohne eine herzliche Umarmung oder einen liebevollen Kuss? Was wäre der erste Tag  ohne unsere guten Wünsche für das neue Jahr? Sie gehören unbedingt dazu. Wir spüren es: Sie kommen von Herzen. Neujahrswünsche sind Herzenssache. Sie verraten etwas davon, was mir am Herzen liegt. Wonach ich mich sehne.

Neujahrswünsche können deshalb ganz verschieden sein. War es bei den ersten Wünschen heute Nacht nicht auch so? Die Einen wünschen sich, dass es im neuen Jahr endlich friedlicher wird.  Und dafür muss sich viel ändern. Es kann einfach nicht so bleiben, wie es ist. Andere wiederum verdrehen dabei die Augen und sagen: Bitte nicht noch mehr Veränderungen. Ich komme so schon nicht mehr mit. Das geht mir alles viel zu schnell.

So oder so – wir gehen mit sehr unterschiedlichen Erwartungen in das neue Jahr.

Ich persönlich empfinde eine große Ungewissheit. Und ich bin damit nicht allein. Es kann einem bange werden beim Blick auf das neue Jahr.

Nicht allein angesichts der angespannten weltpolitischen Situation. Auch im Alltag ist vieles nicht mehr wie gewohnt. Die Angst sitzt uns im Nacken. Wir wägen ab, was wir tun oder lassen. Und so manches Gespräch mit Bekannten oder Nachbarn ist längst nicht mehr so herzlich wie in früheren Zeiten. Unsere Worte sind unbarmherziger geworden. Aus vielen Herzen ist das Vertrauen gewichen.
Da könnte ein Neujahrswunsch lauten: Fassen wir uns doch ein Herz und gehen wir es beherzt an: mit mehr Vertrauen, mit etwas mehr Mut.

Aber machen wir uns damit nicht etwas vor?  Ist das nicht ein frommer Wunsch? Wie die guten Vorsätze, die nach 2-3 Tagen bereits wieder vergessen sind.

Ich bin etwas skeptisch, ob wir mit ein paar guten Ratschlägen unser Herz wirklich verändern können. Denn ich fürchte, unsere Herzen haben ihre eigene Logik. Martin Luther wusste etwas davon, als er es einmal so beschrieb:

Ein menschliches Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meere, welches die Sturmwinde von allen vier Himmelsrichtungen hin und her treiben: von hierher stößt Furcht und Sorge vor zukünftigem Unglück; von dorther fährt Gram und Traurigkeit über gegenwärtiges Übel; von da weht Hoffnung und Vermessenheit im Blick auf zukünftiges Glück; von dort bläst Sicherheit und Freude über gegenwärtigen Gütern.

Schmeichelhaft ist das nicht gerade. Luther vergleicht unser Herz, also das Innerste eines Menschen, mit einem Schiff, bei dem wir selbst nur sehr begrenzt die Richtung bestimmen. Das vielmehr wie eine Nussschale von den verschiedenen Winden des Lebens hin- und hergeworfen ist.

Manchmal ist alles gut: Da gelingt dir etwas, du wirst gelobt, die Sonne scheint – dann ist das Herz hell und froh. Doch dann braucht es nur wenig, nur ein kleines Übel, und schon sieht alles anders aus. Da wird einem das Herz bang, oder traurig oder wütend. Dann liegt uns etwas auf dem Herzen.

Es ist gut, wenn das Herz noch berührbar ist. Wenn man bei den Bildern aus Berlin oder Aleppo nicht einfach zur Tagesordnung übergeht. Es ist gut, wenn ich ein Herz habe, wenn Sie ein Herz haben, das noch nicht stumpf geworden ist, das noch bluten kann, angesichts des Leids anderer Menschen, der Zerstörung von Kulturgütern, Werten und der vielen menschlichen Ruinen heute.

Es gibt ja auch die andere Erfahrung. Das Herz wird trotzig und stur, zeigt überhaupt keine Regung. Ist wie aus Stein, eiskalt. Einfach nicht mehr zu erwärmen. In Krisenzeiten verengt sich so manches Herz, zieht sich auf seine eigene Position zurück. Herzlos empfinden wir das. Es ist unbarmherzig, wenn es heißt: Was geht mich denn das an? Es ist arm, wenn jemand nur noch sich selbst sieht.

Immer wieder höre ich Sätze, die zielen auf unsere Herzen. Richtige, gute Ratschläge – etwa: es ist Zeit, dass wir unsere Lebenseinstellungen ändern. Oder: wir müssen das und das jetzt unbedingt beherzigen!

Aber wer will das schon hören? Noch dazu am Anfang eines neuen Jahres?

Ganz anders klingt da die Jahreslosung:  Gott spricht:  Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.

Da ist kein: „Du musst…“, kein Imperativ, sondern eine Zusage: Ich schenke euch ein neues Herz. Ich schenke euch das Herz, das vertrauen und – wenn nötig – auch mutig sein kann.

Ist das ein Schlüssel für unseren Weg in das neue Jahr? Dass Gott mir so zu Herzen geht, dass ich mich traue, mir Gott so zu Herzen zu nehmen, dass sich wirklich etwas ändert?

Gott zu vertrauen. Gott zuzutrauen, dass ich nicht so bleibe, wie ich bin. Gott zuzutrauen, dass nichts in unserer Welt so bleiben muss, wie wir es gegenwärtig erleben.

Nichts, woran wir unser Herz scheinbar verloren haben. Aber auch nicht unsere Sorge, nicht der Umstand, dass ich so ängstlich bin, oder dass ich Wut im Bauch habe.

Wie Gott Menschenherzen erreicht, das sehe ich an Jesus. Jesus hat von den Menschen in seiner Umgebung eine achtsame und liebevolle Haltung auch nicht einfach gefordert, er hat sie vorgelebt und vor allem hat er sie hervorgeliebt; aus den Menschen herausgeliebt. Dass Menschen in der Nähe Jesu anders wurden, das hat etwas mit dem Blick zu tun, mit dem Jesus die Menschen ansieht: Es ist ein liebender Blick, der im andern immer schon ein Stück mehr sieht. Die Ungeliebten, die sieht er auf dem Weg sich zu ändern. Die im Innern ausgebrannt sind, die sieht er ihr Herz öffnen für neue Energie, neuen Sinn im Leben.

Die Gebeugten sieht er sich aufrichten, frei werden in ihre wahre Größe und Schönheit. Die Prinzipienreiter sieht er heraustreten aus ihrer ängstlichen Enge. Und die Gewaltsamen, die ihre Sachen oft so brutal durchziehen, die sieht er auf dem Weg in die Schule des Friedens.

Jesus sieht Menschen mit seinem Blick nicht nur äußerlich, sondern innerlich an. Es ist ein Blick in die Tiefe des Herzens. Dort, wo er hinter den Nöten die Sehnsucht der Menschen erkennt. Er sieht nicht nur Probleme, sondern Potentiale. Jesus sieht schon kommen, wie sich die Herzen verwandeln, erneuern.

Ein neues Herz ist ein erneuertes Herz. Ein Herz, das ich bereit bin zu zeigen. So, wie die Vielen, die seit bald zwei Jahren hier in Dresden ganz offenherzig der Aufforderung folgen: Zeig Herz statt Hetze! Herz statt Hass!

„Dem Hass begegnen lässt sich nur, indem man seine Einladung, sich ihm anzuverwandeln, ausschlägt“, schreibt die Publizistin Carolin Emcke.

Dem Hass begegnen lässt sich, indem ich die Einladung annehme, mir mein Herz verwandeln zu lassen.

Dann muss ich niemanden aufgeben. Alle haben die Chance, zu einem neuen Herz und einer neue Geisteshaltung zu kommen. Das ist nicht unser Verdienst. Es ist uns von Gott geschenkt. Martin Luther wusste das.

Und was ist mit den hoffnungslosen Fällen? Es gibt Menschen, die werden sich nicht ändern. Wir haben Konflikte, die lassen sich momentan nicht lösen, die bleiben, auch 2017.

Aber das von Gott berührte Herz, ein neues Herz ist ein kraftvolles und starkes Herz. Es kann Spannungen aushalten und dennoch friedfertig bleiben.

Es hat keine Angst vor Veränderungen und kann dennoch gelassen und unverzagt sein.

Gott sagt uns am Beginn des neuen Jahres zu, dass er uns verwandeln will. Mit unserem Leben, mit unserem Zweifel, mit den Fehlern, mit unserem Versagen. und dass er uns zu einer neuen Haltung finden lässt.

Menschen können sich ändern. Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen! und Sinne in Christus Jesus.

Perikope
01.01.2016
36,26