Nachfolge - Predigt zu Lukas 9,57-62 von Kathrin Nothacker
9,57-62

Nachfolge - Predigt zu Lukas 9,57-62 von Kathrin Nothacker

Nachfolge

Liebe Gemeinde,

in diesen Wochen bereiten sich unsere Konfirmandengruppen auf die Konfirmation vor. Diese Vorbereitungen sind von vielen Dingen geprägt: der Feier im Familienkreis, der Auswahl der Kleider, den Einladungen an Verwandte und Freunde. Vielleicht seid ihr Konfirmanden auch schon mitten drin in diesen Vorbereitungen.

Im Unterricht wird aber in diesen Wochen auch über das andere gesprochen, nämlich das, worum es im Kern des Konfirmationsgottesdienstes geht. In diesem verpflichten sich die Konfirmandinnen und Konfirmanden öffentlich und vor Gott, ein Leben in der Nachfolge Jesu zu führen. Es ist eine spannende und große Aufgabe, darüber mit Euch Konfirmanden ins Gespräch zu kommen. Was heißt das: Leben in der Nachfolge Jesu?

Leben in der Nachfolge Jesu – das ist eine Lebensaufgabe für uns alle, die wir uns Christen nennen. Und ganz gewiss immer wieder eine riesengroße Herausforderung.
Jesus ruft uns in seine Nachfolge auch mit dem Bibelwort heute Morgen und dass das kein Spaziergang ist, merken wir gleich.
 Hören wir auf dieses Jesuswort aus dem Lukas-Evangelium:

57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.
59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!
61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.


Obwohl dem einen oder der anderen von uns dieses Wort mit seiner bildhaften Sprache bekannt sein mag; eigentlich ist es ungeheuerlich, was Jesus uns da zumutet. Er mutet uns viel zu, nichts weniger als das, was ich einmal mit den Begriffen Heimatlosigkeit, Pietätlosigkeit und Beziehungslosigkeit beschreiben möchte.
Wer kann so leben? Ohne Heimat, ohne einen Ort, von dem er sagen kann. Hier bin ich zuhause. Hier gehöre ich hin.
Wer von uns kann leben ohne Pietät, ohne dass man den Toten die letzte Ehre erweist, gar dem eigenen Vater? Wer möchte so leben, dass der letzte Dienst, den man an einem Menschen tun kann, diesem nicht mehr erwiesen wird?
Und wer von uns kann und möchte leben ohne Beziehungen, ohne eingebunden zu sein in ein soziales Netz, in das Netz von Familie und Freunden, wer möchte leben ohne menschliche Nähe und Wärme?

Er mutet uns viel zu, unser Herr und Meister. Er ruft in die Nachfolge und redet von Heimatlosigkeit, von Pietätlosigkeit, von Beziehungslosigkeit.
Wir sind versucht zu sagen, das kann er so nicht gemeint haben. Das kann für uns, die wir uns zwar Christen nennen, aber uns eben als ganz normale Christen verstehen, so nicht gelten.

Aber was meinen dann diese Bildworte, die uns immer noch – auch im Jahr 2015 - zur Predigt aufgetragen sind? Was fangen wir mit diesem Jesuswort an, mit diesem radikalen Ruf in die Nachfolge? Was heißt das für Euch Konfirmanden, die ihr in den nächsten Wochen versprecht, in der Nachfolge Jesu leben zu wollen?

Das Wichtigste an diesem Wort ist zuerst einmal: Es geht um Nachfolge. Es geht um Nachfolge Jesu Christi und nicht um einen Ruf zu religiösen Höchstleistungen. Als Ruf in die Nachfolge gilt es aber natürlich auch uns.

Ich möchte versuchen, dieses Jesuswort zu deuten anhand von drei Begriffen, die das Wie dieser Nachfolge definieren. Und es sind drei Gegenbegriffe zu den eben gehörten.
Es geht um Nachfolge, nicht um einen Aufruf zu religiösen Höchstleistungen und als Aufruf zur Nachfolge hören wir den Ruf zur Freiheit, den Ruf zum Leben und den Ruf in eine Zukunft.
Freiheit, Leben, Zukunft – das verspricht uns Jesus, wenn wir uns auf ein Leben mit ihm einlassen.

Zuerst: Der Ruf in die Freiheit:
„Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“

Vielleicht können wir diesem kräftigen Bildwort etwas abgewinnen, wenn wir es nicht nur verstehen als ein Zurücklassen der Heimat, dessen was uns lieb und wert ist. Wenngleich es auch die Erfahrung ist von vielen Menschen, die selbst auf der Flucht waren am Ende des letzten Krieges oder die in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind und noch kommen. Das Wort hat auch etwas mit Heimatlosigkeit zu tun, aber vielleicht vermögen wir es auch zu verstehen als einen Ruf in die Freiheit.

Diese Freiheit ist noch fremd und unheimlich, wir wissen nicht, was sie bringt. Israel hat die sicheren Fleischtöpfe Ägyptens hinter sich gelassen und hat sich auf dem Weg durch die Wüste nicht nur einmal nach ihnen zurückgesehnt. Aber die Israeliten tauschten die Fleischtöpfe ein – am Ende – nach langer mühevoller Wanderung für die Freiheit.
Der Weg in die Freiheit reißt oft heraus aus der häuslichen Geborgenheit und der Sicherheit der vier Wände. Aber am Ende wiegt die Freiheit schwerer als alles Zurückgelassene. Es ist gut, wenn wir uns das immer wieder vergegenwärtigen, wenn wir debattieren über die vielerlei Gründe, weshalb Menschen ihre Heimat verlassen und zu uns flüchten.

Für uns kann dieses Jesuswort aber auch heißen, dass wir die Fesseln der Sorge um unsere Zukunft ablegen.
Es hilft nichts, sich zu sorgen, ob mir die Gesundheit erhalten bleiben wird.
Es hilft nichts, sich zu sorgen, ob unser Geld seinen Wert behält.
Es hilft nichts, sich zu sorgen und sich den Kopf zu zermartern, ob wir unseren Lebensstandard in dieser Form behalten werden.
Das Sorgen an sich hilft nichts. Im Gegenteil: Es knechtet uns und nimmt uns Energien, die wir für anderes besser brauchen können.

Und für uns Christen gilt, was Jesus selbst uns sagt: Sorget nicht um euer Leben. Vertraut darauf, dass Gott euch jeden Tag das gibt, was ihr zum Leben braucht. Und vergesst nie: Der Menschensohn hatte keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen konnte.
Sollten wir da nicht mit dem auskommen können, was wir mehr haben als Millionen Menschen auf dieser Erdkugel?
In Jesu Worten scheint das auf, was wir Freiheit vom Sorgen nennen – und das ist gewiss ein hohes Gut.

Der Ruf ins Leben:
Es mutet seltsam an, wenn Jesus dem, der ihm mit Ernst nachfolgen will, nicht zugesteht, den eigenen Vater zu begraben. „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!“
Nur vordergründig geht es hier um eine Bestattung. Hintergründig sagt Jesus etwas über den Tod und das Leben an sich aus. Jesus will, dass wir uns in seiner Nachfolge dem Leben zuwenden und nicht dem Tod. Er will, dass wir uns verabschieden von einer Kultur des Todes.
Es ist ja so, dass wir uns in unserer Gesellschaft kaum mehr über den Tod unterhalten. Wenn in der Familie ein Todesfall eintritt, so höre ich oft von den Angehörigen: Hätten wir doch mehr über den Tod gesprochen. Vielleicht könnten wir uns dann leichter verabschieden. Aber über den Tod an sich wird nicht gesprochen. So wie die Friedhöfe ganz an den Rand unserer Städte und Gemeinden gerückt sind, so ist auch der Tod zu einem Tabuthema geworden.
Und doch beobachten wir auf der anderen Seite, dass der Tod in unserer Gesellschaft sehr präsent  und sogar dominant ist. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht konfrontiert werden mit den Bildern des Todes: Jeden Tag sterben Menschen; in Syrien, im Irak, in der Ukraine, im Mittelmeer.
Auch die Diskussion um das sogenannte selbstbestimmte Sterben und die aktive Sterbehilfe gehört – bei aller notwendigen Differenzierung – in dieses Feld. Es ist inzwischen immer schwerer geworden, diesen dezidiert christlichen Standpunkt zu verteidigen, dass das Leben schwerer wiegt als der Tod.
Und für unsere Kinder und Jugendliche ist der Tod in den vielen Computerspielen sogar schon zum Spiel geworden. Der Tod ist in unserem Leben allpräsent und eigentlich übermächtig.

Davon müssen wir wegkommen. Lasst die Toten ihre Toten begraben, wir aber wenden uns dem Leben zu! Es gilt, mit aller Macht, das Leben zu schützen. Das ist unsere Aufgabe. So wie es der Tübinger Theologe Eberhard Jüngel formuliert: „Es gilt, Abschied vom Tode zu nehmen – und nicht Abschied vom Leben. Wer Jesus folgt, ist ganz und gar für das Leben da. Und: Arbeit für das Gottesreich ist Abschied vom Tode.“

Und zuletzt: Wir vernehmen einen Ruf in die Zukunft
Zukunft gibt es nur, wenn wir nach vorne blicken. „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“
Das deutet darauf hin, dass es Zukunft nur gibt, wenn die Vergangenheit zurückgelassen wird. Dies ist freilich ein gefährliches Unternehmen. Denn wir wissen, dass es keine Zukunft gibt ohne den Blick zurück in die Vergangenheit und ohne die Erkenntnisse, die man aus der Vergangenheit gewonnen hat. Deshalb ist der Blick nach vorne auch klar zu definieren. Im Wochenpsalm, der diesem Sonntag den Namen gegeben hat, heißt es: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn.“
Das ist der Blick nach vorne. Und wir Christen, die wir mitten in der Passionszeit stehen, blicken nach vorne auf einen Herrn, der ins Leiden, in den Tod ging. Und wir bekennen, dass er das für uns getan hat zur Vergebung unserer Sünden.
Er hat unsere oft so schuldhaft verstrickte Vergangenheit, auch unsere Verstrickung in den Tod auf sich genommen, sie für uns getragen, damit wir den Blick nach vorne tun können, damit uns Zukunft und Leben eröffnet ist. Und dies sage ich auch bewusst in diesem Jahr, in dem wir an das Kriegsende vor 70 Jahren denken.

Schuld und Versagen – so sagt uns der in die Nachfolge rufende Christus - werden nicht unter den Teppich gekehrt, ignoriert oder vertuscht. Schuld und Versagen dürft ihr bei mir, dem Christus Gottes ablegen, ich trage sie ab. „Du aber verkündige das Reich Gottes.“

So ruft er uns in die Nachfolge, dass wir zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Reich Gottes werden. Dass wir uns einsetzen dafür, dass Menschen Zukunft und Leben und Freiheit haben.
Amen.

GOTTESDIENST

Vorspiel
Lied: 390, 1-3 Erneure mich, o ewigs Licht
Votum
Begrüßung
WS: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Lk 9,62)
Psalm 25 (713)  Ehr sei dem Vater
Gebet - Stilles Gebet
Schriftlesung: 1. Kön 19, 1-8
Lied: 394, 1-5 Nun aufwärts froh den Blick gewandt
Predigt: Lk 9, 57-62
Lied: 384 Lasset uns mit Jesus ziehen
Fürbittgebet - Vaterunser
97, 1-5  Holz auf Jesu Schulter
Abkündigungen
97,6  Hart auf deiner Schulter
Segen – Nachspiel