Inszenierte Paradoxie – Predigt zu 1. Korinther 1,18-25 von Christoph Maier
1,18-25

Inszenierte Paradoxie – Predigt zu 1. Korinther 1,18-25 von Christoph Maier

Liebe Gemeinde,
ein ganz und gar außergewöhnliches Wort. Ein Bibelwort wie ein Tornado. Paulus saugt die Worte auf, wirbelt sie herum, dass einem schwindlig wird. Dann spuckt er sie wieder aus, und sie setzt sich neu zusammen:
Weisheit der Weisen, Torheit Gottes, Skandal ist Gotteskraft, Schwachheit ist Stärke, Ärgernis ist Weisheit Gottes. „Die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind und die Ohnmacht Gottes stellt alle menschliche Stärke in den Schatten!“ (V. 25, Menge-Bibel)
Die Gelehrsamkeit der Gelehrten – zugrunde gerichtet.
Der Verstand der Verständigen – zunichte gemacht
.“ (Jes 29,14, eigene Übersetzung und Verknappung aus dem Griechischen)

Was ist das für ein Wort, das uns heute Morgen beschäftigt. Es ist: „das Wort vom Kreuz“ (V. 18).
Das Wort vom Kreuz verkündigt den Messias als gekreuzigten.
Sprengstoff der Extremismus zerfetzt. Ey, was bist du? Gott? – Du Opfer!
Messias – der große Endzeitherrscher und König, hingerichtet von Römern.
Weisheit der Welt: Gott ist Tot. Das Ende der Religion.

Das Wort vom Kreuz aber lebt.
Das Wort vom Kreuz hält meine Welt offen für die hereinbrechende Gotteskraft.

Am Anfang war das Wort. Das Wort vom Kreuz.
... und das Wort war bei Gott und Gott selbst war das Wort (Joh 1,1)– und wir haben seine Herrlichkeit gesehen als des hingerichteten Verlierers voller Ohnmacht in grausamer Unbarmherzigkeit.

Das Wort vom Kreuz – ist uns das noch annähernd ein Ärgernis, ein Skandalon oder zumindest eine unsinnige Botschaft? Haben wir uns nicht längst daran gewöhnt an den Gekreuzigten. Über jedem Altartisch thront er, mal mit mal ohne Heiligenschein, der herrliche Gekreuzigte. Der Un-Sinn wurde zum Glaubensmaßstab überhöht, der Verachtete zum Märtyrerhelden gekrönt. Der Skandal in Erlösungslehre verwandelt – Bücherregale füllend! „Wozu Jesus am Kreuz gestorben ist“ – den Un-Sinn mit Sinn überfrachtete und überdeckt. Doch das Wort vom Kreuz ist Dynamit – ist Gotteskraft. Das Wort vom Kreuz ist Sprengstoff, der Extremismus zerfetzt. Damals wie heute. Ein gekreuzigter Messias - unvorstellbar.

Doch Paulus hält daran fest: keine Gotteskraft ohne Skandalon! Das heißt aber auch: keine Weisheit Gottes ohne nachempfundenen Unsinn!

Paulus inszeniert den Widerspruch in sich, den stummen Schrei, die schwarze Sonne, die ehemalige Zukunft, das offene Geheimnis, den gekreuzigten Messias.
Ein Paradox. Wie lässt sich ein Paradox verkündigen?
Aufgelöst in Weltenweisheit mit vielen Erklärungen, die klug genug erscheinen, um den Widerspruch vergessen zu machen. Aufgelöst als Unsinn, der Spannung beraubt weil für nicht relevant erklärt.

„Wir aber predigen den gekreuzigten Christus als Gotteskraft und Gottes Weisheit.“

Das Wort vom Kreuz – paradoxe Dynamis – Gotteskraft.
Das Wort vom Kreuz. Verdichteter kein-Sinn explodiert zu neuem Leben.

Simon Petrus war ein erfahrener Fischer. Von der Sinnlosigkeit dieser Aktion musste man ihn nicht überzeugen: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen“ – und jedes Kind weiß, das wird bei Tag nicht besser. „Aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.“ Und dann? Verdichteter kein-Sinn explodiert zu neuem Leben. Die „Netze begannen zu reißen und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken.“

Das war so ein Wort – so ein Wagniswort. So ein Wort vom Kreuz. Das Wort vom Kreuz hält meine Welt offen für die hereinbrechende Gotteskraft.

Der Evangelist Johannes erzählt diese Geschichte des Wagniswortes nicht zu Beginn des Evangeliums, wo Lukas die Geschichte platziert. Bei Johannes ist es eine späte Jüngerberufung des Petrus. Ganz zu Ende, als nicht nur die Hoffnung auf den Fang einer Nacht enttäuscht war, sondern als die Hoffnung auf den Messias den Retter und Erlöser enttäuscht war, da spielt unser Evangeliumstext nach Johannes. Petrus begegnet dem Auferstandenen. Paradoxe Dynamis – Gotteskraft.

Sie waren wirklich überzeugt davon, dass es keinen Sinn mehr macht. Zu oft wurde die Liebe enttäuscht. Immer wieder standen Sie sich mit den gleichen blöden Eigenschaften gegenseitig im Weg. Nach aller Weltenweisheit wäre eine Trennung, der einzig logische Schritt gewesen. „Wir sind am Ende – es hat keinen Sinn mehr.“
Wer sagt den beiden, dass Verdichteter kein-Sinn zu neuem Leben explodieren kann? Wer schafft Vertrauen für das Wagniswort? Wer glaubt an Auferstehung?
Das Wort vom Kreuz hält meine Welt offen für die hereinbrechende Gotteskraft.
Und Jesus sagt: Werft eure Netze noch einmal aus – versucht einander noch einmal zu gewinnen.

Es macht keinen Sinn mehr etwas zu sagen. Die Zeit der großen Bilder ist vorbei. Die elenden Zustände des wilden Flüchtlingscamps in Idomeni geräumt und bereinigt. Der Empörungssturm über das Gerede vom Schießbefehl für deutsche Grenzer hat sich längst gelegt. Währenddessen wird an der syrisch-türkischen Grenze tatsächlich auf Flüchtlinge geschossen. Hat es da noch Sinn auf eine gerechtere Welt zu hoffen, gar auf Frieden?
Selbst wenn all unsere Werte gekreuzigt würden und der Realpolitik geopfert würden, die Botschaft vom gekreuzigten Messias schreit genau dort lauter denn je: Werft die Netze noch einmal aus. Gebt die Hoffnung nicht auf. Euer Einsatz wird Frucht tragen.
Das Wort vom Kreuz hält meine Welt offen für die hereinbrechende Gotteskraft, die alles verändern kann.

Jemand muss die Stimme erheben und das Wort sagen.

Amen