Herzensgespräche an der Schwelle – Predigt zu 1. Mose 8,18-22 von Katja Albrecht
8,18-22

Herzensgespräche an der Schwelle – Predigt zu 1. Mose 8,18-22 von Katja Albrecht

Angekommen. Wir verlassen das Flugzeug. Mehrere tausend Flugkilometer liegen hinter uns. Eine 14tägige Reise zu unserer Partnerdiözese in Tansania haben wir gemacht, in der auch unsere Partnerschule liegt. Müde sind wir nach diesem Nachtflug – aber auch ganz erfüllt von allen Erlebnissen.  In der Ankunftshalle des Flughafens halten wir kurz inne. Wir singen noch einmal unser Lied, das wir an vielen Orten gesungen haben. Bwana awabariki – Gottes Segen sei mit dir! Und jetzt singen wir das auch uns selbst zu. Jetzt wo unsere Zeit als Reisegemeinschaft auf Zeit endet. Jetzt, wo wir all die vielen Eindrücke verarbeiten müssen – und alles in Einklang bringen mit unserem ganz alltäglichen Leben hier, da singen wir uns gegenseitig den Wunsch nach Gottes Segen zu. Ein stiller Moment, ein Moment, in dem wir dankbar sind. Für all die Menschen, denen wir begegnet sind. Für alle, die unsere Reise liebevoll und mit Gebeten aus der Ferne begleitet haben. Und wir sind dankbar, dass alle die Reise gesund und fröhlich überstanden haben. Es ist ein Moment, in dem wir spüren, wie gut wir es haben. Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf – das haben wir alle. Und noch viel mehr. Das Glück, in einem so reichen Land geboren zu sein, mit so guter medizinischer Versorgung, mit so großen Chancen im Leben. Gedankenfetzen an der Schwelle zum Alltag. Es ist gut, dass wir einen Moment innehalten und Gott um seinen Segen bitten. Um sein Mitgehen auf unserem Weg. Um seinen liebevollen Blick auf unser Bemühen, die Erfahrungen der Reise fruchtbar zu machen.

Angekommen. Noah verlässt die Arche. Und mit ihm seine Familie. Seine Frau, seine Söhne, deren Frauen. Die Alten und die Jungen. Die Vergangenheit und die Zukunft. Und hinter ihnen folgen die Tiere. Die, die damals paarweise in die Arche kamen – und von denen sich manche über die lange Zeit auf dem Wasser vermehrt haben. Da steht diese besondere Reisegemeinschaft auf Zeit auf trockenem Land, an der frischen Luft. Ein besonderer Moment. Auf der Schwelle zum Leben danach. Nach der großen Flut. Nach der Enge in der Arche.

Noah findet den Anschluss an die Zeit davor. Er baut einen Altar und er bringt Opfer, so wie das seine Vorfahren auch gemacht haben. Er dankt Gott. Für das Leben. Zuerst der Gottesdienst  - und dann alles andere. Zuerst sich festmachen an Ritualen, die er gelernt hat. Rituale, die Sicherheit geben. Oder die doch zumindest helfen, die ersten Schritte nach dem Verlassen der Arche zu gehen. Noah. Dieser eine, der gerettet wurde, der erweist sich als ein Hoffnungsträger. Denn er weiß um die Aufgabe des Menschen, des Geschöpfs Gottes. Gott die Ehre geben, Gott danken für die Chancen eines Neuanfangs. Ein Selbstgespräch Noahs oder ein Gespräch mit seiner Familie ist uns nicht hinterlassen in der biblischen Erzählung. Wie gehen sie um mit der Erfahrung, dass so viele Menschen gestorben sind und sie überlebt haben? Wie hat die Zeit in der Arche in ihnen gearbeitet? Sind sie froh in den Alltag zurückzukehren oder haben sie Angst vor den ersten Schritten? Das können wir nicht wissen. Wir sehen Noah vor uns, der das tut, was er kennt und was er kann.

Der treue Noah. Der fromme Noah. Erst züngelt das Feuer und dann brennt es. Und vom Altar steigt Rauch auf und ein Geruch auf. Ein lieblicher, ja ein beruhigender Geruch. So steht es in der Bibel.

Dieser Geruch steigt Gott in die Nase. Auch das steht in der Bibel. Kitzelt ihn vielleicht in der Nase. Und ist Anlass für ein Selbstgespräch Gottes, ein Herzensgespräch:

Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (1. Mose 8, 21b-22)

Gott kommt zur Ruhe. Und Gott fasst sich ein Herz. Durch das Handeln der Menschen wird er sich zu so einer Katastrophe nicht noch einmal hinreißen lassen. So beschließt er es vor sich selbst. Den Menschen, sein Geschöpf, wird er nicht ändern. Sie sind, wie sie sind, die Menschen. Um Längen besser darin, sich gegenseitig zu schaden, als einander gut zu tun. Ein Leben lang Anfänger in Sachen Liebe, vor allem in Sachen Eigenliebe. Und richtig gut darin, darauf zu achten, wo es jemand auch nur ein kleines bisschen besser hat. Gott steht zu seinen Geschöpfen, mit all ihren Fehlern. Das klingt durch in diesem Herzensgespräch.

Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (1. Mose 8, 22)

Mein Herzensgespräch geht in verschiedene Richtungen. Ich merke: Dieser verlässliche Lauf der äußeren Dinge, der gibt meinem Leben Halt. Ich kann mehr spüren als begründen, dass dies eine Zusage für mich ist. Und ich habe es in meiner Arbeit oft erfahren, dass es auch anderen Menschen so geht. Besonders auf dem Land, wo Frühling, Sommer, Herbst und Winter ihren eigenen Geruch haben und ihre eigenen Arbeitsabläufe. Wo jetzt im Herbst die Felder bestellt werden im Vertrauen darauf, dass der nächste Frühling das Wachstum bringt und der nächste Sommer die Ernte. In diesem Vertrauen wissen wir, was zu tun ist und können unseren Beitrag leisten, dass es Nahrung gibt und Blumen. Das Nötige und das Schöne im Leben.

Aber da sind auch anderen Stimmen in meinem Herzen. Die Menschen in Tansania haben es so viel schwerer, dem Boden das Lebensnotwendige abzutrotzen. Auf den Feldern des Kinderheims in Iringa reift der Mais nach der späten und zu kurzen Regenzeit nicht mehr aus. Er kann für die Kinder und Erwachsenen dort nicht als Nahrungsmittel dienen, sondern nur als Futter für die Tiere. Neues Saatgut für die nächste Aussaat entsteht nicht. Folgen des Klimawandels. Menschengemacht – zumindest in großen Teilen.

Und da ist die Sorge um Menschen hier wie dort, deren Leben nicht von Ruhe und Gleichmaß geprägt ist, sondern von Ängsten und Sorgen, von Krankheit und Leiden. Menschen hier wie dort, die das Nötigste zum Leben nicht haben, oder gerade so ihr Auskommen. Aber nur, wenn die Kraft zum Arbeiten erhalten bleibt. Nur wenn die Arbeitsstunden nicht wieder gekürzt werden oder ein neuer Arbeitsvertrag mit noch niedrigerer Bezahlung droht.  Nur, wenn die tansanische Großfamilie auch weiter zusammenhält, obwohl ein weiterer Esser dazugekommen ist.

So wird mein Herzensgespräch zum Gebet. Ich nehme Gott ins Gebet, bei seinem Entschluss zu bleiben:

Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (1. Mose 8, 21b-22)

In der biblischen Geschichte bleibt Gott bei seinem Versprechen – und er bekräftigt es wenige Verse später:

Und Gott sagte zu Noah und seinen Söhnen mit ihm: Siehe, ich richte mit euch einen Bund auf und mit euren Nachkommen und mit allem Lebendigen Getier bei euch, an Vögeln, an Vieh und an allen Tieren auf Erden bei euch, von allem, was aus der Arche gegangen ist, was für Tiere es sind auf Erden. Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken, der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. (1. Mose 9,8-10.12-13)

Der Regenbogen scheint über dem Altar, den Noah gebaut hat. Im bunten Farbspektrum erscheint der abgelegte Kriegsbogen. Im Farbspektrum, das sich nur zeigt, wenn Sonnenlicht und Wasser zusammenkommen. Diese Buntheit leuchtet über allem menschlichen und tierischen Leben. Ein Bund, von Gottes Seite geschlossen. Ein Bund, der die Geschöpfe frei macht von der Angst vor einem rächenden, zerstörenden Gott. Gottes Bund, der alles Leben auf der Erde mit einschließt. Der Bund, der den Blick richtet auf das Miteinander aller Geschöpfe auf der Erde.

Angekommen. Noah und die Seinen. Im Leben nach der Sintflut. Gezeichnet mit dem bunten Regenbogen als farbiger Brücke in die Zukunft. Und gesendet von diesem Gott zu berichten. Der von seiner Seite den Menschen die Freiheit zur Gestaltung ihres Lebens schenkt.

Angekommen. Unsere Reisegruppe. Beschenkt mit der Erfahrung der Gastfreundschaft unserer Geschwister in Tansania. Und gestärkt, von der Verbindung durch unseren Glauben zu berichten. Ein Glaube, der die Fürsorge füreinander einschließt – und immer schon den Blick auf alles menschliche und tierische Leben auf der Erde. Ein Glaube, der um die Beschränkungen und die unendlichen Möglichkeiten von uns Menschen weiß. Und der diesen einen Gott feiert, der uns das Leben schenkt. Gott, der uns in das Leben schickt als seine Geschöpfe.

Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (1. Mose 8, 22)

Unter dem Leuchten des Regenbogens findet sich nicht das Paradies, nicht der Goldschatz, nicht die Antwort auf alle Fragen. Unter dem Leuchten des Regenbogens findet unser ganzes Leben statt. Gescheitertes und Gelungenes, Fragwürdiges und Überzeugtes, Engstirniges und Weitherziges. Unter dem Leuchten des Regenbogens arbeiten wir am Miteinander von Gottes Geschöpfen und am Erhalt von Gottes Schöpfung. Die Grundlage hat Gott geschaffen. Und uns mit den Gaben zur Gestaltung ausgestattet. Das glauben wir und das leben wir. In den besonderen Zeiten wie im Alltag. In jedem Gottesdienst. Amen.

Liedvorschläge:

EG 320 Nun lasst uns Gott, dem Herren

freiTöne 191 Vorbei sind die Tränen, freiTöne 198 Bwana awabariki