Hin-Weise zum Nachgehen - Predigt zu Matthäus 2,1-12 von Thomas Ammermann
2,1-12

Hin-Weise zum Nachgehen - Predigt zu Matthäus 2,1-12 von Thomas Ammermann

HIN-WEISE ZUM NACHGEHEN

Hören Sie zum heutigen Epiphanias-Tag erst einmal die Legende von den drei Weisen aus dem Morgenland...

1) Als Jesus in Bethlehem in Judäa geboren war, zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und fragten: 2) Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten. 3) Als das König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, 4) und er ließ alle Hohepriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und fragte sie aus, wo der Christus geboren werden sollte. 5) Und sie antworteten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht´s durch den Propheten geschrieben (Micha 5, 1): 6) “Und du, Bethlehem im jüdischen Land, bist keineswegs die kleinste unter den Fürstenstädten in Juda; denn aus dir wird der Fürst kommen, der mein Volk Israel weiden soll.” 7) Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundigte sich genau bei ihnen, wann der Stern erschienen wäre, 8) und schickte sie nach Bethlehem und sagte: Geht dort hin und erkundigt euch genau nach dem Kind; und wenn ihr´s findet, so sagt mir´s wieder, dass auch ich hingehen und es anbeten kann. 9) Als sie nun den König gehört hatten, machten sie sich auf. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, zog vor ihnen her, bis er über der Stelle stand, wo das Kind war. 10) Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut, 11) gingen in das Haus und fanden das Kind mit Maria, seiner Mutter, fielen nieder und beteten es an, öffneten ihre Schätze und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. 12) Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem anderen Weg wieder in ihr Land.

Liebe Gemeinde! Eine schöne Geschichte ist das. Eine Parabel um Weisheit und Dummheit, um das richtige Fragen nach Gott und viele falsche Sorgen um die Macht. Als erstes fällt mir zu diesem Thema ein kleiner Vierzeiler ein:

Es gibt nicht allzu viele Weisen,
sich als ein Weiser zu erweisen.
Hingegen gibt´s im Weltgedränge
vielfält´ger Einfalt eine Menge!

Weisesein bedeutet ja nicht unbedingt: Viel zu wissen und auf alles eine Antwort zu haben. Vielmehr kennzeichnet einen Weisen seine Bereitschaft, sich von dem, was er erfährt, zu richtigem Fragen bewegen zu lassen - besser: Die eigenen Fragen an die richtige, nämlich an höhere Stelle zu richten - und sich nach dem, was er von da zu hören bekommt, dann auch selber zu richten, sich verändern, erneuern, gegebenenfalls zum Gehorsam bringen zu lassen. In diesem Sinne mag es zwar viele verschiedene kluge Leute geben, aber es ist immer wieder nur dieselbe eine Weise, in der sie weise werden: Indem sie nämlich ihre Fragen an Gott richten, indem sie nach Gott selber fragen.

Solches taten auch die berühmten “Weisen aus dem Morgenland”. - Das werden auch ziemlich verschiedene Leute gewesen sein. (Zu Recht werden sie - in frommen Geschichten und Krippenspielen - meist als etwas exotische Individualisten dargestellt.) Matthäus meinte mit diesen Gestalten eigentlich so etwas wie Seher, Zauberer und Sterndeuter. Die drei “Weisen aus dem Morgenland”, das waren schlicht drei Astrologen ihrer Zeit.

Nun liegt uns Christen zumeist nicht soviel an der Astrologie. Sie weckt unser berechtigtes Misstrauen. Und doch ist es schon angemessen, bei diesen Dreien von Weisen zu sprechen. Nicht weil sie selbst etwa so eine bewundernswerte Fähigkeit gehabt hätten, die Sterne zu betrachten und die Zukunft (richtig) daraus zu deuten, sondern weil sie in ihrer Eigenschaft als Sterngucker buchstäblich “über sich selbst hinaus” zu blicken trachteten.

Nur so konnten sie nämlich erkennen, dass die Stunde des Gottessohnes gekommen war. „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten“ - so äußerten sie sich gegenüber Herodes.

Drei kluge Köpfe also, die es beizeiten verstanden hatten, von sich selbst ab- und über sich (will heißen über den eigenen Tellerrand) hinauszusehen, hatten begriffen, dass “der Stern des wahren Herrschers ” aufgegangen war, dass seine Zeit begonnen hat. Und sie sind aufgebrochen, um ihm ihre Referenz zu erweisen. Nicht also, weil sie irgendwelche “höheren Fähigkeiten” besessen hätten, sondern weil sie es verstanden hatten, über sich selbst und ihre eigenen, wirklichen oder vermeintlichen, menschlichen Qualitäten hinweg zu sehen und nach Höherem Ausschau zu halten, nach Gott selbst zu suchen, um IHN dann auch in der Niedrigkeit des Kindes auf-zusuchen und anzubeten, deshalb verdienen sie es, im christlichen Sinne “weise” genannt zu werden.

Und nun wird uns auch klar, was aus christlicher Sicht das Gegenteil der Weisheit, was Dummheit ist: Nämlich die Nichtbereitschaft dazu, auch nur die kleinste Veränderung des Vertrauten und Gewohnten zuzulassen. Dummheit ist ein Begriff für die Unfähigkeit von Menschen, hinauszublicken über sich selbst, über ihren begrenzten Horizont des Vertrauten, in welchem sie sich auskennen, wo sie selbst die Lage beherrschen.

„Als das König Herodes (der Be-Herrscher des Landes) hörte”, heißt es, “erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ alle Hohepriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und fragte sie aus, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie antworteten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht´s durch den Propheten geschrieben (Micha 5, 1): Und du, Bethlehem im jüdischen Land, bist keineswegs die kleinste unter den Fürstenstädten in Juda; denn aus dir wird der Fürst kommen, der mein Volk Israel weiden soll.”

Die Hohepriester und Schriftgelehrten, das waren ohne Zweifel gebildete Leute. Sie hatten die Quellen studiert, jene alten Weissagungen über die Herkunft des Christus, den Fürsten des kommenden Gottesreiches. Damit wussten sie weit mehr, als die “Weisen” aus der orientalischen Ferne. Diese hatten sich ja in ihrer diesbezüglichen Unbildung dadurch „geoutet“, dass sie in Jerusalem erst nach dem richtigen Weg fragen mussten. Und doch blieben Herodes und seine Gelehrten „die Dummen“. Denn ihnen war es trotz aller klugen Traditionspflege nicht möglich gewesen, ihrerseits die Zeichen der neuen Zeit zu erkennen und danach zu handeln. Denn sie fürchteten sich davor. Der ganze mächtige und fromme Hofstaat wollte im Grunde nichts mit Gott und seiner verändernden Macht zu tun bekommen. „...Als das König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem...“

Der große Mann hatte Angst bekommen vor dem, der hier von fremden Sterndeutern als “neuer König der Juden” genannt worden war. Er fürchtete schlicht um seine gewohnte Macht als Herrscher über Judäa und andere Gebiete des alten Israel, um seine Autorität als einer beherrschenden Instanz im Nahen Osten. Von der konnte und mochte er  nicht absehen. Alles was Herodes sah, waren seine eigenen Interessen, seine Machtinteressen. Die sah er gefährdet. Das Wort “neuer König” konnte er nur als Bedrohung seiner bestehenden Würde verstehen.

Ganz gleich, ob er ein gebildeter Mann war oder nicht und auch unerachtet der Frage, ob Herodes durch die Person Jesu Christi und ihre Bedeutung für Gottes Herrschaft auf der Welt wirklich um seine weltliche Herrschermacht hätte fürchten müssen, eines wird an seinem Verhalten deutlich: Er vermochte nicht, von sich selbst und den “nationalen Interessen” – anderes Wort für seine eigenen Machtinteressen - abzusehen und über sich hinaus zu blicken. Über sich duldeten der König und seine geistlichen Berater nämlich keinen Menschen - auch und schon gar nicht Gott als Mensch. Nichts durfte sich für sie ändern, nichts durfte geschehen, was sie hätte veranlassen können, sich selbst zu ändern...! - Das ist das Gegenteil von Weisheit.

Und das ist es auch, was bis heute die Mächtigen mit den Dummen dieser Welt gemein haben: Sie fürchten jede wirkliche Veränderung – vor allem eine, die sie selbst betrifft...

Entsprechend musste das ängstliche Interesse des Königs Herodes darin bestehen, alles zu verhindern, was hier nur nach Veränderung roch.

...Und nur bloß nicht über die Rechte jener nachdenken, die diese Veränderung brauchen, die sich sehnen nach dem echten „Frühling in der Region“...!

Der Angst entspringen Ignoranz, Egoismus, Bosheit und Brutalität!

Sie alle wissen, wie die Geschichte weiterging: Herodes verstieg sich bis zum grauenvollen Mord aller männlichen Neugeborenen in Bethlehem. Das Macht-volle Gesetz blinder Selbstsucht: Furcht verlangt Fürchterliches - heute noch nicht anders, nicht selten sogar schlimmer, als damals.

Zum “Seher” im Sinne der Weisen kann indes nur einer werden, der frei wird von Angst um das eigene Wohl und Wehe - auch in geistlicher Hinsicht -, der über sich hinausblickt, der sich ohne Furcht umschaut in der Welt und nach anderem sucht, nach dem Niedrigen vor allem, in welchem Gott sich finden lässt.

Genau dazu will uns dieser Text ermutigen: Wie die Weisen aus dem Morgenland zu werden, die ihre angestammte Heimat verließen, weil sie nach Gott fragten und die sich jenseits aller vertrauten Geleise führen ließen, mitten hinein in die Niedrigkeit jenes Kindes in der Krippe um dort IHN anzubeten…

Liebe Gemeinde! Solch teuflische Dummheit, wie wir sie in Gestalt jenes buchstäblich „Furcht“-bar erschrockenen Herodes kennen gelernt hatten, verhinderte nicht, dass dieser sich auf eine eigene Art auch listig verhalten konnte. „...Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundigte sich genau bei ihnen, wann der Stern erschienen wäre,“ erzählt Matthäus „und schickte sie nach Bethlehem und sagte: Geht dort hin und erkundigt euch genau nach dem Kind; und wenn ihr´s findet, so sagt mir´s wieder, dass auch ich hingehen und es anbeten kann.“ - Das kennen wir alle nur zu gut: Dass man uns freundlich kommt, charmant und sogar schmeichlerisch, Interesse heuchelt... “wie schön, dass Sie sich so einsetzen für das Gute und notwendige Reformen…” – Doch insgeheim überlegt man, wie man das verhindern, die Entwicklungen bremsen kann, aus Angst um die eigene Machtposition und ihre Privilegien…

Gott aber lässt sich nicht überlisten:

„Gott befahl ihnen (den Weisen) im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem anderen Weg wieder in ihr Land.“

Und die Moral aus der Geschichte: Wer nur nach Gott fragt, um Beruhigung seiner Seele zu erlangen, ansonsten aber alles beim Alten lassen will, der hat keine Chance, zum Ziel seiner Bemühungen zu gelangen, denn er sucht ja in Wirklichkeit nicht Gott, sondern seine eigene Gott-lose Ruhe. Und so etwas kann es nicht geben!

Man kann sich - wie Herodes von seinen Beratern - einiges über Gott sagen lassen, aber wenn man nicht bereit ist, sich von ihm selbst reinreden zu lassen, macht einen das nicht klüger. Und auch nicht ruhiger. (Die Erfolglosigkeit des Kindermordes sagt einiges aus über die grauenvolle Sinnlosigkeit auch der machtvollsten Bemühungen, den eigenen Frieden zu finden ohne nach den Menschen zu fragen, um die es Gott geht. Und auch darüber, in welchem Fiasko es enden muss, wenn die Mächtigen den Frieden zu schaffen oder zu erhalten trachten ohne danach zu fragen, was Gott darunter versteht…)

Das ist es, was Matthäus uns hier sagen will. Nein, was Matthäus uns hier sagen will, ist etwas anderes, besser, die andere Seite jener Warnung an die Mächtigen und Selbstgefälligen: Seid getrost, ihr, die ihr im Ernst nach Gott und den Menschen fragt und nur vielleicht noch nicht recht wisst, wo ihr suchen sollt. Denn Gott wird sich von euch finden lassen – wie damals, so auch heute bei den Menschen, die eure Zuwendung brauchen.

Habt dabei keine Angst, auch einmal die vertrauten Bahnen zu verlassen, schaut euch nur ganz frei in der Welt um. Ihr werdet euch nicht in ihr verlieren, auch wenn ihr nur wenig Ahnung davon habt, was hier eigentlich gespielt wird, denn Gott führt euch längst auf seinem Weg, auch wenn ihr noch nichts davon wisst.

In jedem Falle aber seid ihr schon einmal gut beraten, wenn ihr eurerseits nach den Verlorenen schaut, nach denen, die unter uns fremd oder fremd geworden sind, heimatlos in unserer doch in mancher Beziehung befremdlichen Gesellschaft: Nach den Flüchtlingen aus fernen Ländern natürlich, die bei uns Zuflucht suchen, aber auch nach Menschen, die unter uns in anderer Weise von einem Schicksal verfolgt sind, dem sie nicht entfliehen können, gefesselt in Krankenbetten, einsamen Erinnerungen oder persönlicher Schuld. Nach denen, die nicht genug Geld haben, um ihren Kindern zu ermöglichen, was für uns lange selbstverständlich ist... Nach allen, die keine Lobby haben – im Stadtrat, auf den Ämtern, im Kulturbetrieb oder auch in der Kirchengemeinde!

Habt keine Furcht, dass ihre Bedürftigkeit oder gar Hilflosigkeit euch überfordern könnte, sondern fragt ihre Fragen, leidet ihre Ängste und hört ihnen zu. Reden ist Silber, Hören ist Gold. Allem voran aber - wenn ihr könnt - versucht, ihnen ernsthafte Beachtung zu schenken. Das wirkt unter den Menschen wie Weihrauch und Myrrhe.

Die Weisen aus dem Morgenland, „als sie nun den König gehört hatten, machten sich auf. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, zog vor ihnen her, bis er über der Stelle stand, wo das Kind war.

Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut, gingen in das Haus und fanden...!“

Erinnern wir uns: Weisesein bedeutet nicht unbedingt viel zu wissen und auf alles eine Antwort zu haben – etwa auf die vielen Fragen in Bezug auf die sozialen Probleme unserer Zeit. Schon gar nicht auf Fragen des Glaubens und in Sachen “Sinn des Lebens”. Aber den wahren Weisen kennzeichnet seine Bereitschaft, sich von dem, was er erfährt, zu richtigem Fragen bewegen zu lassen. Besser: Die eigenen Fragen an die richtige, höhere, Stelle zu richten, im Wortsinn “über sich selbst hinaus zu blicken” und “zu hören” - und sich nach dem, was er von da zu hören bekommt, dann auch selber zu richten, sich verändern, erneuern, gegebenenfalls zu wirklichem Ge-hör-sam zurechtbringen zu lassen.

Nicht nur für, sondern mit den Schwachen, den Bedürftigen und den Erniedrigten zusammen sollen wir nach Trost suchen. Auch und gerade, wenn wir selbst nicht recht wissen, wie wir weiterkommen können. Denn der Gott, der sich entäußerte, der selbst über sich hinaus-, der über sein eigenes Gottsein hinwegsah, um in aller Niedrigkeit ein Mensch zu werden, dieser Gott steht auf vertrautem Fuße mit allen, denen ihr Leben in der Welt der Mächtigen und Erfolgreichen fremd geworden ist und die sich nach jener Veränderung sehnen, die im Herzen beginnt.

Und ganz sicher lässt er sich auch heute nicht anders als in aller Niedrigkeit, bei den Machtlosen sowie den Niedrigen und Entwurzelten und mit ihnen zusammen, finden. Dadurch wird alles anders, glauben sie mir.

Und wie einst die Weisen, werden auch wir “den Stern sehen” und “hoch erfreut werden”.  „Gott befahl ihnen (den Sterndeutern) im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren”. Da „zogen (sie) auf einem anderen Weg wieder in ihr Land.“

Ja, die klugen Traum-Seher dachten nicht im Traum daran, an den Hof des Herodes zurückzukehren und den selbstherrlichen Macht-Träumen rücksichtslos von sich besessener Menschen zu dienen. Sie zogen einfach auf einem anderen Weg heim. Man kann auch sagen: Sie haben einen neuen Weg für ihr Leben gefunden. Den einzigen Weg. Den mit Gott!

Sie waren eben wirklich weise. Und wir wissen ja, was das heißt:

Es gibt nicht allzu viele Weisen,
sich als ein Weiser zu erweisen.
Doch klug ist es, in allen Stücken

nach Gottes Stern sich tief zu bücken!

In diesem Sinne gehen nun auch Sie Ihren weiteren, vielleicht sogar einen neuen Weg „zurück in Ihr Land“ mit Gott!

AMEN

 

Perikope
Datum 06.01.2015
Bibelbuch: Matthäus
Kapitel / Verse: 2,1-12
Wochenlied: 70 71
Wochenspruch: 1 Joh 2,8b