Konfirmationspredigt zu Lukas 21,15 von Jochen Riepe
21,15

Konfirmationspredigt zu Lukas 21,15 von Jochen Riepe

Denn ich will euch Mund und Weisheit geben, der alle eure Gegner nicht widerstehen noch widersprechen können‘, spricht Christus zu den Seinen.

                                                                         I

Nicht wahr , liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden , das hier , das hat etwas. Das reizt – solch ein Mikrophon. Ihr erinnert euch : Beim Weihnachtsspiel, neulich bei der Sprechmotette zur Vorstellung oder wann immer Ihr hier in der Kirche oder in der Schulaula etwas vortragen mußtet … eine Stimme , die kann `was … und wenn sie dazu noch verstärkt wird und bis da ganz hinten reicht , dann fühlt man , spürt man power , Macht in der Kehle. Du sprichst oder singst , ja du , und die anderen , viele andere, hören zu. Der Kirchenvater Johannes Chrysostemos war ein großer Prediger. ‚Das Reden macht mich gesund‘, soll er gesagt haben, ‘sobald ich nur den Mund aufmache , ist alle Müdigkeit überwunden‘* .

                                                                         II

Wir alle , und nun spreche ich besonders die Älteren an , kennen aber auch das andere. Eben noch war ich ‚voll-mundig‘ und nun werde ich klein-laut . Was nützt mir ein Mikrophon , wenn die Stimme versagt , ich kein Wort herauskriege oder eben keine Kraft habe, meine Stimme zu erheben. Das kann auch bei geübten Rednern vorkommen  – selbst der große Goethe hatte einmal bei einer Rede einen blackout ,einen Aussetzer, der über zehn Minuten dauerte** - , und so wie den Kindern der Welt , so ergeht es auch den Jüngern Jesu : Sie drohen zu verstummen. Hemmung, Unsicherheit, Scham . Klingt es überzeugend, was ich sage? Ist es glaubwürdig? Kann ich zu dem stehen , was ich gehört und gelernt habe – über Gott und die Welt und über mich selbst? Kann ich es verantworten? Auch dann , wenn man mir feindselig oder spöttisch gegenübertritt? Die Angst der Jünger damals ist uns bis heute geblieben. Die Angst , rot zu werden und wegzulaufen und zu ver-sagen.

                                                                       III

Denn ich will euch Mund und Weisheit geben…‘  Wer sich unter Druck fühlt , wer erfährt , daß andere es nicht gut mit ihm meinen und ihn gar verleumden , der macht das, was von außen kommt , oft hier drinnen noch schlimmer. Er macht sich regelrecht verrückt und verliert sein Wort ganz. Stummheit. Schweigen. Eben hier greift Jesu Wort. Es wirbt um Vertrauen darauf, daß in solchen Konfrontationen , wenn Stirn gegen Stirn steht , sein Geist uns aufhelfen und stärken wird. Was meint er aber damit ? Ihr müßt jetzt gar nicht an  überirdische Kräfte denken, vielleicht reicht es so : Ihr habt gehört , gelesen , gelernt ,ihr tragt viel Gutes in euch. Mit Eurer Mutter- und Vatersprache gehört dies alles zum Kern eurer Person und diesen Schatz kann euch keiner nehmen. Sollte der Augenblick kommen , so wird Gott ihn in dir erwecken und dir geben , was du längst empfangen hast. Das kennt ja jeder von uns : Plötzlich finde ich auch vor einem Vorgesetzten oder Ankläger die rechten Worte und rede mich buchstäblich frei.

                                                                       IV

Ja, dieses Mikrophon… Eine Stimme, liebe Gemeinde, braucht Ausbildung , Übung, Technik und in solch einem großen Raum wie unserer Kirche auch Verstärkung. Aber vor allem braucht sie Erfahrung , Inhalte , einen Menschen , der etwas erlebt hat und von den Menschen und der Welt und von Gott etwas weiß. Ich will ja wirklich etwas zu sagen haben. Meine Freiheit , mein ‚Freimut‘, wie der Evangelist Lukas gern schreibt, braucht gleichsam ein Medium oder auch einen Fundus , einen Grund , auf dem ich stehe. Jesus nennt dies ‚Weisheit‘ und dies sei sofort ergänzt : Weisheit ist etwas anderes als Intelligenz, IQ oder gute Schulnoten oder irgendwelche Kompetenzen . Weisheit , das ist ein Sinn für das, was vor Gott und den Menschen angemessen ist. Kraft. Liebe. Besonnenheit. Respekt und auch Bescheidenheit. Ich muß , um weise zu werden, immer wieder hören und lernen und nochmals hören und lernen , wenn ich wirklich etwas zu sagen haben will – ‚der Weisheit Anfang ist die Achtung vor Gott‘ . Schwätzer und Wortdrescher sind in der Regel Menschen , die nicht richtig gehört , nachgefragt und nachgedacht haben. Die nicht abwarten können und dir schnell über den Mund fahren.

                                                                         V

Weise werden wir also mit der Zeit , vielleicht besonders in der Zeit, die wir mit Gott teilen . Unsere Stimme wird im Hören und Zuhören aus ihrem Schlummer sanft , aber konsequent geweckt. So war es schon ganz am Anfang unseres Lebens und eure Eltern werden sich erinnern : Indem Ihr etwas mit- oder nachgesprochen habt , einem fremden Klang in euch Raum gabt und eure Sprechwerkzeuge aktiv wurden , wurde aus dem Stimm-Gut des anderen etwas eigenes. Ihr durftet es ausbilden , mit ihm Erfahrungen machen und es erproben – manches wolltet Ihr gewiß auch wieder ausspucken . Dieses Nach – oder Mitsprechen ist für den Glauben der Christen ganz elementar. Wir lassen uns leiten von einem biblischen Wort , unserem Tauf- oder Konfirmationsspruch , einem Psalm , einem Lied , also von dem, was Ihr so schön ‚auswendig- by heart‘ gelernt habt , und in euch  und durch euch wird das Alte, das Vorgegebene , neu , lebendig ,geist-voll. Der Glaube – so haben wir neulich im Unterricht gesagt – ist etwas sehr Persönliches und wie und wann ich darüber spreche , das stellt Gott in meine Freiheit. Aber dieses Persönliche ist umso persönlicher , je mehr ich gehört , empfangen und das Empfangene bedacht habe.

                                                                       VI

Übrigens , viele Sängerinnen und Sänger , auch Bands, auch unsere Gemeindeband, hat so begonnen : Mit dem Covern der Titel anderer. Große Schriftsteller bekennen freimütig, bei anderen abgeschrieben zu haben und wir Prediger lernen eigens etwas über ‚den Gebrauch fremder Predigten‘***.  Also : ‚alles nur geklaut‘? Genauer muß man sagen : Im Bereich dieses inneren Schatzes gibt es kein Privateigentum. ‚Alles gehört euch‘ – weil alles zum Wirken des Gottesgeistes gehört … alles Gehörte kann zum Baustein werden , aus dem wir etwas machen dürfen. Oft habe ich bei euch geklaut und mir nach den Unterrichtsstunden Stichworte gemacht , Sätze notiert , Gaben eures frischen Geistes , die nun im Universum des göttlichen Geistes mitklingen … Ich danke euch dafür.

                                                                      VII

‚Denn ich will euch Mund und Weisheit geben‘, sagt Jesus. ‚Das Reden macht mich gesund‘, sagte der Kirchenvater Chrysosthemos, zu deutsch :‘Goldmund‘. Ob nun dieses Kirchenmikrophon oder ein ganz anderes , wo immer ihr sein werdet, wir erbitten für euch einen ‚weisen‘ ,  nein : nicht unbedingt ‚goldenen‘ , Mund . Ein sprechendes und singendes Leben im Geiste des Herrn , zu dem ihr mit eurer Taufe gehört.

*H. v. Campenhausen, Griechische Kirchenväter,4.Aufl.1967,S.142

** A. Muschg ,Der Schein trügt nicht. Über Goethe  2004,S.145

*** R. Bohren , Predigtlehre, 2.Aufl. 1971,S.198