Konfirmationspredigt zu 1.Mose 1,27 (Kolosser 1,15) von Jochen Riepe
1,27

Konfirmationspredigt zu 1.Mose 1,27 (Kolosser 1,15) von Jochen Riepe

‚Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und als Frau.‘

‚Jesus Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung‘.

I

Stellt euch das bitte einen Augenblick vor … vielleicht schließt Ihr dabei die Augen … Dieser Raum und darin ein jeder von uns wie in Licht gehüllt … gleichsam  von einer Mandorla , einem Heiligenschein umgeben … Keine Angst! Es ist ja nur ein Augenblick.

II

Was ein Selfie ist , liebe Gemeinde, das weiß inzwischen jedes Kind  und fast jeder Erwachsene auch. Wenn man mit einem Fotohandy sich selbst aufnimmt – optimal mit Innenkamera- , dann hast du ein Selbstbildnis – selbstgemacht  , etwa so wie früher ein Maler sein Selbstporträt schuf. Neulich sagte jemand  etwas geschwollen , das Selfie sei der ‚Rückgewinn der Hoheit über das eigene Bild …‘  Unsere Konfirmanden verstanden das sofort : Ich will selbst bestimmen , welches Foto von mir in den Umlauf kommt … und keiner soll mich beim Fotographieren nerven : ‚Stell dich da hin! Rück die Krawatte! Bitte recht freundlich!‘

III

Nicht wahr , damit sind wir mittendrin im Konfirmationstag und zugleich mitten in dem biblischen Text , der uns heute anleiten soll. ‚Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn und schuf sie als Mann und als Frau‘. Unser Angesicht , früher sagte man : unser Antlitz , ist nicht zu denken ohne die Beziehung , die Gott zu uns haben will. Er , der Schöpfer, ist gegenwärtig in seinem Geschöpf. Gott ist unsichtbar und verborgen – ‚keiner hat Gott je gesehen‘ heißt es im Neuen Testament* - und in diese Unsichtbarkeit und Unverfügbarkeit sind auch wir Menschen gleichsam eingehüllt. Das ‚Ebenbild Gottes‘  , die Ikone Gottes ,heißt der Mensch und mehr Würde und Verantwortung kann einem Geschöpf nicht zukommen.

IV

‚Rückgewinn der Hoheit über das eigene Bild …‘  so sagte es der Journalist zum Selfie und ,liebe Gemeinde, alle sind kräftig dabei , nicht nur die Prominenz , diese Hoheit zu leben. Im Unterricht haben wir gefragt : Was machst du mit jenen Fotos von dir , die dir nicht gefallen? Wir Älteren erinnern uns : Früher gab es Fotoalben , die wirkten regelrecht geplündert … Oder : Was geschieht mit meinem Selbstbildnis , wenn es anderen schicke und bei Facebook einstelle? Ich  gebe dann mein ‚Antlitz‘ aus der Hand und überlasse es anderen. Was machen die damit? Achten sie es und respektieren meine ‚Licht-Grenze‘, ja, meinen Heiligenschein? Oder machen sie sich darüber lustig oder entstellen es gar? Ihr habt erzählt , was alles so passieren kann und daß man mitunter sehr vorsichtig sein muß, wem man seine Fotos überläßt.

V

Uns allen , liebe Eltern, Großeltern und Paten, wird daran etwas Einfaches und doch zugleich Schwieriges bewußt. Ich möchte mich selbst bestimmen – nennt es : Hoheit , Freiheit - , aber miteinander leben heißt eben auch : Ich muß mich anderen aussetzen , mich bestimmen lassen , ja, ein Stück weit ‚unterwerfen‘. Nicht nur die Älteren spüren und wissen das : Wir sind Wesen aus Fleisch und Blut. Mein ‚Antlitz‘ ist Leib und in meinem Angesicht sind Spuren dieser Unterwerfung . Das Lächeln jener , die Euch geliebt , erzogen , geprägt haben , die Einschreibungen jener , die euch verletzt oder nachdrücklich geschadet haben. Es gibt von Künstlern geschaffene Selbstporträts , die sind wahrhaft hoheitsvoll und selbstbewußt . Es gibt aber auch solche Künstler , die sich Narben , Flecke , tiefe Falten ins Gesicht  gemalt haben . Ist das noch Gottes Ebenbild , wenn aus einem Selfie ein Suglie wird , ein – wie ich von euch gelernt habe – eher unschönes oder bewußt häßliches und verzerrtes Selbstbildnis?

VI

Vielleicht darf ich euch an dieser Stelle noch einmal bitten , die Augen zu schließen. Dieser Raum  und in ihm ein jeder von uns in Licht gehüllt, eine Mandorla, ein Heiligenschein umhüllt uns … Ein Bild oder ein Foto, das ist das eine , ein Gesicht aus Fleisch und Blut das andere , aber wir wissen : Beides ist miteinander verklammert oder ineinander ‚ver-wickelt‘ . Wenn ich ein Bild entstelle , verletzte und beschäme ich auch den Menschen. Heute am Konfirmationstag sollen wir , liebe Gemeinde , dies hören : Ein jeder von uns ist Gottes Geschöpf und trägt den schützenden Lichtschein , die hoheitsvollen Züge des unsichtbaren Gottes. Zugleich sind wir verletzbare Wesen , anderen und vor allem uns selbst ausgesetzt. Wir können diesem Ineinander nicht entgehen , aber Gott hat uns so geschaffen, daß wir verantwortlich  , seinem Gebot gemäß, damit umgehen. Erwachsenenwerden heißt darum : verantwortlich , ja scheu, mit dem Angesicht des anderen und verantwortlich, ja, scheu mit dem eigenen Antlitz umgehen.

VII

Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde‘, ja, Er , der Unsichtbare, ist zu mir eine unwiderrufliche Bindung eingegangen und in meiner Taufe habe ich diesen Bund bejaht . Menschen tun viel, diese Verbindung zu zerstören, ihren ‚Lichtschein‘ und den des anderen zu ignorieren. Ihr , liebe Konfirmanden, Ihr wollt sie heute befestigen – im Namen Jesu Christi, dem ‚Ebenbild des unsichtbaren Gottes‘ , jenem Menschen , den Gott gewissermaßen zu seinem Selfie bestimmt hat. Hoheitsvoll-verletzbar. Verletzbar-hoheitsvoll.

*1.Joh.4,12