"Gottes Geschenk und unser Beitrag", Predigt zu Josua 1, 1-9 von Katharina Wiefel-Jenner
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"Gottes Geschenk und unser Beitrag", Predigt zu Josua 1, 1-9 von Katharina Wiefel-Jenner

Gottes Geschenk und unser Beitrag
1 Nachdem Mose, der Knecht des HERRN, gestorben war, sprach der HERR zu Josua, dem Sohn Nuns, Moses Diener: 2 Mein Knecht Mose ist gestorben; so mach dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Israeliten, gegeben habe. 3 Jede Stätte, auf die eure Fußsohlen treten werden, habe ich euch gegeben, wie ich Mose zugesagt habe. 4 Von der Wüste bis zum Libanon und von dem großen Strom Euphrat bis an das große Meer gegen Sonnenuntergang, das ganze Land der Hetiter, soll euer Gebiet sein. 5 Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. 6 Sei getrost und unverzagt; denn du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will, wie ich ihren Vätern geschworen habe.7 Sei nur getrost und ganz unverzagt, dass du hältst und tust in allen Dingen nach dem Gesetz, das dir Mose, mein Knecht, geboten hat. Weiche nicht davon, weder zur Rechten noch zur Linken, damit du es recht ausrichten kannst, wohin du auch gehst. 8 Und lass das Buch dieses Gesetzes nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte es Tag und Nacht, dass du hältst und tust in allen Dingen nach dem, was darin geschrieben steht. Dann wird es dir auf deinen Wegen gelingen und du wirst es recht ausrichten. 9 Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.
 
Ihr Lieben am Morgen des neuen Jahres!
Dieser Zuspruch kommt zur rechten Zeit. Wann, wenn nicht jetzt? Wir brauchen ihn - dringender denn je! „Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“ Diese Worte sind angesichts der äußeren und inneren Trümmer, die das alte Jahr angehäuft hat, Balsam für die Seele. Womöglich sind solche Worte nach dem heute Nacht zu Ende gegangenen Jahr sogar nötiger als an anderen Neujahrsmorgenden. Zu viel Trauriges und Entsetzliches war im alten Jahr geschehen. Es gab Katastrophen und Krisen, von denen wir wissen, dass noch die nächsten Generationen daran zu tragen haben. Diktaturen wurden beiseite gefegt, aber was an ihre Stelle treten wird, ist noch nicht deutlich. Sicher - es gab auch Glück, das kleine und private. Liebende haben sich gefunden. Kinder wurden geboren, Häuser gebaut, Bäume gepflanzt. Heute Nacht sind wir nun über die Schwelle zu einem neuen Jahr getreten und wir wissen, dass man sich vor dem, was kommen mag, durchaus fürchten kann. Wie gut, dass wir uns mit Gottes tröstlichem Wort bestärken lassen können.
Doch Vorsicht: der Zuspruch Gottes ist kein billiger Sinnspruch, den man sich auf einer Postkarte auf den Nachttisch stellt oder als Bildschirmschoner immer mal wieder an sich vorbeiziehen lassen kann. Es wäre ein Irrtum zu meinen, dass diese Worte wie ein großes Füllhorn über alles und jeden Trost und Unterstützung ausschütten werden. Nur auf den ersten Blick ist das Versprechen, „der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst“ kostenlos. Er ist an Bedingungen geknüpft.
Als Josua die Worte hörte, stand auch er auf der Schwelle zu Neuem. Mose war gestorben und er musste die Nachfolge antreten. Vor ihm lag der Jordan. Auf der anderen Seite des Flusses erstreckte sich das Land, von dem er wusste, dass die Israeliten es bewohnen sollten. Josua war nicht zu beneiden. Alles war im Übergang begriffen. Seine alte Rolle als Moses rechte Hand und Unterstützer war mit Mose Tod vorbei. Seine neue Rolle als Anführer des Volkes hatte er noch nicht gefunden. Auch die Israeliten standen als Gemeinschaft vor Veränderungen. Noch lebten sie in der Wüste, aber auf der anderen Seite wartete fruchtbares Land. Ein Coach oder Berater von heute hätte Josua sicherlich gute Ratschläge gegeben, wie er sich für das Kommende „gut aufstellt“. Schließlich wartete eine verantwortungsvolle Aufgabe und viel Land – von der Wüste bis zum Libanon, vom Euphrat bis zum Meer. Aber Gott will von Josua nicht, dass er sich gut aufstellt. Kein Wort davon, dass er seine Leute für den gefährlichen Übergang aus der Wüste in das Land auf der anderen Seite in Stellung bringen soll. Wenn es um Gottes Gegenwart geht, dann haben strategische Überlegungen keinen Platz. So befremdlich das für alle ist, die den Rat von Beratern und Strategen schätzen – aber für den Erfolg dieses zentrale Projekt der Geschichte des Volkes Gottes zählte nur, wie Gott handelt und Gottes Handeln besteht im Geben und Schenken. Für die Landnahme, die nun vor Josua und den Israeliten liegt, spielen strategische Überlegungen deswegen keine Rolle. Dies bedeutet dann aber auch, dass Josua das verheißene Land nicht mit militärischen Mitteln erobern soll. Gott wird ihnen helfen, sich dort anzusiedeln. Gott schenkt das Land und Josua soll es nur verteilen. Wie dies geschehen soll, ist zum Zeitpunkt des Übergangs nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass Gott Josua und den Israeliten das zum Leben nötige Land geben wird.
Wie schwierig der Verzicht auf strategische Überlegungen für Josua gewesen sein wird, kann man im Blick auf unseren Umgang mit Plänen erahnen. Wer ein größeres Vorhaben realisieren möchte, muss Pläne machen, sie präsentieren, mit Zeitangaben versehen und festlegen, wann er welchen Schritt absolviert haben wird. Er muss noch erklären, wie viel Geld gebraucht wird und wer alles daran zu beteiligen ist. Selbst wenn Josua keinen Projektmanager hatte und auch keine Aufgabenlisten abzuarbeiten und keine Zeitpläne und Budgets einzuhalten hatte, wird er doch versucht gewesen sein, den Übergang über den Jordan nicht Gott allein zu überlassen.
Es liegt in der Natur der Sache oder besser in der Natur des Menschen, selbst machen zu wollen. Und so haben auch wir für die kommenden 12 Monaten auch schon unsere Pläne im Kopf und überlegen, was wir bis wann alles machen werden. Denn so wie wir heute leben, verbietet es sich von selbst, das Geschehen tatenlos auf sich zukommen zu lassen.
Was also zunächst so leicht klingt, sich nämlich einfach Gott zu überlassen, ist bei genauerer Betrachtung doch schwieriger als gedacht. Wir müssen uns nämlich davon verabschieden, dass wir mit klugen Planungen und strategischen Überlegungen den Erfolg für alle unsere Unternehmungen garantieren können. Mehr noch, wir müssen sogar damit rechnen, dass Unerwartetes geschieht: Begegnungen, die uns daran hindern, die vorausberechneten Schritte weiter zu gehen; Entdeckungen, die unseren Blick in eine andere Richtung lenken; Ereignisse, die deutlich Halt-Stopp rufen; Einsichten, die alles in ein neues Licht tauchen; und nicht zu vergessen: der Blitz der Liebe, durch den alles neu wird. Mit dem Unerwarteten ruft Gott uns zu:
„Nicht du mit deinen Plänen, nicht du mit deinem Machen und deinen Überlegungen sorgst für das Gelingen. Das mache ich, dein Gott. Doch ich bin mit dir und trage Sorge für dich und dein Leben. Ich gebe und schenke alles. Alles, was du bist und hast, kommt von mir, deinem Gott.“
Gottes Zusage steht und Gott verpflichtet sich Josua gegenüber wie in einem Vertrag: „der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst“. Aber im Kleingedruckten steht, dass sich Josua und wir dafür von der Haltung verabschieden sollen, die uns dazu antreibt, alles unter Kontrolle bekommen und alles planen zu wollen.
Josua erhält allerdings noch einen zweiten Hinweis, der auch uns betrifft. Gottes Zuspruch ist mit den biblischen Weisungen verbunden. Josua hört:
„Sei nur getrost und ganz unverzagt, dass du hältst und tust in allen Dingen nach dem Gesetz, das dir Mose, mein Knecht, geboten hat. Weiche nicht davon, weder zur Rechten noch zur Linken, damit du es recht ausrichten kannst, wohin du auch gehst.“
Der Abschied von der Überzeugung, mit den richtigen Instrumenten selbst erfolgreich sein zu können, wird leichter, wenn er mit der Aufmerksamkeit für Gottes Wort einhergeht. Der beständige Versuch, die Worte, die Mose überliefert hat, einzuhalten, gibt dem Planen und Tun eine andere Richtung. Mit dem beständigen Versuch, sich an die 10 Gebote und die Seligpreisungen zu erinnern, bekommen unsere Worte und Taten selbst dann eine andere Qualität, wenn wir an uns, an unseren nächsten und an Gott scheitern. Josua soll die Worte beständig im Munde führen. Er soll und wir auch sollen uns das biblische Wort auf der Zunge zergehen lassen, es im Herzen hin und her wenden, auf ihm herumkauen, es wiederholen und uns in jeder möglichen Situation an es erinnern. Dann begleiten die Worte von Mose, den Propheten, den Aposteln und den Evangelisten mit ihrem Klang unsere Gedanken, unsere Pläne, unsere Hoffnungen, unsere Schritte ins Unbekannte. Dann verändern sie uns im Herzen. Dann lassen wir zu, dass Gott uns verändert.
Das neue Jahr liegt noch unberührt vor uns. Gottes Zuspruch gilt uns, wie er Josua gegolten hat: „Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“Hören wir also auf Gottes Wort, wiederholen wir es, lassen wir es uns auf der Zunge zergehen, erinnern wir uns an jedem Tag dieses neuen Jahres. Amen.
Perikope
Datum 01.01.2012
Bibelbuch: Josua
Kapitel / Verse: 1,1
Wochenlied: 64
Wochenspruch: Kol 3,17