Es gilt ein frei Bekenntnis! - Predigt zu Matthäus 10, 26b-33 von Jorg Christian Salzmann
10,26

Es gilt ein frei Bekenntnis! - Predigt zu Matthäus 10, 26b-33 von Jorg Christian Salzmann

Es gilt ein frei Bekenntnis!
I
„... nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib - lass fahren dahin, sie haben’s kein Gewinn, das Reich muss uns doch bleiben.“ Wie Fanfarenstöße hallt das Schutz- und Trutzlied durch den Reformationstag. Aber ein wenig heuchlerisch komme ich mir schon vor, diese Worte einfach mitzusingen. Ob ich das wirklich einfach so alles dahinfahren lassen könnte?
Fürchtet euch nicht vor Menschen, sagt unser Herr, fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten können, aber doch nicht die Seele. Fürchtet euch nicht, denn Gott sorgt für euch. - Vielfach bewährt haben sich diese Worte. Bis auf den heutigen Tag ertragen Christen wegen ihres Glaubens Verachtung, Gefangenschaft und auch den Tod, getrost und getröstet. Gerade in den Schwachen, den Menschen, die das nie von sich geglaubt hätten, ist sein Geist mächtig und trägt sie durch. Fürchtet euch nicht!
Aber das sagt sich so leicht dahin. Wenn dann wieder einmal diese Worte gesungen werden: „Nehmen sie den Leib, Gut Ehr, Kind und Weib“, dann singe ich doch lieber nicht so laut mit. Gott sei Dank, dass wir nicht in so harter Bewährungsprobe stehen.
II
Ja, Gott sei Dank. Wenn man das recht bedenkt, dann müssten wir ja wenigstens die leichten Bewährungsproben unseres Glaubenslebens gut meistern können. Zwar werden wir nicht wegen unseres Glaubens verfolgt, aber Gelegenheit, zu unserm Glauben zu stehen und uns zu Christus zu bekennen, die gibt es auch bei uns und immer wieder.
Manchmal scheint es fast so, als sei es leichter sich zu bekennen, wenn man richtig herausgefordert wird. „Hier stehe ich und kann nicht anders“ - so kann der sprechen, der im Rampenlicht steht, dem sowieso schon alles egal ist. Wenn es darauf ankommt, dann wage ich vielleicht den Sprung. Aber in meinem Alltag, da ist das Bekennen lästig. Ich fürchte auffällig zu werden. Vielleicht hält mich ja jemand für einen Oberfrommen und Heuchler, bei dem die schönen Glaubensworte nicht mit den Taten zusammenstimmen. Und überhaupt, ist es nicht meine Sache, ob ich glaube, geht das denn die andern etwas an? Sollen wir nicht sogar alles Aufsehen vermeiden und still im Kämmerlein beten?
„Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ Keine Frage, mit unserm Glauben sollen wir nicht hinter dem Berg halten. Ein freies Bekenntnis, ein Bekenntnis ohne Angst, das ist allerdings etwas anderes als mit seiner Frömmigkeit zu protzen. Es geht auch nicht darum, dass wir dezent zeigen sollen, wie anständige Menschen wir sind. Aber den Glauben zu verstecken, das würde bedeuten, das Evangelium zu verstecken. Den Glauben zu verleugnen, das wäre kein guter Dienst am Nächsten. Schließlich wissen wir bei andern ja auch gern, mit wem wir's zu tun haben. Wer weiß, vielleicht ergibt sich sogar ein gutes Gespräch, wenn ich dazu stehe: Ich bin Christ.
III
Es gilt ein frei Bekenntnis – aber was ist, wenn ich mir gar nicht so sicher bin? Wer will denn in heutiger Zeit seine Position ganz selbstsicher vertreten? Es mag vielleicht überraschen, aber das ist eine Frage, die schon Martin Luther umtrieb. Ihm ging es dabei allerdings nicht darum, wie man vor anderen Menschen seine Meinung behaupten kann, sondern schlicht darum, ob es überhaupt eine Gewissheit gibt, die das Leben trägt. Kann man sich denn sicher sein, den Zutritt zu Gott, zum Heil, zum ewigen Leben zu haben? Die Antwort, die Luther fand, war die: Mein Heil hängt nicht an meinen Taten und meiner Überzeugungsstärke; der einzige, der mich aus der Hölle reißen kann, bin nicht ich selbst, sondern das ist Christus. Die Sicherheit kommt also von Gott und nicht aus meinem Inneren.
Deshalb kann Jesus im größeren Zusammenhang unseres Predigtwortes seinen Jüngern auch sagen: „Wenn sie euch um meinetwillen vor Gericht stellen, dann macht euch keine Sorgen, wie oder was ihr sagen sollt; denn es wird euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt.“ (Mt 10,19)
IV
Aber das ist ja kaum unsere Situation, dass wir wegen unseres Glaubens vor Gericht gestellt werden. Im Alltag sieht es eher so aus, dass wir an vielen Stellen erleben, dass Christentum und christliche Überzeugungen immer mehr in eine Minderheitenposition geraten. Da ist es dann manchmal schwierig, zu seinem Glauben zu stehen. Ich gehe Sonntags zur Kirche; ich besuche den Religionsunterricht; ich mache nicht mit, wenn andere schlecht gemacht werden, die Ausländer, die Arbeitslosen, die Reichen oder wer immer gerade angefeindet wird. Die Versuchungen sind da, mitzulaufen, den Glauben zu verleugnen, sich nicht zu Jesus Christus zu bekennen. Es ist kein Problem davon zu erzählen, dass man endlich die Kirche verlassen hat, aber es ist nicht leicht zu sagen, dass man zur Kirche gehört und womöglich noch dass man gern dazugehört.
Da bekommen wir nun zu hören: Fürchtet euch nicht! Das ist tröstlich. Gott steht zu uns, Christus bekennt sich zu uns; er lässt uns mit unserm Bekenntnis zu ihm nicht allein. Zugleich wird uns auch eine neue Perspektive eröffnet: Die Anpassung an den Mainstream, die Verleugnung des Glaubens, das Hinter-dem-Berg-Halten führen gerade nicht in ein friedliches Leben ohne Probleme und ohne Anfechtung. „Fürchtet euch vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.“ Jesus will uns hier nicht einfach Höllenangst einjagen. Denn im Vertrauen auf Gott ist die Furcht vor der Hölle aufgehoben. Aber er warnt doch davor, dass wir unser Heil ohne Gott und im bequemen Weg des nur nicht Auffallens suchen. Die diesen Weg konsequent beschreiten, machen am Ende sich selbst zum Maßstab, machen sich selbst zu Gott und landen in der Hölle der Gottverlassenheit.
V
Sollen wir also alle zu mutigen Superbekennern werden? Jesus spricht denen Mut zu, die sich an ihn halten. Solchen Zuspruch brauchen die Superbekenner kaum, sondern vielmehr die, welche sich beeindrucken lassen von den vielen Hindernissen, die dem Glauben und Bekennen entgegenstehen. Die Ängstlichen, die Zögerer, die Leute, die gerade keine Helden sind: Wir alle sollen uns darauf verlassen, dass wir in Jesus Christus das Heil haben, und an ihm bleiben. Solches Festhalten mag selbst dann als Bekenntnis gesehen werden, wenn wir gar nicht vorhatten, ein großartiges Bekenntnis abzulegen.
So lasst euch festhalten von dem, der für uns durch den Tod gegangen ist. Er hat sich mit seinem Weg ans Kreuz zu uns bekannt; er will sich auch am Ende der Tage zu uns bekennen. Darum: fürchtet euch nicht!