Predigt über Galater 2, 16-21 von Elke Markmann
2,16

Predigt über Galater 2, 16-21 von Elke Markmann

Predigt zu Gal 2, 16-21
Was muss ich tun, damit ich eine gute Christin oder ein guter Christ bin?
  So habe ich in den letzten Tagen einige Christenmenschen gefragt.
  Eine antwortete: „Da, wo ich aufgewachsen bin, in einem kleinen Dorf, mussten wir jeden Sonntag in die Kirche gehen!“
  Ein anderer: „Am Sonntag keinen Rasen mähen! Keine Wäsche auf die Leine, keine Gartenarbeit und natürlich auch nicht putzen oder so.“
Sind das wirklich die Voraussetzungen dazu, ein guter Christ, eine gute Christin zu sein?
Eine andere Antwort lautete: „Wenn ich mich immer um andere kümmere – dann bin ich eine gute Christin.“
Was antworten Sie auf diese Frage: „Was muss ich tun, damit ich eine gute Christin oder ein guter Christ bin?“
Auf diese Frage gibt es immer wieder andere Antworten.
  Luther beispielsweise ging ins Kloster, um Gott mit seinem ganzen Leben zu dienen. Andere kauften Ablassbriefe, damit all das, was nicht dazu gehörte, ein guter Christ zu sein, keine oder zumindest weniger Wirkung auf das Leben nach dem Tod hatte.
In reformierten Gemeinden in den Niederlanden durfte man als guter Christ keine Gardinen in den Fenstern hängen haben – weil gute Christen nichts zu verbergen haben.
Es gibt viele Regeln für das Christsein. Aber sie hängen immer mal wieder von den Zeiten und den Umständen ab. Auch die unterschiedlichen christlichen Kirchen haben keine einheitliche Antwort darauf.
Diese Unsicherheit ist so alt wie das Christentum. In den Briefen des Paulus finden wir viele Zeugnisse für diese Auseinandersetzungen darum, was dazu gehört, ein guter Christ zu sein.
Paulus war zunächst ein eifriger Gegner des Christentums gewesen. Als er nun das Christentum lehrte, zog er durch viele Gemeinden. Er erzählte von dem, der ihm bei seiner Bekehrung begegnet war. Dabei war er so überzeugt und überzeugend, dass sich viele diesem neuen Glauben anschlossen. Solange Paulus bei ihnen war, konnten sie fragen und diskutieren. In den Gemeinden sammelten sich Judenchristen und sogenannte Heidenchristen. Es kamen also die, die zuvor jüdische Gesetze eingehalten hatten. Aber dazu kamen eben auch welche, die vorher etwas ganz anderes geglaubt hatten und von Beschneidung oder Speisevorschriften noch nie etwas gehört hatten. Und das war für alle in Ordnung. Paulus hatte das auch mit den Aposteln in Jerusalem so abgesprochen.
Sobald Paulus eine Gemeinde für gefestigt genug hielt, zog er weiter, um anderen zu ihrem Glauben zu helfen.
Im Brief an die Gemeinden in Galatien beschreibt Paulus sehr genau die Schwierigkeiten, die es dann aber doch gab. Er war weg, andere Prediger kamen und erzählten von Jesus. Sie aber forderten, dass sich die junge christliche Gemeinde an jüdische Gesetze zu halten hatte: Beschneidung und Einhaltung der Speisevorschriften wurden plötzlich wichtig, um Christ sein zu können. Die Mahlgemeinschaft, die vorher möglich war, war nun nicht mehr möglich.
Was mussten sie denn nun tun, um gute Christen und Christinnen zu sein? So fragten sie Paulus, weil sie verunsichert waren.
Auf diese Schwierigkeiten antwortet Paulus in seinem Brief an die Gemeinden in Galatien. Ich lese unseren Predigttext, der im 2. Kapitel des Briefes steht, in den Versen 16 bis 21:
15 Wir sind zwar von Geburt Juden und nicht Sünder wie die Heiden.
  16 Weil wir aber erkannt haben, dass der Mensch nicht durch Werke des Gesetzes gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir dazu gekommen, an Christus Jesus zu glauben, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird niemand gerecht.
  17 Wenn nun auch wir, die wir in Christus gerecht zu werden suchen, als Sünder gelten, ist dann Christus etwa Diener der Sünde? Das ist unmöglich!
  18 Wenn ich allerdings das, was ich niedergerissen habe, wieder aufbaue, dann stelle ich mich selbst als Übertreter hin.
  19 Ich aber bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich für Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt worden;
  20 nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat.
  21 Ich missachte die Gnade Gottes in keiner Weise; denn käme die Gerechtigkeit durch das Gesetz, so wäre Christus vergeblich gestorben.
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift
Ein schwieriger Text, wie ich finde. Ich will es mal in meinen Worten versuchen:
Ich werde nicht durch Jesus befreit, indem ich die Gebote und Gesetze einhalte.
  Die Liebe und die Treue Jesu zu den Menschen allein sind Grund für uns, dass wir von Gott angenommene Christenmenschen sind. Dafür müssen wir keine Vorschriften erfüllen.
  Wer weiter nach den jüdischen Gesetzen und Geboten lebt, traut der befreienden Kraft Jesu nicht. Ich bin von Gott geliebt – so sehr, dass er durch das Kommen seines Sohnes Jesus Christus uns vom Gesetz befreit hat.
Dies zu verstehen, war zu allen Zeiten schwierig. Es war genau diese Schwierigkeit, die auch Luther zu schaffen machte. Er versuchte es im Gebet, im Dienst für Gott innerhalb der Klostermauern. Er fastete und las unentwegt in den biblischen Schriften. Und doch hatte er das Gefühl, nicht genug zu tun, nicht gut genug zu sein für diesen so unendlich guten Gott. Was er auch tat – nie hatte er das Gefühl, dass es genug war.
Seine Erkenntnis der Rechtfertigung durch Gott war für ihn der Durchbruch. Er erkannte dies zwar nicht an unserer Bibelstelle, sondern an einer Stelle aus dem Brief an die Gemeinde in Rom. Aber im Grunde geht es um das Gleiche: Ich muss kein Gesetz erfüllen, um von Gott geliebt zu werden.
In unserem Predigttext geht Paulus sogar noch weiter:
  Ich muss kein Gesetz erfüllen, um von Gott geliebt zu werden. Wenn ich aber dann doch meine, Gesetze erfüllen zu müssen, dann glaube ich Gott nicht. Dann traue ich seiner Liebe nicht. Dann habe ich im Grunde nicht verstanden, worum es Jesus ging – worum es Gott mit der Auferstehung seines Sohnes ging.
Und dann, wenn ich also trotzdem meine, Gesetze einhalten zu müssen, ist Christus umsonst gestorben.
Heißt das jetzt, dass wir uns an keine Regeln halten müssen?
  Natürlich nicht! Aber wir müssen schon genau hinsehen, worum es geht. Es hängt nicht vom wöchentlichen Kirchgang ab, ob ich von Gott geliebt bin.
Es hängt nicht von den fehlenden Gardinen vor den Fenstern ab, ob ich Jesus Christus als meinen Befreier erkenne.
Es hängt nicht von der Sonntagsruhe ab, ob ich ein guter Christ oder eine gute Christin bin.
Solche Gesetze regeln sozusagen das Äußerliche. Inhaltlich lassen sich diese Gesetze und Gebote alle gut begründen. Aber wer die Regeln einhält, ohne sie inhaltlich zu leben, ist vergleichbar mit dem Pharisäer, vom dem wir in der Lesung gehört haben.
Natürlich gibt es ein Gebot, das für uns alle gilt. Jesus antwortet auf die Frage nach dem höchsten Gebot:“ Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr.
  30 Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.
  31 Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“ (Mk 12, 30f)
Es geht um die Liebe Gottes zu den Menschen. Es geht um die Liebe der Menschen zu Gott. Daraus erwächst die Liebe der Menschen untereinander. Dann kann ich auch am Sonntag den Rasenmäher aus lassen, um mir und dem Nachbarn einen Tag der Erholung zu gönnen, den wir beide brauchen.
  Dann kann ich auch wöchentlich in die Kirche gehen, um mit anderen gemeinsam zu singen und zu beten und über Gott nachzudenken.
Es ist allerdings sehr wichtig, dass es nicht um den Buchstaben des Gesetzes, sondern um die Liebe geht. „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr.
  30 Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.
  31 Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Dann bin ich ein guter Christ oder eine gute Christin!
  Amen.