Predigt über 1. Petrus 3, 8-15a von Tobias Geiger
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Predigt über 1. Petrus 3, 8-15a von Tobias Geiger

Es gibt eine Kirche, bei der es ziemlich militärisch zugeht. In der Heilsarmee tragen die Prediger eine Uniform und nennen sich Offiziere. Zwanzig Jahre dauert es, bis ein Prediger zum Major befördert wird. Jeder ist stolz, wenn er endlich die silbernen Abzeichen bekommt. So fühlte sich ein frisch beförderter Major geschmeichelt, als ihn sein Sohn bat: »Kannst Du morgen bitte deine Uniform anziehen? Meine neue Freundin kommt zu Besuch.« »Aber natürlich,« sagte der stolze Vater, »das mache ich gerne. Das Mädchen soll sehen, dass wir einen Major in der Familie haben.« Der Sohn antwortete verlegen: »Ich wollte eigentlich nur, dass sie denkt, wir hätten einen Chauffeur.«
Der Vater bildete sich etwas ein auf die Ausstrahlung seiner Uniform. Doch sein Sohn hoffte auf eine andere Wirkung. Dieses Beispiel können wir auf unser Christsein übertragen. Welche Wirkung hat unser Glaube nach außen? Wie sehen uns unsere Mitmenschen? Was wir für glaubwürdig halten, kommt bei anderen vielleicht ganz anders an.
Der Predigttext aus dem 1. Petrusbrief spricht von den Wirkungen des Glaubens. Die Christen damals standen unter Beobachtung. Sie waren eine Minderheit in den Städten und Dörfern von Kleinasien. Man hat sie ausgelacht und angegriffen, wenn sie von Jesus, dem Sohn Gottes erzählten. Es war nicht leicht, sich in einem heidnischen Umfeld zum christlichen Glauben zu bekennen. Doch der Apostel ermutigt seine Gemeinde zu einem Leben mit Wirkung und Ausstrahlung. Wir hören einen Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief Kapitel 3:
Euch allen sage ich: Seid gleich gesinnt, habt Mitleid, liebt einander als Brüder und Schwestern, seid barmherzig und demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort. Sondern segnet eure Beleidiger, weil Gott euch dazu berufen hat, seinen Segen zu empfangen.
Christsein, das Wirkung zeigt. In wenigen Worten fasst der 1. Petrusbrief eine Fülle an Gedanken zusammen. Wir wollen diese Verse Schritt für Schritt miteinander durchgehen.
Die erste Überschrift:
Nicht gleichgeschaltet, aber gleich gesinnt
»Seid gleich gesinnt« – so fordert uns der Apostel auf. Für manche hat dieses Wort einen Beigeschmack. Wie war das vor 25 Jahren in der ehemaligen DDR? Da mussten alle die gleiche Gesinnung haben, da ging es nach dem Motto »Die Partei, die Partei, die hat immer recht ...«. Sollen wir in der Kirche unsere eigene Meinung an der Eingangstür abgeben? Doch gleich gesinnt bedeutet nicht gleichgeschaltet. In den Hauskreisen unserer Kirchengemeinde können Sie erleben, welche Vielfalt unter Christen möglich ist. Lassen Sie mich das Wort »gleich gesinnt« passend zur aktuellen Europameisterschaft mit einem Vergleich aus dem Sport erklären. In einer Fußballmannschaft gibt es verschiedene Spieler: Verteidiger, defensive und offensive Mittelfeldspieler, Stürmer und natürlich den Torwart. Aber alle wollen das Gleiche: Das Spiel zu gewinnen. So stelle ich mir auch die Gemeinschaft der Christen vor. Entscheidend ist nicht die Verschiedenheit, sondern das gemeinsame Ziel. Wo wir uns darin einig sind, da können wir aufeinander Rücksicht nehmen, da können wir auch andere Meinungen stehen lassen.
Aber wenn unter Gleichgesinnten alles gleich gültig wird, entsteht schnell Gleichgültigkeit. Die Einheit darf nicht zu einem Einheitsbrei werden oder auf Kosten der Wahrheit gehen. Es ist gefährlich, um des lieben Friedens willen zu allem Ja und Amen zu sagen. Unsere menschlichen Meinungen müssen sich am Maßstab der Bibel messen lassen. Gottes Wort setzt Grenzen. Das ist unbequem in einer Gesellschaft, für die Toleranz der höchste Wert ist und die es jedem freistellt, nach seiner Fasson selig zu werden. Von der Bibel her sind wir gefordert, klare Standpunkte zu vertreten. Für das Gleich gesinnt sein gibt es keine bessere Grundlage als das Wort Gottes.
Wir kommen zum zweiten Gedanken:
Mitleid, Liebe und Barmherzigkeit – ein wirkungsvolles Trio
In einem Zeitungsartikel fand ich ein Beispiel für Mitleid, Liebe und Barmherzigkeit. Der Unternehmer Heinz-Horst Deichmann besitzt die größte Schuhhandelskette Europas mit 1700 Filialen. Er erzählte, wie er vor mehr als 30 Jahren auf einer Geschäftsreise nach Indien einer Gruppe von Leprakranken gegenüberstand. »Es war ein schrecklicher Anblick, kranke und entstellte Menschen zu sehen. Da wurde mir schlagartig klar, dass Jesus diesen Anblick auch ausgehalten hat. Und ich musste daran denken, wie er sich der Kranken angenommen und ihnen geholfen hat. Ich habe es als Auftrag empfunden, mich um diese Menschen zu kümmern.« An diesem Beispiel wird deutlich, wie aus einem Gefühl des Mitleids durch die Liebe Gottes helfende Barmherzigkeit wird. Seitdem unterstützt der erfolgreiche Geschäftsmann in großem Umfang missionarische und soziale Projekte. Er sagt: »Ich erlaube mir nicht jeden Luxus, der möglich wäre. Menschen zu helfen ist für mich viel befriedigender als mein Geld im Spielcasino loszuwerden.« Natürlich kann man jetzt leicht sagen: So ein Millionär hat es leicht mit Mitleid und Barmherzigkeit. Dem tut es nicht weh, ein paar Euro abzugeben. Doch es geht nicht nur ums Geld. Mitleid und Barmherzigkeit haben viele Gesichter. Der Besuch bei einem Kranken. Der Einkauf für die alte Nachbarin. Das Gespräch mit dem schwierigen Arbeitskollegen, den alle anderen links liegen lassen. Wer die Liebe Gottes im Alltag leben will, findet dazu viele Möglichkeiten.
Eines ist mir in diesem Zusammenhang besonders aufgefallen. Der Predigttext sagt: »Liebt einander als Brüder und Schwestern.« In einem Sprichwort heißt es: »Freunde kann mansichaussuchen,aberdieFamiliemussmanaushalten.« Da ist was Wahres dran. Die Menschen in meiner engsten Umgebung sind nicht immer so, wie ich mir das wünsche. Wie gut, wenn wir mit Fehlern und Schwächen barmherzig umgehen können! Das ist die Wirkung der Liebe Gottes: Wir können Kränkungen vergeben, Vorwürfe vergessen, einander neu in die Augen sehen. Wo wir uns von dem Trio Mitleid, Liebe und Barmherzigkeit leiten lassen, da wird unser Christsein wirkungsvoll und bekommt Ausstrahlung.
Die dritte Überschrift: Vergeltet nicht Böses mit Bösem
Was die Bibel hier sagt, widerspricht dem so genannten gesunden Menschenverstand. Schon im Kindergarten gilt: »Das darfst du dir nicht gefallen lassen! Schlag´ zurück, wehr dich, sonst ziehst du den Kürzen!« Als Erwachsene schließen wir für teures Geld eine Rechtsschutzversicherung ab, damit wir für jeden Streitfall gerüstet sind. Das Zurückschlagen liegt uns im Blut. Wir wollen nicht nachgeben, wir müssen uns behaupten, koste es, was es wolle. Doch in der Bergpredigt hat Jesus einen anderen Weg gezeigt. »Liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen.« Ist das überhaupt menschenmöglich? Wird man da nicht von allen ausgenutzt und kommt unter die Räder? Als Christen glauben wir daran, dass Jesus diese Worte ernst gemeint hat. Wir vertrauen darauf, dass sein Weg für uns gut ist. Wir haben die Hoffnung, dass Gottes Liebe am Ende stärker ist als Zorn und Gewalt. Mit dieser Hoffnung im Herzen kann ich auch einmal auf mein Recht verzichten. Da muss ich nicht mit gleicher Münze zurückzahlen und Böses mit Bösem und Scheltwort mit Scheltwort vergelten. Sondern da wir Vergebung möglich. Da wirkt Gott durch mich und verändert meinen Alltag.
»Vergeltet nicht Böses mit Bösem.« An dieser Aufforderung haben wir Christen ein Leben lang zu lernen und zu üben. Doch wo es uns gelingt, da leuchtet das Licht Gottes auf. In Indien haben fanatische Hindus vor Jahren einen grausamen Mord begangen. Ein australischer Missionar wurde mit seinen Söhnen in einem Geländewagen verbrannt. Die Ehefrau des Getöteten erregte großes Aufsehen, als sie den Mördern öffentlich vergab. Ihre Worte der Versöhnung hinterließen in Indien einen tiefen Eindruck. Ein hinduistischer Reporter sagte: »Wenn so das Christen­tum ist, dann sollten wir alle Christen werden.« Durch ihre Bereitschaft zur Vergebung hat diese Frau das sinnlose Sterben ihrer Familie in ein Zeichen der Hoffnung verwandelt. Hass zerstört, doch Vergebung ermöglicht neues Leben. Das ist die Wirkung, die von uns Christen ausgehen soll.
DerletzteGedanke:
Segen empfangen und Segen weitergeben
Diese Überschrift ist wichtig, damit die Aufforderungen des Apostels nicht zur Überforderung werden. Wir müssen die Wirkungen des Glaubens nicht aus uns selbst machen. Sondern als Christen sind wir von Gott dazu berufen, seinen Segen zu empfangen. Segen – damit wird die Kraft beschrieben, mit der Gott in die Welt hineinwirkt. Wenn Sie einen Magneten in die Hand nehmen, dann ist das auf den ersten Blick nur ein Stück Metall. Doch wenn irgendwo ein Eisennagel liegt, dann werden Kräfte und Wirkungen sichtbar. Der Nagel dreht sich in Richtung auf den Magneten oder wird sogar zu ihm hingezogen. Und nachdem der Nagel in diesem Kraftfeld war, gehen auch von ihm magnetische Wirkungen aus. Ganz ähnlich funktioniert auch das Christsein. Durch seinen Segen richtet Gott unser Leben auf sich aus. Wir können nicht in der alten Richtung weitermachen, sondern müssen uns verändern. Doch im Kraftfeld Gottes geht von unserem Leben Wirkung aus. Den Segen, den wir empfangen, können wir weitergeben. Wenn wir so in der Gegenwart Gottes leben, dann werden auch die Worte des Predigttextes bei uns wirken. »Euch allen sage ich: Seid gleich gesinnt, habt Mitleid, liebt einander als Brüder und Schwestern, seid barmherzig und demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort. Sondern segnet eure Beleidiger, weil Gott euch dazu berufen hat, seinen Segen zu empfangen.«