Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Liebe Gemeinde,
Christ ist erstanden! So haben wir eben gemeinsam gesungen. Und haben damit eingestimmt in die große Gemeinde derer, die seit nun fast 2000 Jahren an Ostern diesen Ruf anstimmen. Und damit die tiefe Freude in der Seele zum Ausdruck bringen, die mit Ostern verbunden ist. Eine Freude, die auch durch die Gewalt, die uns gerade in dieser Woche das Herz so schwer gemacht hat, nicht erstickt werden kann, auch wenn es sich im Moment vielleicht so anfühlt.
Schon den Frauen, die an Jesu Grab gekommen sind, ist es so gegangen.
Maria steht am Gab und weint. Nur ihr Schluchzen ist zu hören. Mit dem Tod Jesu ist ihre Hoffnung verloren gegangen. Sie sieht das leere Grab. Meint, dass der Leichnam weggebracht worden ist. Spricht mit diesem Mann, den sie für den Gärtner hält.
Und dann sagt er ihren Namen: „Maria!“
Und sie erkennt Jesus.
Und ruft – vielleicht erschrocken, aber vor allem mit großer Freude, aus: Rabbuni! Mein Meister!
Jesus lebt!
Mit einem Mal ist alles anders. Das Leben ist wieder offen. Maria geht zu den Jüngern und sagt: Ich habe den Herrn gesehen!
Kann das sein? Können wir als moderne Menschen das noch glauben, dass einer vom Tod auferstanden ist? Können wir wagen, uns darauf einzulassen, dass dieser Sieg des Lebens auch das Ziel unserer eigenen Biographie ist? Dass unsere Lieben und auch wir selbst nicht im ewigen Dunkel landen, sondern ein neues, ein anderes Leben haben nach dem irdischen?
Maria will Jesus ergreifen, anfassen, wie sie es früher, vor seinem Tod, oft genug getan hat. Aber Jesus ist nicht mehr wie früher. Er ist verwandelt. Der Gleiche und doch ganz anders. Was da mit Jesus geschieht, was mit uns geschieht, wenn wir sterben, ist ein Geheimnis, das man mit dem Verstand nicht erfassen kann. Aber Bilder können uns helfen, es jedenfalls zu erahnen.
Es ist - sagt der Apostel Paulus - wie mit einem Weizenkorn. Aus ihm kann nur etwas Neues kommen, wenn es stirbt.
Und dann spricht Paulus von dem neuen Leib, den wir wie ein Kleid anziehen. Doch hören wir ihn selbst:
Stefan Porzner, Lesung Teil 1:
50Eins muss ich euch aber sagen,
Brüder und Schwestern:
Menschen aus Fleisch und Blut
können das Reich Gottes nicht erben.
Was vergänglich ist,
kann nicht unsterblich werden.
51Seht doch,
ich weihe euch hier wirklich in ein
Geheimnis ein:
Wir werden nicht alle sterben,
wir werden aber alle verwandelt werden.
52Das geschieht ganz plötzlich,
in einem Augenblick,
beim letzten Trompetenstoß:
Die Trompete wird erschallen -
da werden die Toten zu unvergänglichem Leben erweckt.
Und gleichzeitig werden wir verwandelt.
53Denn was vergänglich ist,
muss die Unvergänglichkeit anziehen -
wie ein neues Kleid.
Und was sterblich ist,
muss sich in Unsterblichkeit kleiden.
54So hüllt sich das Vergängliche in Unvergänglichkeit und das Sterbliche in Unsterblichkeit.
(1 Korinther 15,50-54, Basisbibel)
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm:
Ja, es ist wirklich ein Geheimnis, von dem Paulus hier spricht.
Aber ein Geheimnis mit Posaunenklängen. Kraftvoll. Triumphierend. Als Fanfaren des Lebens. Sie kündigen einen Zeitenwechsel an. Denn für Paulus ist Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi eingezeichnet in eine große Erwartung für uns alle: Die alte, irdische Zeit wird überwunden. Jesu Auferstehung eröffnet uns einen neuen Himmel und eine neue Erde.
Aber was ist bis dahin? Werden wir nach dem Tod erst einmal in einen tiefen Schlaf fallen, bis der jüngste Tag anbricht? Oder gibt es diesen Zwischenzustand nicht und es wird so sein, wie Jesus es dem Verbrecher am Kreuz verspricht: „Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ (Lk 23.43) ?
Martin Luther stellt es sich wie bei einem Menschen vor, der in der Nacht plötzlich aufwacht und nicht weiß, ob er Sekunden oder Stunden geschlafen hat. Für einen kleinen Augenblick verschwimmt die Zeit: „Sobald die Augen sich schließen, wirst du auferweckt werden. Tausend Jahre werden sein gleich als du ein halbes Stündlein geschlafen hast. Gleich wie wir nachts … nicht wissen, wie lange wir geschlafen haben, so sind noch vielmehr im Tod tausend Jahre schnell weg. Ehe sich einer umsieht, ist er schon ein schöner Engel.“
Wann genau das Ende der Zeiten kommt, liebe Gemeinde, das wissen wir heute genauso wenig wie es Paulus damals gewusst hat. Aber wir dürfen heute wie damals in der österlichen Gewissheit leben, dass wir keine Angst mehr vor dem Sterben zu haben brauchen. Weil Gott uns begleitet, auf uns wartet und uns ansieht und wir mit dem Kleid der Unvergänglichkeit umhüllt werden. Dieses Kleid der Unvergänglichkeit ist wie ein Brautkleid des ewigen Lebens. Es ist hell. Es strahlt Liebe aus. Es ist ein Festkleid.
Stefan Porzner, Lesung Teil 2:
Wenn das geschieht, geht das Wort in Erfüllung, das in der Heiligen Schrift steht:
"Der Tod ist vernichtet! Der Sieg ist vollkommen!
55Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?"
56Der Stachel des Todes ist die Schuld. Aber die Schuld hat ihre Macht durch das Gesetz.
57Dank sei Gott! Durch unseren Herrn Jesus Christus
schenkt er uns den Sieg! 58Meine lieben Brüder und Schwestern, haltet am Glauben fest!
Seid unerschütterlich! Setzt euch mit aller Kraft für die Sache des Herrn ein!
Ihr wisst ja: Was ihr für den Herrn tut, ist nicht vergeblich!
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Predigt I
Liebe Gemeinde, ich kann verstehen, dass Paulus so überschwänglich „Danke“ sagt. Es ist so wunderbar, ohne Angst leben zu dürfen. Sagen, singen, rufen, vielleicht auch leise flüstern zu dürfen: „Tod, wo ist dein Sieg, wo ist dein Stachel?“
Wer in der Seele krank ist, bedrängt von dem Gefühl, nichts wert zu sein, nichts zu können, anderen nur zur Last zu fallen. Wer sich am Abend schon vor der Schwere des nächsten Tages fürchtet, kann hoffnungsvoll sagen: „Tod, wo ist dein Stachel?“
Wer ein langes Leben geteilt hat, das mit dem Tod der Frau, des Mannes jetzt dunkel und schwer geworden ist, kann Trost finden und zuversichtlich fragen: „Tod, wo ist dein Stachel?“
Wer die Bilder von terroristischen Angriffen und den zerbombten syrischen Städten nicht mehr aushält, das Leid der Flüchtlinge nicht mehr anschauen kann, wem darüber die Hoffnung entgleitet, dass sich je irgendetwas ändern wird, der kann in das Bekenntnis einstimmen: Christus ist auferstanden! Die Macht des Todes ist gebrochen!
Die österliche Freude aus der Kraft des Auferstandenen verändert die Welt. Sie macht das Leben im Hier und Jetzt neu. Darum singt davon, sagt es weiter!
Vielleicht als trotzige Freude, die sich erst langsam aus der Umklammerung eines Schmerzes löst. Vielleicht als zweifelnde Freude, ob es wirklich stimmt, dass der Tod bezwungen ist.
Sei es fröhlich, trotzig oder zweifelnd: In welchem Ton die Osterfreude auch gestimmt ist, immer ist sie Ausdruck unserer tiefen Leidenschaft für das Leben. Sie ist ein kraftvoller Protest gegen den Tod. Sie ist eine große Hymne der Hoffnung!
Mit ihren Tönen im Herzen und auf den Lippen können wir entdecken, wie Ostern schon heute in unserem Leben anbricht: durch liebe Menschen, die Gott uns schenkt, die uns nahe sind und uns begleiten. In all dem Guten an Leib und Seele, das wir erfahren und das uns neue Lebenskraft gibt. In einem zwar immer wieder bedrohten, aber doch neue Hoffnung schaffenden Waffenstillstand in Syrien, den keiner für möglich gehalten hat, in einer Klimakonferenz in Paris, deren Ergebnisse kaum einer erwartet hat, in einer Hilfsbereitschaft und Empathie in unserem Land, die wir Deutschen uns bis vor kurzem nie zugetraut hätten.
Überseht die Zeichen der Hoffnung nicht! Gebt dem Tod nicht die Macht, Euer Leben zu bestimmen! Vertraut euer Leben dem auferstandenen Christus an! Öffnet eure Augen, Eure Ohren, eure Herzen und Sinne für die österlichen Zeichen des neuen Lebens!
Die Kinder werden gleich das Kreuz mit Blumen schmücken. Wenn wir ihnen dabei zuschauen, dann lasst uns diese Bilder aufnehmen und mit nach Hause in den Alltag nehmen: aus dem Kreuz ist Leben gekommen, der Same hat sich in Blüten verwandelt. Das Leben hat gesiegt. Es ist Ostern geworden.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen in Christus Jesus. Amen.