Komm herüber und hilf uns! - Predigt zu Apostelgeschichte 16,9-15 von Michael Nitzke
16,9-15

9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! 10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.

11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. 13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.

14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr d.as Herz auf, sodass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde. 15 Als. sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.

 

Liebe Gemeinde,

Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht. Das steht da so einfach in der Apostelgeschichte. Diese Geschichte, ist der zweite Buch was ein Autor geschrieben hat, den wir Lukas nennen. Das erste Buch, dass er geschrieben hat, ist uns gut bekannt. Es erzählt die Weihnachtsgeschichte und all das was Jesus getan hat, bis zur Himmelfahrt. In der Apostelgeschichte, erzählt Lukas, wie es weitergegangen ist. Was haben, die Jünger Jesus aus ihren Erlebnissen gemacht, wie haben sie die Lehre Jesu umgesetzt?

Lukas wagt das, was kein anderer Evangelist gewagt hat, und was selbst heute nicht immer funktioniert. Er lässt seinem Erfolgswerk einen zweiten Teil folgen.

Jesus, die Hauptrolle, erscheint in diesem Werk zwar nicht mehr als Person, aber er ist unsichtbar, unterschwellig immer mit dabei, denn um ihn und um seine Mission geht es hier. Und unsichtbar greift er auch in das Geschehen ein. Kurz vor dem Abschnitt, den ich verlesen habe, steht, dass der Geist Jesu den Paulus und seine Leute daran hinderte, durch die Landschaft Bithynien zu reisen. Das war noch mal ein Versuch in Asien das Wort Gottes zu predigen. Aber daran hatte sie schon der Heilige Geist gehindert. Was man damals Asien nannte, ist nicht etwa heutige der Ferne Osten. An China oder Japan, hätte man damals noch nicht einmal im Traum gedacht, gemeint war Klein-Asien das Gebiet, wo heute die Zentraltürkei ist. Die geballte Kraft Gottes stellte sich also einer Mission in Anatolien entgegen, so zog man nach Troas, da wo mal das Trojanische Pferd von sich reden machte. Das liegt Richtung Westen am Meer, mit Blick auf die Ägäischen Inseln.

Und wieder kommt eine übernatürliche Macht, dies mal nicht der Heilige Geist oder der Geist Jesu, diesmal erscheint ein Mann in der Nacht. Und er steht da und bittet höflich aber deutlich: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!

Jetzt werden, die biblischen Landschaftsbezeichnungen für uns schon etwas bekannter. Mazedonien oder Makedonien, kennen wir aus den Nachrichten, und als "Frühere Jugoslawische Republik" aus diversen Sportveranstaltungen. So weit ist Paulus aber nicht gekommen. "Sein" Mazedonien ist das Gebiet zwischen der heutigen Türkischen Grenze zu Griechenland und der Stadt Thessaloniki, genauer gesagt West-Thrakien. Umstritten waren diese Gebiete zu allen Zeiten, und die Herrschafts- und Besiedlungsverhältnisse, waren immer schwer zu entwirren, und ziemlich durcheinander. Vielleicht nennen deshalb die Italiener ihren Obstsalat "macedonia": ein Tutti Frutti der Völker also, das fing schon mit Alexander dem Großen an, der aus diesem Landstrich kam. Gut dreihundert Jahre vor Christi Geburt rechnete zu seinem Makedonien, allerhand Völker, die er so unterwegs eroberte.

Nun denken manche, das ist keine Predigt, sondern eine Geographiestunde. Ja, verzeihen Sie, aber heute ist das vielleicht mal nötig. Denn dieser Abschnitt, der Bibel wird oft, mit einer geographischen Bezeichnung überschrieben.

So überschriebt nämlich die Gute-Nachricht-Bibel diesen Abschnitt mit den Worten: "Der Ruf nach Europa". Und die gute Purpurhändlerin Lydia, die hier genannt wird, ist dann die erste Christin in Europa.

In heutigen Zeiten fühlen wir uns ja sofort zu Hause, wenn von Europa die Rede ist. Mit der Bekehrung der Lydia, klopft also das Christentum an unsere Haustür. Lydia wird dann zur Mutter aller Christen im Abendland. Neugegründete Gemeinden werden gerne nach ihr genannt, und damit wird Lydia auch zu einem Symbol für eine moderne Kirche, die heute in der Mehrheit vielfach von Frauen getragen wird.

Lydia, die erste Christin in Europa! Allerdings wird das Wort Europa in der ganzen Bibel gar nicht erwähnt, obwohl der Begriff in der Zeit schon bekannt war. Damals war jedoch das Römische Reich die maßgebende Einheit, und die umfasste das ganze Mittelmeer, das "Mare nostrum", unser Meer. So ist es für Paulus auch viel erwähnenswerter, dass die Stadt Philippi, wo er Lydia traf, eine römische Kolonie war. Ihm kam es nicht darauf an, den christlichen Glauben vom Morgenland ins Abendland zu bringen, oder von Vorderasien nach Europa, allenfalls legte er Wert darauf, das Römische Reich, als dessen Bürger er sich auch verstand, mit dem Glauben an Jesus Christus vertraut zu machen. Darauf musste die Kirche aber noch dreihundert Jahre warten, und Paulus hat darüber sein Leben in Rom verloren.

Lassen wir es an dieser Stelle genug sein mit der historischen Einordnung. Versuchen wir lieber etwas für uns heute aus dem Text zu erkennen, als in historischen Erinnerungen der Christianisierung Europas zu schwelgen, die heute ja immer mehr im schwinden ist.

Eins doch noch, und vielleicht ist das ja auch schon der Übergang. Haben sie genau zugehört, wie ich Lydia genannt habe? "Lydia, die erste Christin in Europa." Nicht etwa, die erste europäische Christin. Lydia stammt aus Lydien, aus der Stadt Thyatira, die man aus der Offenbarung des Johannes vielleicht kennt. Heute findet man diese Ausgrabungen etwa 90 Kilometer nordöstlich von Izmir. Damals mitten in der Provinz Asien, also da, wo Paulus auf dieser Reise nicht den Leuten den Glauben nicht nahe bringen konnte.

Wir lernen dadurch zweierlei. Erstens: So wirklich europäisch war unsere Lydia also gar nicht. Die erste Christin in Europa war eine Migrantin. In ihrer Heimat, die berühmt für Textilien und Purpur war, hat sie gelernt ihren Lebensunterhalt mit den Gütern der Region zu verdienen. Zweitens lernen wir noch was, und damit verlassen wir jetzt wirklich den geographischen Teil: Wenn die eine Möglich, den Glauben zu verbreiten, nicht klappt, dann schenkt Gott uns eine andere Möglichkeit. In Asien konnte Paulus nicht landen, in Europa traf er aber auf die Menschen, die er zuvor nicht erreichen konnte.

9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!

Manchmal sollten wir auch in der Nacht die Augen und Ohren offen halten. Oder auch anders gesagt, in manchen Träumen, wird uns auch eine Realität vor das innere Auge gehalten, die wir so noch nicht wahrgenommen haben. Kürzen wir die geographischen Angeben weg, dann hört Paulus die Stimme: Komm herüber und hilf uns!

Und genau das, möchten wir auch heute in unserer Kirche ausrufen. Komm herüber und hilf uns!

Diesen Satz könnten wir ausrufen, mit lauter Stimme. Da stehen wir nun in unserem wohlhabenden Europa, uns geht's in großen Teilen gut. Und wenn wir uns mit denen vergleichen, die an den Grenzen an unsere Türen klopfen, dann geht es uns prächtig. Aber als Kirche, scheint es, dass wir langsam mit dem Rücken zur Wand stehen. Die fetten Jahre sind vorbei. Dieser Satz mag für die wirtschaftliche Situation weniger richtig sein, als für die geistliche. Noch fließen unsere Einnahmen. Aber die Zeiten, in denen man sie uns bedenkenlos anvertraut hat sind vorbei. Bedrückender, ist aber vor allem, dass die Zeiten im Schwinden sind, in denen man uns zugetraut hat, dass wir etwas für die Seelen und die Herzen tun können.

Da geht es uns scheinbar wie Paulus, der mit seinen Leuten durch die Provinzen zog, und merkte, dass er hier und da nicht landen konnte, mit dem was er an geistigem Rüstzeug mit hatte.

Aber was er hatte war Vertrauen. Er gab nicht auf. Er hatte das Ziel, den Glauben, den er hatte mit den Menschen, die er als seine Geschwister bezeichnete, zu teilen. Und er empfand schienbare Niederlagen, als göttliche Fügung und geistliche Führung. Er hörte die Bitte um Hilfe, der Erscheinung in der Nacht. Er sagte, nicht: "Das ist doch sicher auch wieder nichts, das geht doch sowie so wieder schief, genau wie in Asien!" Nein, er machte sich auf zu neuen Ufern. Und als er dort ankam, dachte er nicht: Jetzt muss sich doch der Himmel auftun, und mir die Lösung vor Augen halten. nein er ging ganz planmäßig vor. Er dachte: 'Wenn hier bei den Römern in Philippi überhaupt irgendwelche Menschen sind, die sich auf den Glauben an Gott ansprechen lassen, dann muss ich zum Fluss gehen, dort wo sich fromme Juden waschen, bevor sie am Sabbat beten.' Dort wo sich Menschen treffen, die ihren Glauben bewahrt hatten. Und er traf dort auf Frauen, die ihm zu hörten, er ging auf sie zu und redete mit Ihnen. Und er sprach so über seinen Glauben, dass ihnen das Herz aufging.

Und seine bekannt gewordene Zuhörerin Lydia, war wirklich begeistert, und wurde vom Geist Gottes erfüllt, durch das was Paulus redete. Sie wird als gottesfürchtig bezeichnet, das heißt, sie war auf der Suche nach Gott, hat sich der jüdischen Gemeinschaft angeschlossen, weil sie hier am ehesten, etwas für ihre Seele fand, aber sie gehörte wohl nicht vollständig zu ihnen, so dass ihr die Entscheidung leichter fiel, sich dem neuen Glauben anzuschließen. Sie ließ sich taufen. Der Rituelle Waschung der Taufe war ihr nicht so fremd, weil sie das ja bei den jüdischen Menschen am Fluss auch erlebte. Was ihr vielleicht aufgefallen ist, ist dass nun diese eine Waschung der Taufe ausreicht, um wirklich rein vor Gott zustehen. Sie lud alle dazu ein, die zu ihr gehörten sich auch taufen zu lassen, und dann wollte sie auch gastfreundlich sein, zu den Menschen, die ihre Seele bereichert haben.

Was können wir von Lydia lernen, für unserer Situation heute. - Es gibt weiterhin Menschen, die nach Gott suchen, die ansprechbar sind, und Futter für ihre Seele suchen. Und wir werden sie finden, wenn wir an die Orte gehen, an denen sie suchen. Das mögen für uns heute ganz andere Orte sein. Wie viele Leute sagen uns: "Beten kann ich auch im Wald, dafür muss ich nicht in die Kirche!" Welche Möglichkeiten sehen wir, an solchen Orten wie einem Wald, unseren Glauben zu leben, und dazu einzuladen. Ja, das kann der Freiluftgottesdienst sein. Es gibt Gelegenheiten, wo wir das tun, und manche Menschen, lassen sich dann auch spontan einladen, mitzufeiern.

Wichtig ist nur, dass wir uns über die nicht ärgern, die kopfschüttelnd oder leise spöttelnd vorbei gehen. Vielleicht habe ich für die andere Möglichkeiten, die sich ergeben. Wichtig ist nur, dass ich nicht aufgebe. Und vielleicht höre ich eine innere Stimme, die mich bittet: Komm herüber und hilf uns!

Als Paulus diesen Ruf gehört hat, ist er mit seinen Leuten einen neuen Weg gegangen. Auch wir müssen neue Weg einschlagen, um für Menschen ansprechbar zu sein für den Glauben. Menschen, müssen die Möglichkeit haben, uns zu entdecken, damit ihnen auch das Herz aufgehen kann, so wie bei Lydia am Fluss. Dazu sind auch Begegnungen nötig, die so nicht unbedingt geplant waren.

Ich habe bei unserem Amt für missionarische Dienste (www.amd-westfalen.de) einmal geschaut, was es für Möglichkeiten geben könnte, einer ungeplanten Begegnung etwas nachzuhelfen, wie Paulus es am Fluss auch getan hat.

Ein zufällige Begegnung am Wegesrand, vielleicht sogar am Fluss, ist heute mehr denn je möglich. Viele Menschen, sind in der Freizeit und im Urlaub gerne mit dem Fahrrad unterwegs. Die klassischen Radweg führen an Donau Mosel oder der Weser entlang. Aber auch Kirchen abseits der großen Radautobahnen können zu Radwegekirchen werden. Radfahrer, wollen nicht nur Kilometer abspulen, sondern auch etwas fürs Auge und für die Seele. Kirchen sind dabei beliebte Anlaufpunkte. Auch eine Kirche in der kein Gottesdienst ist, lädt zur Besinnung ein. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeiten zu bestimmten Zeiten spirituelle Angebote zu machen, und zusätzlich zum geistigen Auftanken auch noch etwas für das leibliche Wohl zu bieten. So kann Kirche auch wieder ein Pilgerort werden, der nicht nur für Radfahrer interessant ist, sondern außerhalb der Gottesdienste ein Ort ist, an dem das Herz aufgeht.

Kirche kann auch sich anders zeigen als man gewöhnlich von ihr erwartet. Wir haben ja bei der Nacht der offenen Kirchen gute Erfahrungen gemacht (www.kirchen-nacht.de). Wir laden ein zu Musik und Kultur, und auch wenn es manchmal "nur" unterhaltend ist, dann schafft solche Unterhaltung, doch Menschen den Zugang zur Kirche, die ihn sonst nicht gefunden hätten.

Wie finde ich nun die Möglichkeit, dem aufgegangenen Herz, eine Heimat zu geben. Lydia hat damals den Weg spontan zur Taufe gefunden, und danach hat sie die Prediger in ihr Haus eingeladen. Vielleicht ging es heute eher umgekehrt. Nachdem Interesse für die Inhalte der Kirche geweckt wurde, muss ein Angebot, da sein, diese zu vertiefen. Wir können einladen zu Glaubenskursen. Das Wort mag manchen zunächst abschrecken. Aber viele Menschen besuchen "freiwillig" Sprachkurse oder nehmen an Bildungsangebote teil, die sie weiter bringen. Warum nicht auch im Glauben weiter wachsen. So ein Kurs muss nicht nach Schule aussehen. Wir haben ja da mit unserem "Schnupperkurs" Glauben gute Erfahrungen gemacht. Eine Einladung in die Gemeinde, bei der ich mich wie zu Hause fühle, unter Menschen bin, denen ich vertrauen kann, und wo ich darauf Acht haben kann, was da vom Glauben gesagt wird. Auch in Hauskreisen kann so ein Glaube vertieft werden, da ist uns die Einladung der Lydia in ihr Haus ein gutes Vorbild. (www.amd-westfalen.de)

Komm herüber und hilf uns! Viele Hilfen werden angeboten von Leuten, die sich Gedanken machen, wie Kirche ihre Inhalte wieder zum Menschen bringen kann. Wir müssen uns nur bewusst sein, dass wir Hilfe brauchen, bevor wir sie geben können. Und solche Hilfe kommt nicht nur vorn kirchlichen Werken, sondern oft auch vom Heiligen Geist selbst, indem er uns manche Wege verwehrt und dafür andere Wege öffnet. Komm herüber und hilf uns! So sprach der Mann aus Mazedonien in der nächtlichen Erscheinung. Wir müssen versuchen, unsere Ohren und Herzen für solche Stimmen zu öffnen. Denn einfach so, werden wir den verlorenen Boden nicht mehr gut machen und weiter mit dem Rücken zur Wand stehen. Hören wir auch, was Gott uns im Wochenspruch sagt: Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht. (Hebr 3,15)                                   Amen.

 

 

Perikope