„Lebt als Kinder des Lichts“: Zusage und Zuruf – Predigt zu Epheser 5,8b-14 von Christian Bogislav Burandt
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„Lebt als Kinder des Lichts“: Zusage und Zuruf – Predigt zu Epheser 5,8b-14 von Christian Bogislav Burandt

Liebe Gemeinde,

„im Dunkeln ist gut munkeln“. So lautet eine alte deutsche Redensart. Schon seit Mitte des 17. Jahrhunderts ist sie im Umlauf.
„Im Dunkeln ist gut munkeln.“ Munkeln meint ein leises und heimliches Reden. Im Schutz der Dunkelheit lassen sich verborgene Liebschaften ausleben, aber man kann auch geheime Absprachen aller Art treffen – bis hin zur Vorbereitung eines Verbrechens. Erst durch den Zusammenhang wird jeweils deutlich, welches Vorzeichen der alten deutschen Redensart zukommt. Klar ist: Aus der Bibel stammt diese Redensart nicht. „Im Dunkeln tappen“, ja, diese Redewendung kommt aus der Bibel. Die Aussage „im Dunkeln ist gut munkeln“ steht dagegen klar im Widerspruch zum Predigttext für den heutigen Sonntag mit der Zusage und dem Zuruf: Lebt als Kinder des Lichts! (V. 8b)

Natürlich. Wir Menschen brauchen unseren Schlaf und sind biologisch gesehen keine Nachtschattengewächse. So verstanden wirkt die Aussage des Apostels aus dem Epheserbrief ganz selbstverständlich. Aber dem Briefschreiber geht es nicht um das natürliche Sonnenlicht, sondern um Jesus Christus. Er ist das wahre Licht. Unmittelbar im Vers vor unserem Text heißt es: Ihr seid Licht in dem Herrn. (V. 8a)

Das hat Folgen. Wenn wir uns auf Jesus Christus gründen, wenn wir seine Worte heute hören, wenn wir uns an den christlichen Verheißungen wärmen, dann sind wir auch in der Lage, unsererseits Licht und Wärme zu verbreiten. Denn dann werden wir uns mit Kälte und Unfreundlichkeit in der Gesellschaft und in der Welt nicht abfinden. Dann versuchen wir aus christlicher Motivation heraus Gutes zu tun. Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt, sagt Jesus zu den Seinen in der Bergpredigt. Im Evangelium haben wir davon gehört.

Wie der Mond sein Licht von der Sonne bekommt und leuchtet, so bekommen wir Licht von Jesus Christus und sollen es weiter geben. Das heißt aber: Wir bleiben auf ihn angewiesen, werden nicht plötzlich selber wandelnde Sonnen.
Dietrich Bonhoeffer, eine Lichtgestalt des Protestantismus, hat während seiner Gefangenschaft dies Angewiesensein durch sein berühmtes Morgengebet zum Ausdruck gebracht. Ich lese es vor:
„Gott, zu dir rufe ich am frühen Morgen, hilf mir beten und meine Gedanken sammeln. Ich kann es nicht allein. In mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden. In mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den rechten Weg für mich“.i

Wir leuchten nicht aus uns selbst, aber wir können und sollen als Kinder des Lichts leben. Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit, heißt es in unserem Text (V. 9). Und wie sollen wir das beurteilen? Der Apostel sagt: Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist. (V. 10)

Prüfungsinstanz ist nicht die öffentliche Meinung oder eine statistische Umfrage, was denn die meisten zu der Frage denken oder gar die spontane eigene Idee. Entscheidend ist, ob die Tat oder das geplante Verhalten im Licht Jesu Christi bestehen kann. Denken wir bei Entscheidungen nach, ob sie Jesus Christus entsprechen? Mich beschleicht das Gefühl, dass wir Christen durchaus in der Gefahr sind, die eigene Meinung mit dem Willen Jesu Christi zu verwechseln. Und wer sagt mir, dass mein Gewissen tut, was Jesus Christus gefällt?

Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist. (V. 10)

Wer prüft, wendet Zeit auf. Er oder sie folgt nicht einer spontanen Regung.  Wenn doch bloß mehr Menschen Abstand von spontanen Regungen nehmen würden!

In den Zeitungen mussten wir in der letzten Zeit mehrfach lesen, dass in der elektronischen Kommunikation von Güte kaum die Rede sein kann. Viele Menschen senden hasserfüllte Nachrichten an andere, sogenannte Hassmails. Und dieses Problem scheint nachgerade epidemische Ausmaße angenommen zu haben. Unsere Lokalpolitiker werden auf diese Weise massiv angegriffen und verunglimpft. Oft ausgerechnet von denen, die sich für die Verteidiger des christlichen Abendlandes halten. Im Dunkeln übel munkeln, Hass verbreiten ist nicht christlich. Überhaupt: Hass ist haltlos und maßlos!

Aber wir, liebe Gemeinde, wir haben einen Halt im Leben. Mit einer Mottete von Johann Sebastian Bach können wir singen und sagen „Oh Jesu Christ, mein´s Lebens Licht“. Vielleicht müssen wir mehr als früher andere Menschen fragen, was ihnen Halt gibt und sie ermutigen, Anhalt am christlichen Glauben zu suchen.

Und was die elektronische Post angeht: Nur das, was wir nach christlicher Prüfung einem anderen Menschen ins Gesicht sagen würden, nur das sollte auch per Mail an einen anderen gesandt werden.

Der Apostel schreibt weiter: Habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, deckt sie vielmehr auf (V.11) Beim ersten Hinhören fallen mir Krimis ein. Da geht es um Werke der Finsternis, die am Ende aufgedeckt werden. Und das übt ja bekanntlich eine große Faszination aus. Es gibt keinen Tag, an dem wir nicht einen Krimi im Fernsehen anschauen könnten. Daran ist an sich nichts verkehrt.

Der Briefschreiber will mit seiner Aufforderung vor der Sogwirkung warnen, die die Werke der Finsternis auf uns ausüben. Verbrechen haben eine eigene Anziehungskraft wie überhaupt alles, was verboten ist oder den 10 Geboten zuwiderläuft.

Der Mensch, zerbrechlich und empfindlich wie er ist, ist immer in Gefahr Opfer von dunklen Neigungen zu werden. In diesem Zusammenhang spricht die Bibel von der Sünde. Damit haben wir unser Leben lang zu kämpfen. Im ersten Johannesbrief heißt es: Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns. (1. Joh 1,8)

Aber wir können wenigstens versuchen, uns von den Werken der Finsternis fern zu halten, meint der Apostel. Eine eindrückliche Mahnung. Der Briefschreiber empfiehlt das Aufdecken der Werke der Finsternis. Er empfiehlt damit Transparenz und Wahrheit. Das griechische Wort aus unserem Predigttext, das wir mit Wahrheit übersetzen, ließe sich zunächst wortwörtlich mit „Unverborgenheit“ wiedergeben. Es ist das Verborgene, das an den Tag gebracht wird.

Allerdings beschleicht mich das Gefühl, als würden viele Zeitgenossen das Licht der Öffentlichkeit verwechseln mit dem Licht, von dem hier im Epheserbrief die Rede ist.

Für den Apostel ist das aufdeckende Licht niemand anderes als Jesus Christus selbst. Er als das Licht der Welt hilft der christlichen Gemeinde, gut und böse klar voneinander zu unterscheiden, die Sünde als Sünde zu erkennen und sie nicht mit dem Guten zu verwechseln.

Mit anderen Worten: Investigativer Journalismus, ein entlarvender Journalismus, der tatsächliche oder vermeintliche Werke der Finsternis ans Licht der Öffentlichkeit bringt, ist an sich noch nicht ohne weiteres christlich. Wenn wir uns in Kirche und Gemeinde auf Dunkelheiten, Fehler und Versäumnisse hinweisen, dann muss auch der Vorgang des Aufdeckens von Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit geprägt sein.

Lebt als Kinder des Lichts. Diese Zusage, dieser Zuruf ist attraktiv. Denn er steht positiv gegen das Gefühl von vielen Zeitgenossen. „Die Grundstimmung der Zeit ist Hilflosigkeit“ii, hat gerade erst ein berühmter Philosoph gesagt.

Lebt als Kinder des Lichts“, dieser Zuruf bewegt und motiviert auch abseits der christlichen Verankerung. Mindestens drei neuere deutsche Popsongs nehmen ihn auf; unter anderem die Band Silbermond in ihrem Lied „Krieger des Lichts“.

Schon der Briefschreiber hat freilich als Abschluss seines Gedankens ein kleines Lied angestimmt: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten. Ich versuche das einmal mit meinen Worten zu sagen:

 

Wacht auf aus dieser Dunkelheit.
Das Licht von Ostern es reicht weit.
Bleibt stehn, wenn ihr Leid gesehn,
Packt an, wo man helfen kann.
Auch bei dunkler Sicht,
Christus ist das Licht.
AMEN

 

iDietrich Bonhoeffer, Von guten Mächten, interpretiert von J. C. Hampe, Gütersloh 9. Auflage 1994, S.6.

iiPeter Sloterdijk in der HAZ Nr. 160 vom 11.7.2016 auf S.5.