Himmlisch – Predigt zu Epheser 1,3-14 von Luise Stribrny de Estrada
1,3-14

Himmlisch – Predigt zu Epheser 1,3-14 von Luise Stribrny de Estrada

Die Gnade unseres Herrn und Bruders Jesus Christus und die Liebe Gottes  und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und liebe Brüder!

„Himmlische Torte“ preist die Konditorei auf einem Schild an. Himmlisch sieht sie aus: ein Traum aus weiß und rosa, mit Sahne in mehreren Schichten, und obendrauf Himbeeren. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Ein Stück Himmel, das ich mir gerne auf der Zunge  zergehen lassen möchte.

„Ich tanze mit dir in den Himmel hinein, in den siebenten Himmel der Liebe“ singt ein alter Schlager. Liebe wie im Himmel, im Himmel durch die Liebe – das klingt verlockend. So verliebt zu tanzen, stelle ich mir wunderbar vor. Und ich glaube, dass es ein Gefühl wie im Himmel sein kann. Wer weiß, ich würde mich nicht wundern, wenn sogar die Engel im Himmel tanzen.

Wie ist der Himmel? Wie eine Sahnetorte mit Himbeeren, wie ein Tanz zweier Verliebter? Oder noch etwas ganz anderes?

Wie im Himmel fühlt sich der Hymnus aus dem Epheserbrief an, um den heute meine Predigt kreist. Hören wir auf die Melodie seiner Worte:

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe; er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um die Fülle der Zeiten heraufzuführen, auf dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist, durch ihn. In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt, nach dem Ratschluss seines Willens, damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit leben, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Rettung – in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit. (Epheser 1,3-14)

Eine Unmenge von Worten ergießt sich. Sie umspülen uns wie ein warmer Strom, ein Strom aus guten Worten. Es geht um Gott, um Christus und den Heiligen Geist, es wird von Fülle und Segen gesprochen, die über uns kommen. Einzelne Worte kann ich fassen: Erbe, Unterpfand, versiegelt, vorherbestimmt, Blut, Erlösung, erwählt. Sie schwimmen wie in einem Strom an mir vorbei, aber ich kann sie nicht greifen. Es bleibt ein Gefühl von Zuspruch und Bestätigung. Aber ich verstehe nicht wirklich den Zusammenhang, nicht beim ersten und auch nicht beim zweiten Lesen.

Die Worte kommen mir vor wie ein vom Wasser glatt geschliffener Stein. Immer wieder sind sie um- und umgewendet worden, bis alles, was herausstand und spitz war, abgeschliffen worden ist. Jetzt liegt der Stein kühl und glatt in meiner Hand, er ist rund und perfekt. Ich kann nirgends etwas herauslösen, nirgends ansetzen, alles gehört zusammen. – So geht es mir mit den Worten dieses Hymnus am Anfang des Briefes an die Epheser. Es ist zu spüren, dass er oft in der Liturgie, im Gottesdienst verwendet worden ist. Mit der Zeit ist er durch den vielfältigen Gebrauch rund und glatt geworden. Wir spüren das, wir spüren auch seinen Rhythmus und seine Melodie, aber wir begreifen nicht genau, was er uns sagen will.

Es geht um Gott in seiner Dreiheit, so viel wird deutlich. Gott der Vater hat uns von Anfang an  erwählt. Durch Jesus Christus hat er uns gesegnet, in Christus sind wir erlöst, und unsere Sünden sind uns vergeben. Mit dem Heiligen Geist sind wir versiegelt worden, durch ihn wissen wir, dass wir erlöst sind. All das geschieht für uns, damit Gottes Herrlichkeit gelobt wird. Gott zu loben ist ein gutes Anliegen für den Sonntag Trinitatis, den wir heute feiern, den Sonntag der Dreieinigkeit Gottes.

Dass Gott drei in einem ist, ist für uns nichts Neues, das überrascht uns nicht. Wir bekennen das regelmäßig im Glaubensbekenntnis. Aber Gottes Dreieinigkeit bleibt häufig blutleer, weil es schwer ist, sie mit Leben zu füllen. Ich verstehe dieses „Drei in einem“ als eine Bewegung, die innerhalb von Gott geschieht 1. Gott ist nicht etwas für alle Zeit Festgefügtes, sondern verändert sich durch den Austausch. Er ist mit sich selbst und auch mit uns Menschen im Gespräch. Gott hat keine Angst davor, dass etwas oder jemand anders ist als er, sondern es macht ihn neugierig, es regt ihn an. So ist Gott eine Kraft, die zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist wirkt. Gott ist dynamisch und lässt sich nicht festlegen. Dabei steht einer für den anderen ein. Gott ist sich nicht selbst genug, sondern braucht die Gemeinschaft mit den anderen und den Austausch. Durch die Gemeinschaft innerhalb von Gott wächst der Wunsch nach Gemeinschaft mit den Menschen. Gott kann nicht bei sich bleiben, sondern sucht uns. So hält er es im Himmel nicht aus und kommt auf die Erde.

Wie ist der Himmel?, hatte ich am Anfang meiner Predigt gefragt. Der Himmel, oder genauer gesagt, Gott, der im Himmel ist, braucht die Erde und die Menschen, die auf ihr leben. Er ist sich nicht selbst genug. So schön es dort im Himmel auch sein mag, reicht es ihm nicht aus. Er sucht die Verbindung zur Erde und kommt in Jesus Christus zu uns.

Umgekehrt sehnen wir uns oft nach dem Himmel – und manchmal gelingt es uns, den Himmel auf die Erde zu holen. Davon erzählt ein Film, den der schwedische Regisseur Kay Pollak gedreht hat: „Wie im Himmel“ stellt den Dirigenten Daniel Dareus in den Mittelpunkt, den es nach dem gesundheitlich bedingten Ende seiner Karriere in ein Dorf in Nordschweden verschlägt. Eigentlich will er nur seine Ruhe haben, wird dann aber doch fast gegen seinen Willen Kantor und Leiter des Kirchenchores. Schon als Junge hatte er davon geträumt, Musik zu machen, die die Herzen der Menschen öffnet – das gelingt ihm jetzt bei seiner Arbeit mit dem Chor. Er geht auf jeden Sänger und jede Sängerin individuell ein, ermuntert sie dazu, ihren je eigenen Ton zu finden und lässt ihn sich entfalten. Das setzt ungeahnte Energien frei, die Sängerinnen und Sänger gewinnen ein neues Selbstwertgefühl, das ihr ganzes Leben verändert und ihnen hilft, sich aus Zwängen zu befreien.

Dann entschließt sich der Chor, an einem internationalen Chorwettbewerb in Österreich teilzunehmen. Die Reise wird zu einer intensiven Gemeinschaftserfahrung, bei der Daniel erlebt, wie sehr sein Chor ihn liebt und er den Chor. Raum hat nun endlich auch seine private Liebesbeziehung zu Lena, einem Mitglied des Chors. Die intensiven Glückserfahrungen dieser Tage führen bei Daniel zu einem erneuten Herzinfarkt, aber er hört noch, wie sein Chor auch ohne Dirigent die richtigen Töne findet und alle anderen Sänger des Wettbewerbs zm Mitsingen animiert. Die Musik wird zu einem Erlebnis, das alle verbindet. So gelingt das, wovon Daniel immer geträumt hatte: mit der Musik die Herzen der Menschen zu öffnen.

Eine moderne Annäherung an das, was der Brief an die Epheser beschreibt. Den Himmel erfahren durch die Verbindung zu Gott und die Gemeinschaft untereinander. Zu wissen: Wir sind Gott wichtig, er kennt jeden von uns, wir gehören zu ihm. Wir sind berufen zum Lob seiner Herrlichkeit.

Welche Geschichten können Sie davon erzählen? Ich freue mich, wenn wir darüber ins Gespräch kommen.

Amen.

 

 

1 I Die Überlegungen in diesem Abschnitt sind inspiriert von Kurt Marti, Die gesellige Gottheit. Ein Diskurs. Stuttgart 1989, zitiert in: Predigtstudien 2017/2018, Perikopenreihe IV, Zweiter Halbband, S. 33f