Nachfolge ist in: Follower werden!
Lebenslanges Lernen, liebe Gemeinde, liegt im Trend. Auch Reisende können das sehen: Der Zug hält an einem Bahnhof und in dessen Fenstern lachen uns entsprechende Plakate entgegen: Deutsch, Mathematik und Computer! - Wirtschaft und Gesellschaft fordern lebenslanges Lernen von uns. Und zuzugeben ist: Der Fortschritt hilft uns persönlich nur, wenn wir uns darauf einlassen und immer wieder mal neue Dinge lernen: eine neue Sprache, ein Computerprogramm, den Umgang mit einem Hörgerät.
Auch im christlichen Glauben, liebe Gemeinde, geht es um ein lebenslanges Lernen. Denn wir sind als Christen trotz Konfirmation nie fertig sondern immer im Werden. Glaube, Liebe und Hoffnung, das brauchen wir immer wieder neu! – Und wie sich das Lernen in Fragen des Glaubens vollziehen soll? Nun, ich denke es gibt viele verschiedene Gelegenheiten: in Gottesdiensten und Glaubenskursen z.B. Und es gibt verschiedene Lernmethoden, die alle einen Platz in Kirche und Gemeinde haben.
Bekannt ist ja etwa das Lernen am Modell, das Lernen durch Nachahmung. Wie sagte doch ein frustrierter Vater: „Man kann seine Kinder so gut erziehen wie man will, sie machen einem doch alles nach!“
Unser Modell, nach dem wir den christlichen Glauben lernen, ist Jesus Christus selbst: Er hat euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen, sagt unser Briefschreiber: Jesus Christus hat keine betrügerischen Reden in seinem Munde geführt. Er hat keine verbale Gewalt ausgeübt, als er angefeindet und geschmäht wurde. Er hat keine Drohungen und Flüche ausgestoßen, als andere ihm Gewalt zufügten. Ganz bewusst hat er dies nicht getan.
Lernen am Modell, Lernen am Vorbild ist etwas, was wir zunächst einmal mit Kindern in Verbindung bringen. Das griechische Wort für „Vorbild“, das der Verfasser des 1. Petrusbriefes verwendet, bedeutet ursprünglich „Vorlage zum Nachschreiben“[i]: so wie Kinder zum Schreibenlernen ein Vorbild oder gar eine Schablone zum Nachmalen bzw. Nachschreiben in die Hand bekommen. Auf diese sozusagen kindliche, intuitive Art also sollen wir uns an Jesus ein Beispiel nehmen und seinen Fußtapfen folgen.
In unwegsamen Gegenden, z.B. in der Wüste, wo das Finden des richtigen Weges lebensrettend ist, da leuchtet das unmittelbar ein: Es ist heilsam, den in Sand und Geröll erkennbaren Fußstapfen von jemandem zu folgen, um den Weg in die Zivilisation zu finden.
Aber sind uns die Fußstapfen Jesu nicht viel zu groß? Können wir das Bild aus dem kindlichen Erziehungsbereich, Jesus als Vorbild, so ohne weiteres auf uns beziehen? Haben wir zu Jesus überhaupt Vertrauen?
Schon Martin Luther hat sich mit diesen Fragen beschäftigt und über die Aussagen aus unserem Text nachgedacht. Für ihn ist es wichtig, dass bei uns Christen die Reihenfolge stimmt: erst das Vertrauen zu Jesus Christus und dann unser christliches Verhalten. In Luthers Worten gesagt: „Das Hauptstück und der Grund des Evangeliums ist, dass du Christus, ehe du ihn zum Vorbild nimmst, zuvor entgegennehmest und erkennest als eine Gabe und ein Geschenk, das dir von Gott gegeben und dein eigen sei… Sieh, wenn du auf solche Weise Christus annimmst als Gabe, dir zu eigen gegeben, und nicht daran zweifelst, so bist du ein Christ. Dieser Glaube erlöst dich von Sünden, Tod und Hölle, macht, dass du alle Dinge überwindest.“[ii] Soweit Martin Luther.
Erst wenn wir in Jesus Christus Gottes Liebe zu uns erkennen, wenn wir mit seinem Tod die Verheißung von Heil und Leben für uns verbinden, wenn wir uns ihm als unserem Erlöser anvertrauen mögen, erst dann können wir versuchen, ihm als Vorbild zu folgen. Denn dann wissen wir, was wir tun! Wie gesagt, erst muss die Basis für christliches Verhalten vorhanden sein. Unser Text hält sie in dem Vers fest mit seiner Aussage, dass Christus unsere Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben.
Sünde ist das, was die Menschen von Gott trennt und ihnen selber schadet. Sünde ist die Dunkelheit, durch die der Mensch sich selber lähmt und sich sein Leben vermiest. Sünde ist tödlich, weil sie uns wegreißt vom Gott der Liebe und des Lebens. Dagegen schreitet Jesus Christus ein. Sein Tod und seine Auferstehung eröffnen uns Leben: Durch seine Wunden seid ihr heil geworden“, sagt der Briefschreiber.
Und, liebe Gemeinde, begeben wir uns auf den Weg des lebenslangen Lernens? Nehmen wir die Mühen, die jedes Lernen bedeutet, auf uns? – Damals zur Zeit des 1. Petrusbriefes herrschte eine große Orientierungslosigkeit bei den Menschen. Woran sollten sie sich halten? An wem sollte sie sich orientieren? Der Briefschreiber erinnert die Christen daran: Ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen. Der christliche Glaube schenkt Orientierung und Halt dadurch, dass sich die Christen an Jesus Christus als an ihrem guten Hirten ausrichten. Auch im Evangelium (Johannes 10,11-16) haben wir davon gehört.
Vielleicht hat der eine oder die andere unter uns leichte Zweifel, ob denn so etwas wie „Nachfolge“ überhaupt noch in unsere Zeit passt. Aber da kann ich sagen: Nachfolge ist „inn“ und schwer angesagt: In unserer digitalen Welt, im Internet also, in den sozialen Netzwerken und beim Kurznachrichtendienst Twitter, da ist alles auf „Nachfolge“ angelegt! In der digitalen Welt hat der „Nachfolger“ natürlich eine englische Bezeichnung und heißt „Follower“: Der „Follower“ bekommt zuverlässig alle Informationen und Nachrichten von dem, dem er anhängt. Warum sollten wir nicht ganz modern sein und uns daran ein Beispiel nehmen? Es gibt die Worte von Jesus Christus, es gibt in Kirche und Gemeinde Menschen, die sie mit uns teilen, es gibt Musik und Kunst, die davon künden. Lasst uns in unserem realen Leben Follower von Jesus Christus sein!
Nachfolge bedeutet
keine Abfolge von Erfolgen.
Nachfolge bedeutet
trotz eigener Misserfolge
einem Erfolglosen Folge zu leisten.
Nachfolge bedeutet
infolge des Kreuzes von der Sünde befreit
ein Verfolger der Liebe zu sein.
Nachfolge bedeutet
gegen die Gefolgschaft der Sünde
Erfolgsaussichten geschenkt zu bekommen –
bis in die Ewigkeit.
AMEN
[i] s. Jan-Dirk Döhling, Vorgabe und Nachfolge, GPM 70/2, Göttingen 2016 (232-239) S.235.
[ii] Martin Luther, Ein kleiner Unterricht, was man in den Evangelien suchen und erwarten soll 1522, in „Erneuerung von Frömmigkeit und Theologie“, Insel-Luther Bd. 2, hg von K. Bornkamm und G. Ebeling, Frankfurt a. Main 1982, S.200/201.