Fitness für den Himmel – Predigt zu 2. Korinther 4,16-18 von Hans Uwe Hüllweg
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Fitness für den Himmel – Predigt zu 2. Korinther 4,16-18 von Hans Uwe Hüllweg

Liebe Gemeinde,

Selbstoptimierung heißt der Virus, der seit einigen Jahren zunehmend vor allem jüngere Altersgruppen befällt. Die Mentalität des Schneller, höher, weiter breitet sich auch außerhalb der Olympischen Spiele aus. Gut zu sein reicht schon lange nicht mehr, das Ziel ist es, besser zu sein. Nicht nur besser als andere, sondern auch besser als man selbst. Das klingt erst einmal nach Anregung zu Entwicklung und Wachstum der Persönlichkeit, und das schließt auch ganz handfest Verbesserung des Körpers ein. Darum gibt es schon Stau an den Kletterrouten des Mount Everest, darum erhöhen sich ständig die Teilnehmerzahlen an Laufwettbewerben, darum plagen sich immer mehr Leute an Trainingsgeräten im Keller. Die Fitness-Messe in Köln vorige Woche zeigte den Boom an. Inzwischen besucht jeder achte Deutsche ein Fitness-Studio.

Vor einiger Zeit fischte ich aus unserem Briefkasten den Werbeprospekt eines solchen Studios ganz in der Nähe meiner Wohnung („FitX – For all of us“ – Hammer Straße, Münster). Es wollte mich auf seine Angebote aufmerksam machen und als Kunden gewinnen, ausgestattet mit einem Gutschein für eine kostenlose Schnupperstunde.

Weil meine Frau und meine Tochter mich seit Jahren damit nerven, ich müsse schlanker und fitter werden, habe ich mir diesen Werbezettel einmal in Ruhe durchgelesen, heimlich natürlich, dachte über die ganze Sache nach und ärgerte mich am Ende. Warum? Weil aus dieser und ähnlicher Werbung eine Art Fitness- und Schönheits-Wahn spricht.

Selbstverständlich ist gegen eine gesunde Lebensweise nichts einzuwenden, im Gegenteil, und wer wollte nicht eingestehen, dass es damit oft hapert! Und wer sich sportlich quälen will, soll das meinetwegen ruhig tun! Bewegung verordnet mir mein Kardiologe in schöner Regelmäßigkeit.

Medien und Werbung stellen mir aber immer aufs Neue perfekt geformte, große, schlanke, strahlenden Menschen vor Augen. Sie transportieren dieses Bild als Idealziel, und sie vermitteln und damit den Eindruck, solchen Menschen stünden alle Türen offen: Sie hätten es leichter im Leben, mit der Karriere, mit der Anerkennung, mit dem Erfolg, mit dem Anbandeln und so weiter. Manchmal mag das sogar stimmen! Die Fitness- und die Pillenindustrie haben diese Masche schon lange erkannt und versprechen, einen Menschen körperlich aufzuforsten und fit zu machen! Natürlich kostet das eine Kleinigkeit; wer es sich leisten kann, ist herzlich willkommen; wer nicht, hat eben Pech gehabt!

In der pulsierenden Metropole Korinth, reiche Hafen- und Handelsstadt der Antike zur Zeit des Neuen Testaments, muss das so ähnlich gewesen sein: Gut aussehen, fit sein, Sport treiben, immer unter Dampf stehen, Karriere machen, Erfolg haben, Geld scheffeln... Warum sollte der Apostel Paulus in seinem Brief an die dortige Gemeinde sonst dieses Thema anschneiden?

Im Gegensatz zu dem beschriebenen Trend allerdings, der vor allem auf Äußerlichkeiten achtet, schreibt der Apostel, dass der äußere Mensch nicht alles ist, sondern dass es um mehr geht als um den Versuch, nach außen gut auszusehen, Spaß zu haben, das Leben zu genießen und es möglichst lange vor dem sowieso irgendwann kommenden Tod zu bewahren.

Paulus nimmt kein Blatt vor den Mund. Beschönigungen liegen dem Apostel nicht, er sagt knallhart, wie es ist: Der äußere Menschen, der Körper verfällt. Jeder Mensch rückt jeden Tag, seit dem Tag seiner Geburt, dem Tod ein Stück näher. Vor ihm gibt es kein Entrinnen, nicht für die Reichen und nicht für die Armen, nicht für die Fitten und nicht für die Behäbigen, nicht für die Schönen und nicht für die Normalen, nicht für die Christen und auch nicht für die Nichtchristen.

Die kleine junge christliche Gemeinde in der griechischen Stadt Korinth hatte Paulus bereits zuvor viel Kopfzerbrechen bereitet. Eine Gruppe innerhalb dieser Gemeinde vertrat offensiv die sicher für manche heutige Menschen sehr sympathische Ansicht, dass sie nun, durch Jesus zur Freiheit erlöst, in diesem Leben lebten. Nach diesem Leben, so glaubten sie, stünde nichts als das Nichts des Todes: „Freu dich und genieße dein Leben, denn mit dem Tod ist alles aus!“ Oder in den Worten des Propheten Jesaja: „Aber siehe da, lauter Freude und Wonne, Rindertöten und Schafeschlachten, Fleischessen und Weintrinken: ‚Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!‘“ Diese Worte zitiert Paulus - er kennt seine Bibel -, schon in seinem 1. Korintherbrief (15,32).

Diese Haltung einiger Korinther kann Paulus nicht so stehen lassen, war ihm doch selbst der von den Toten auferstandene Christus erschienen und hatte ihn persönlich als seinen Botschafter beauftragt. Und hatte er nach dieser Begegnung nicht die ihm bevorstehende Karriere in der religiös-politischen Oberschicht der Juden aufgegeben, um ganz für Jesus Christus und seine Botschaft zu leben?

Für Paulus ist klar: Weil Jesus selbst von den Toten auferstanden ist, wird das, was an ihm geschehen ist, auch uns geschehen, die Auferweckung der Toten, denn Jesus ist der „Erste der Entschlafenen“, wie Paulus sich ausdrückt (1. Kor 15,20). Und weil das so ist, kommt es auf Äußerlichkeiten im Leben nun schon überhaupt nicht an. Da gelten andere Werte!

Auf die Frage, wie genau das Leben mit Christus nach dem Tod aussehen wird, stellt Paulus keinerlei Spekulationen an; er stellt nur fest, dass es der unsichtbare, oder besser noch, verborgene innere Mensch ist, nicht der sichtbare, der mit Christus leben wird.

Wie ist das nun aber zu verstehen? Von unsichtbaren Dingen lässt es sich ja leicht reden, wie sollen die denn bewiesen werden? In meiner hauptamtlichen Zeit als Pfarrer bekam ich gelegentlich von Oberschlauen zu hören: „Ich glaube nur das, was ich sehe“!

Eine solche Aussage ist unüberlegt und kindisch. Was wir alles nicht sehen können, woran wir aber doch glauben, weil es einfach da ist: der elektrische Strom zum Beispiel; wir sehen ihn selbst nicht, sondern nur seine Wirkungen: Das Licht geht an, der Heizlüfter heizt, der Kühlschrank kühlt… Oder Gefühle wie die Liebe, dafür gilt im Prinzip das gleiche: Wir sehen sie nicht, allenfalls ihre Wirkungen. „Ich glaube nur das, was ich sehe?“ Darauf hat ein Amtsbruder einem so Redenden mal die spitze Antwort gegeben: „Wenn das meine Ansicht wäre, müsste ich auch an Ihrem Verstand zweifeln…“

Weil Paulus so viel Wert auf den inneren, unsichtbaren Menschen legt, darum hat man ihm manchmal Leibfeindlichkeit unterstellt. Der sichtbare Mensch, seine Körperlichkeit, sei ja schließlich auch von Gott geschaffen, heißt es dann. Das stimmt sicherlich. Die Bibel sagt uns an anderer Stelle: Wer Christ ist, darf selbstverständlich auch feiern, darf fröhlich sein und darf auch dem Körper sein Recht verschaffen. Jesus selbst war auf Feiern eingeladen, und er war da nicht etwa ein miesepetriger Spielverderber, sondern hat beispielsweise, als der Wein ausgegangen war, für Nachschub gesorgt (Joh 2,1-11).

Aber genau hier setzt die Kritik des Apostels ein: Wenn jemand dabei stehen bleibt, liegt er/sie falsch. Das Leben geht über das Sichtbare hinaus. Das Leben ist mehr als nur eine Aneinanderreihung von chemischen Abläufen. Das Leben ist mehr als die äußerlich sichtbaren, ja noch mehr als die mit den Sinnen und dem Verstand begreifbaren Elemente. Das Leben hat seinen Ursprung in Gott und wird auch sein Ende wieder bei Gott haben. Jedenfalls für all die, die im Glauben an Jesus Christus und seinen Sieg über den Tod aus dieser Welt gehen.

Wie das Sichtbare zeitlich ist, wird das Unsichtbare ewig sein, wie Gott selbst. Weil Jesus Christus die Menschen zu Gott bringt, gibt es im Glauben keine Notwendigkeit für einen Fitnesswahn, für einen Schönheitswettbewerb, für eine  Castingshow zum Superstar. Damit im Grunde dem Tode entgegenzuwirken, ist für einen Christen nicht nötig; denn er hat ihn ja nicht zu fürchten.

Na ja, ich wiederhole: Es ist sicherlich nicht schlecht, sich auch körperlich fit zu halten, und ich glaube keinem heute morgen würde ein bisschen mehr Bewegung besser tun als mir selbst, aber die Fitness und das, für was sie steht, darf nicht zum Mittelpunkt des Lebens werden; denn dann wird sie zu einer Art Ersatzreligion, ebenso wie Schönheit, Erfolg oder Anerkennung.

Warum soll ich mir durch Medien und Werbung ein Menschenbild aufdrängen lassen, das im Widerspruch zu dem steht, der das Leben erfunden und geschaffen hat? Die Bibel offenbart den Weg zu einem Leben jenseits aller äußeren Fitness, das den Glaubenden zugänglich ist, einen Weg, den es zu gehen lohnt, weil das Ziel selber uns entgegenkommt - der auferstandene Christus. Das ist für Christen das richtige Fitnessprogramm – Fitness für den Himmel!

Zum Schluss möchte ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, die sehr schön illustriert, dass der äußere Mensch vor der Ewigkeit nicht viel wert ist, sondern dass es darauf ankommt, wie Paulus schreibt, den inneren erneuern zu lassen:

Ein König gab seinem Hofnarren einen Stab und sagte: „Gib diesen Stab dem, der noch närrischer ist als du!“ Kurz darauf legte sich der König zum Sterben nieder und klagte: „Ich gehe in ein fremdes Land und kehre nie mehr zurück.“ Der Narr entgegnete: „Da du doch gewusst hast, dass du einmal in dieses fremde Land ausreisen musst, hast du sicher alles getan, um auch in dieser neuen Heimat ein Haus zu besitzen.“ Als dies der König verneinte, überreichte ihm der Narr den Stab und sagte: „Er gehört dir. Du bist ein noch größerer Narr als ich.“

Also lasst uns nicht müde werden, unseren inneren Menschen von Jesus Christus erneuern zu lassen, damit wir auch in der kommenden Heimat ein Haus besitzen! Fitness für den Himmel -  das ist ja nun wirklich ein Grund zum Jubeln – Jubilate!

Amen.

Wertvolle Anregungen von Michael Zlámal/Dreieich, Predigtdatenbank 2006; Schlussgeschichte Hoffsümmer II/217