Gott mit uns – Predigt zu Exodus 3,1-14 von Jens Junginger
3,1-14

Gott mit uns – Predigt zu Exodus 3,1-14 von Jens Junginger

Die Geschichte mit dem Busch, der nicht verbrannte, die fiel ihm wieder ein, als wir auf biblische Geschichten zu sprechen kamen.

Nach kurzem Grübeln sagt er dann:
… und da war irgendwas im Busch…ich weiß nicht mehr so genau“. Und Gott hat dann noch so einen komischen Satz zu dem Mose gesagt: Ich bin … weiter weiß ich nicht mehr.

Wer diese Geschichte einmal erzählt bekommen hat, bei dem hat sie sich eingeprägt. Vor allem: Der Busch, der nicht verbrannte.
Und eben – dass, da noch etwas im Busch war!

Wenn wir heute umgangssprachlich diese Redensart benutzen und sagen „Da ist etwas im Busch“, dann hat sie in dieser biblischen Geschichte ihren Ursprung. In der Geschichte vom brennenden Dornbusch, in der sich Gott selbst vorstellt und Mose sagt, womit er ihn beauftragt.
Ich will sie uns im gesamten noch einmal in Erinnerung rufen:

Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des Herrn erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der Herr sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.Und der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Drangsal gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.
Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? Er sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott dienen auf diesem Berge. Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name? was soll ich ihnen sagen? Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.

Dieser mysteriöse Busch, der nicht verbrennt, der fasziniert christliche wie muslimische Kinder gleichermaßen. In der Bibel und im Koran wird sie erzählt. Dass Moses die Schuhe auszieht, das fällt den Kindern gleich auf. Es ist ein Kennzeichen dafür, dass da etwas Besonderes sein muss. Wie wir es machen, wenn wir in die Moschee gehen, kommentieren die muslimischen Kinder diese Stelle.
Beim Namen Ich bin, der ich bin / ich werde sein der ich sein werde, rufen sie im Chor: Das ist doch kein Name! Und doch können sie ihn sich sehr gut merken.
Da war der Ich bin, der ich bin da im Busch, wiederholen sie in den kommenden Stunden immer wieder.
Sie sind erstaunt, dass der Ich bin der ich bin dem Mose Verantwortung überträgt, obwohl mit dem doch der Gaul durchgegangen war, als er einen ägyptischen Aufseher niedergeschlagen hatte. Dass der ein schlechtes Gewissen haben muss, ist für sie verständlich. Und dass er deswegen die Beauftragung zurückweist mit den Worten: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? Wer bin ich, dass ich solche eine verantwortungsvolle Leitungsaufgabe übernehmen soll oder kann?
Richtig finden sie, ja erleichtert sind sie, dass der Ich bin der ich bin sein Volk aus der Hand des Pharao errettet und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land.
Gut, dass er das macht. Nicht nur einmal haben Kinder beim Hören dieser Geschichte davon erzählt, welche Be- oder Unterdrückung ihnen dazu spontan einfällt: innerhalb der Familie, in der Schule, durch andere Kinder.

Dieser mysteriöse Ich bin der ich bin / ich werde sein der sich sein werde macht ein ziemliches Geheimnis um sich. Er oder sie ist nicht greifbar und will es auch nicht sein.
J H W H, vier aneinandergereihte Konsonanten, mehr nicht. Das ist kein wirklicher Name. Gesprochen: Jahwe oder Jachwe.
Unsere jüdischen Glaubensgeschwister sprechen das aus Ehrfurcht nicht aus. Andere haben Jehowa daraus gemacht. Genau das soll nicht sein. Das Aussprechen eines Namens. Eine namentliche Fixierung.

Wir sollen von Gott die Gewissheit haben dürfen: „Ich bin jeweils so bei euch, wie ich jeweils sein will.“ Er ist einfach da, unterwegs, dort wo Menschen sind, sein Volk, wir. Mit ihm ist zu rechnen. Auf Gott können wir zählen und davon ausgehen. Da ist was im Busch.

Gott ist nicht starr an einen Ort gebunden. Er ist – laut seiner Selbstaussage - jeweils der, der er sein will.
Das bringt jedoch Schwierigkeiten mit sich. Denn: Allmächtig, allwissend, allgegenwärtig, das sind die Bilder und Eigenschaften, die sich eingeprägt haben. So haben Menschen von Gott geredet. Ein bisschen so, als wäre er der große Alleskönner.
Wenn aber im Lauf des Lebens heftige Einbrüche erfolgen, dann kommen wir mit dem Alleskönner-Gott nicht mehr klar. Dann wird diese Gottesvorstellung auf das heftigste erschüttert.
Wir stellen fest, sei es bei uns selbst oder in unserem Umfeld oder in dem, was auf der Welt passiert.
Dass er nicht „alles so herrlich regieret“ (EG 317,2).
Dass sehr viel Böses und Unrecht passiert und nicht verhindert wird.
Dass das Schreien der Leidenden nicht abgestellt wird.
Und das Elend der Armen nicht behoben wird.
Dass die Arktis weiter schmilzt.
Dass Gott nicht „Schmerzen schnell mal stillt“ und hilft und „aus Kriegen Frieden macht“ (Eugen Eckert).
Mit Gott hat meine Mutter irgendwann mal abgeschlossen, erzählte mir vor kurzem eine Frau. Als Kind, so meinte sie - daran erinnere ich mich noch sehr gut - da hat sie mit mir immer gebetet und wir sind auch in die Kirche gegangen.
Irgendwann mal war Gott aber für sie kein Thema mehr. Ich denke, das hat mit so einigen Schicksalsschlägen zu tun und mit Krankheiten: Gott war nicht da, als die Mutter ihn gebraucht und erwartet hatte. Für sie hat Gott sein Existenzrecht eingebüßt.
Sie ist da nicht die einzige. Das Übermaß an Unrecht, an Bösem, an Brutalität, an übelsten Krankheiten und Unfälle, das sind die Erfahrungen, die Anlass geben zu sagen: Wenn es Gott gäbe, dann würde er das nicht zulassen.
Es waren nicht wenige, die nach der Erfahrung des Nationalsozialismus, dem Holocaust und dem zweiten Weltkrieg, nach Flucht und Vertreibung genauso empfunden haben: Sie haben mit Gott abgeschlossen.
Und es sind nicht wenige, die heute sagen: Ich glaube, was ich sehen kann, an den Menschen, an die menschliche Schaffenskraft und an mich – nur an mich.

Gleichwohl ist der Ich bin der ich bin / ich werde sein der sich sein werde – in besonderen Momenten - auch für jene Menschen im Busch, die eigentlich nichts mehr mit Gott am Hut haben.
Wenn unfassliches, entsetzliches passiert, wenn Menschen sterben, getötet werden, durch einen Anschlag, einen Amoklauf.
Dann sehnen wir uns nach der Vergewisserung „Ich bin jeweils so bei euch, wie ich jeweils sein will“. Dieses „Ich“ ist beruhigend, mitfühlend, mitleidend, entlastend, stärkend, aufrichtend.
Fakt ist: Im Namen Gottes, in der Vereinnahmung Gottes für menschliche Macht- und Großmachtinteressen ist entsetzlich viel Unrecht passiert.
Daran kann man verzweifeln und darüber den Glauben verlieren.

Vor hundert Jahren stand auf den Koppelschlössern der deutschen Soldaten im ersten Weltkrieg: Gott mit uns. Und die, die sich damit umgürteten, glaubten das und die zu Hause, die waren stolz auf sie.
Was für eine Gottesvorstellung? Gott zog mit in den Krieg, ins Gemetzel. Und in der Zeit des Hitler-Faschismus glaubten die, die sich deutsche Christen nannten: Gott ist mit uns, beim Einmarsch in andere Länder und beim Genozid gegen Juden.
Heute glauben radikale terroristische Islamisten Gott sei mit ihnen.
Heute gibt es auch unter Christen wieder Strömungen, die die Gedanken rechtspopulistischer Parteiprogramme teilen.
Gläubige werden auch in Zukunft anfällig sein, im Namen ihre Religion, im Namen Gottes für Intoleranz und Gewalt sein“, sagte vor kurzem Bundestagspräsident Norbert Lammert.
Es sind Menschen, die vorgeben im Namen Gottes zu reden und zu handeln, Gott und eine Religion missbrauchen.
Unsere Geschichte vom brennenden Dornbusch erzählt uns: Der Ich bin der ich bin / ich werde sein, der ich sein werde lässt sich für Nationalismus und Rassismus nicht missbrauchen, für nichts was Menschen trennt und gegeneinander aufbringt oder aufbringen soll.

Gott ist mit uns.
Gott ist da und wird da sein.
Gott brennt für uns.
Gott ist und bleibt Feuer und Flamme für uns, wo wir mit ihm das Schreien von Menschen hören, mit ihren Ängsten und Sorgen, in ihrer Not, in ihrem Leiden.
Wo wir uns bemerkbar machen, beauftragt und verantwortlich sehen.
Wo wir uns mit ihm auf den Weg der Befreiung machen, in kleinen Schritten, raus aus der Vereinsamung, raus aus dem „Alles-mit-sich-selbst-aus-machen-wollen“, raus aus dem „Ich-brauch-niemanden“, raus aus der Gefangenschaft nationalistischen Denkens, hin zu einem menschenwürdigen, guten Zusammenleben untereinander.
Da ist Gott bei und mit uns unterwegs.
Und: Wir bleiben mit unserer Beziehung zu Gott unterwegs, wie dieser ältere Herr:
Früher einmal habe ich genau sagen können, wer Gott ist und was seine Eigenschaften sind, da gab es für mich nichts zu rütteln. Als es uns allen besserging, das Leben freundlicher wurde, wurde für mich auch Gott freundlicher, weiblicher, geschwisterlicher.
Dann, wieder etwas später sahen wir uns als Gottes Mitarbeiter im Engagement für eine bessere Welt.
Als ich älter wurde wanderte Gott wieder weiter mit mir und ich mit Gott. Er wurde für mich zu dem, der niemanden in eisige Abgründe fallen lässt. Er wurde mich zu dem, auf den man hoffen kann, um der Enkel willen.
Ansprechen tue ich Gott, und mit ihm streiten, auch jetzt im Alter immer noch wie mit einer Person. Ich tue mich schwer mit den Widersprüchen zwischen den wunderbaren Verheißungen in der Bibel und den tausenden von unschuldigen Toten täglich. Dennoch kann ich Gott verzeihen, weil er in Jesus Christus unsere Ängste unseren Schmerz und unseren Tod geteilt hat.

Gott wird sein, der er sein wird, mit uns und für uns – unterwegs, in Bewegungen, im Aufschrei, in Bedrängnis, in jedem Aufbruch der Menschen in ein Land der Zukunft, in dem für alle Milch und Honig fließt.
Und der Busch, der im Feuer brannte, wurde nicht verzehrt.