Predigt über Jesaja 25, 8-9 von Elisabeth Tobaben
25,8

Predigt über Jesaja 25, 8-9 von Elisabeth Tobaben

Liebe Gemeinde!
  Bitte werfen Sie doch noch einmal einen Blick auf unsere Osterkerze hier vorn am Taufbecken!
  Sie wird nun wieder in den Gottesdiensten brennen, bei allen Hochzeiten und Taufen, an ihr entzünden wir die Taufkerzen für die Täuflinge und die Hochzeitskerzen.
  Aber sie brennt aber auch bei Trauerandachten, in –Stunden, in denen wir es vielleicht am nötigsten haben, an den Grund unseres Glaubens erinnert zu werden: Christus ist auferstanden, ist A und O, Anfang und Ende.
  Ostern feiern wir es und inszenieren den Jubel und die Freude in unserer Liturgie!
  Nach langem Schweigen erklingt wieder das Gloria, „Ehre sei Gott in der Höhe;“
  Nach dem kargen Karfreitag ist die Kirche wieder festlich geschmückt, Orgel und Glocken erklingen festlich und wir singen Lieder mit viel „Halleluja“
  „Lasst jubeln und fröhlich sein über sein Heil.“ Dieser Satz steht in einem uralten, vielleicht sogar jahrtausende alten Lied, das in der Bibel überschrieben ist mit: Danklied der Erlösten.
  
  Und Christen haben irgendwann - noch einmal viel später- entdeckt, dass die Verse, mit denen Menschen lange vor Christus ausgedrückt hatten, was sie empfanden, auch genau auf ihre Osterfreude passten. Wir haben also heute interessanterweise einen alttestamentlichen Text zum Osterfest!
  
  Jesaja 25, 8-9
  8. Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott, der Herr, wird die Tränen von allen Augen abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volkes in allen Landen;  denn der Herr hat’s gesagt.
  9. Zu der Zeit wird man sagen: „Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der Herr, auf den wir hofften;
  lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.“
  
  Die Menschen, die Jesajas Texte hörten, wussten natürlich noch nichts von Ostern, vom auferstandenen Christus.
  Wie sollten sie auch, lebten sie doch lange vor Christus.
  Aber sie müssen auch in einer besonders bedrückenden Lage gewesen sein.
  Man weiß allerdings nicht sicher, aus welcher Zeit genau das Lied stammt. Die Wahrscheinlichkeit ist aber groß, dass es damals entstand, als Israel gerade aus der Verschleppung in Babylonien zurückgekehrt, enttäuscht, tief gekränkt und unter großen Verlusten.
  Alles mag ihnen düster und aussichtslos vorgekommen sein, deprimierend und gänzlich ohne Hoffnung.
  Sie hatten sich zu viel versprochen von dieser Rückkehr!
  Der Tempel noch immer in Schutt und Asche, kaum noch einer erkennt sie überhaupt wieder...
  Es könnte gut sein, dass diejenigen, die die Prophetenworte von Jesaja gesammelt und zusammengestellt haben, sozusagen mit einem modernen Lied kommentiert und gedeutet haben.
  Es kann auch sein, dass es beim Vortragen der Prophetenworte vorgetragen oder gemeinsam gesungen worden ist!
  Es setzt gegen die Hoffnungslosigkeit den Jubel, gegen die Traurigkeit die Freude.
  Und es klingt überhaupt nicht „aufgesetzt“ - man merkt, dass Jesaja weiß, wovon er redet.
  Wer weiß, vielleicht hätte er im Grund auch lieber ein Klagelied angestimmt!?
  Steckt er doch mitten drin in dieser schwierigen Rückkehrgeschichte.
  Doch: er kann über den Horizont hinaus blicken.
  Gott hat ihn einen Blick in den Himmel tun lassen, auf das, was noch in ferner Zukunft vor ihnen liegt.
  Es ist ausgesprochen geschickt gemacht!
  Keine Plattheiten, keine Appelle oder Ermahnungen im Sinne von „Kopf hoch, das kriegen wir schon hin;  Jetzt aber mal ran!“
  Jemand, der in Resignation versunken oder gerade sehr traurig und enttäuscht ist, reagiert auf solche Kraftakte naturgemäß mit noch mehr Resignation.
  Nicht weil er zu lahm ist oder nicht will, sondern weil wirklich einfach die Kraft fehlt. Es geht nicht mehr.
  Es sei denn, der Appell erwischt ihn an einem Punkt, an dem er noch genügend Kräfte hat, wütend zu werden darüber.
  Dann kann es geschehen, dass er zu einem „Jetzt-erst-recht“ kommt, „Dem werden wir’s schon zeigen!“ Und alle restlichen Kräfte werden mobilisiert.
  
  Es könnte aber auch sein, dass Jesaja ein altes Lied singt, ein vermutlich allen bekanntes Lied. Wie auch immer: jedenfalls geht es zu Beginn (V. 1f.) auch um Erinnerung!
  Denkt doch mal dran, sagt es:
  Wie war das denn früher? Hat da nicht Gott auch schon geholfen?
  Uns neue Wege eröffnet, Tränen abgewischt?
  Und eines Tages werdet ihr –wieder- sagen: Er, der Herr, ist unser Gott! Auf ihn hatten wir unsere Hoffnungen gesetzt!
  Diese Aussicht ist für Jesaja schon Grund zum Jubeln und zur Freude.
  Er ist zuversichtlich und gewiss: Gott wird seine Verheißungen erfüllen.
  
  Gestern haben wir gefeiert, dass Gott zu seinen Verheißungen steht.
  Durch die dunkle Nacht haben wir das Licht getragen, die winzige Flamme der Osterkerze zuerst.
  Wenn sich dann das Licht von der Osterkerze her ausbreitet  über die ganze Kirche –durch die Lichter der Mitfeiernden-, ist das immer ein besonders eindrückliches Zeichen dafür, dass die Osterbotschaft und die Osterfreude Zeit brauchen, um sich auszubreiten.
  Nicht wie ein Lauffeuer breitet sie sich aus, wie ein Waldbrand, gegen den man sich als Laie kaum wehren kann, der einen auffrisst, gegen den eine fachkundige Brandbekämpfung nötig ist, damit nicht alles vernichtet wird;
  Nein, die Osterfreude breitet sich aus wie die bewusst und vorsichtig verantwortet weitergegebene kleine Flamme.
  Bringt Wärme und Licht, Rettung und Hoffnung, Auferstehung.
  Bei denen, die dem Auferstandenen begegnen, ist meist zuerst der Schrecken groß, schon in der Bibel:
  bei den Frauen etwa, die am Ostermorgen zum Grab kommen. Der Evangelist Markus erzählt, dass sie vor Entsetzen zittern, und sich überhaupt nicht trauen, jemandem zu erzählen, was sie erlebt haben.
  Vielleicht haben sie im ersten Moment selbst geglaubt, ihre überreizten Nerven hätten ihnen einen Streich gespielt? Es wäre kein Wunder, nach den Strapazen!
  bei den Jüngern; die beiden, die schon auf dem Weg zurück nach Hause, nach Emmaus gewesen waren, sind zurück in Jerusalem, haben gerade den andern erzählt, was sie mit dem Auferstandenen erlebt haben, wie sie ihn erkannten, als er das Brot brach, da kommt Jesus und tritt in den Kreis. Und was geschieht? „Sie erschraken und fürchteten sich“ heißt es bei Lukas.
  Manchmal denke ich, dass hinter all der modern- aufgeklärten Skepsis unserer Tage auch nichts anderes steckt als dieses Erschrecken und Entsetzen!
  Mein Verdacht ist ja immer, dass die, die sagen: „Kann ja gar nicht angehen, wir sind ins All geflogen, aber Gott haben wir nicht gesehen...“ sich mit solchen und ähnlichen Sätzen selbst zu  schützen versuchen!
  Schützen vor der Ahnung, dass kein Stein auf dem andern bleiben würde in ihrem Denkgebäude, wenn sie sich auf den Gedanken von der Auferstehung einlassen würden; oder besser: auf den Auferstandenen!
  Denn die einfachste Folgerung ist ja die: ist Christus auferstanden, dann hat er alle Grenzen von Zeit und Raum gesprengt, und dann  ist mit seiner Gegenwart auch jetzt und hier zu rechnen.
  Dann behält seine Gültigkeit, was er gelebt und gesagt hat, auch das Aufrüttelnde und Provozierende.
  Oder was ist beispielsweise mit: „Tut wohl denen, die euch hassen...?“
  Oder: „Lass deine rechte Hand nicht wissen, was die Linke tut“
  Oder: „Sorget nicht für euer Leben...“
  Alles Sätze, bei denen man über jeden einzelnen abendfüllende Gespräche führen oder seitenlange Abhandlungen schreiben könnte!
  Da wird einem schnell deutlich, dass es mitunter einfacher, jedenfalls bequemer sein kann, sich hinter (angeblich) moderner Skepsis zu verschanzen und dem Anspruch Jesu auszuweichen.
  Nur: mit dem Anspruch geht auch zugleich der Zuspruch verloren!
  Und die Fähigkeit, sich zu freuen, ausgelassen fröhlich das geschenkte Heil zu feiern;
  
  Jesaja hatte sich gewünscht, dass der Jubel und die Fröhlichkeit anstecken würden, ein Vorschein auf „jenen Tag“ – an dem Gott den Tod vernichten und die Tränen abwischen wird.
  Es ist übrigens interessant, zu hören, was da noch alles passiert in dieser phantastischen Zukunftsvision, weil es unseren Blick noch einmal weitet: dieser große Tag beginnt nämlich mit einem Festmahl für alle Völker auf dem Zionsberg:
  
  6. Der Herr der Heere wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit besten, erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen, mit besten, erlesenen Weinen.
  7. er zerreißt auf diesem Berg die Hülle, die alle Nationen verhüllt, und die Decke, die alle Völker bedeckt.
  8. Er beseitigt den Tod für immer. Gott, der Herr, wischt die Tränen ab von jedem Gesicht. Auf der ganzen Erde nimmt er von seinem Volk die s
  Schande hinweg. Ja, der Herr hat gesprochen.
  9. An jenem Tag wird man sagen: Seht, das ist unser Gott, auf ihn haben wir unsere Hoffnung gesetzt, er wird uns retten.
  Amen.
  
  Fürbittengebet
  Gott, es tut uns gut zu hören, dass du stärker bist als der Tod.
  Wir bitten dich,
  mach uns stark im Glauben an deine Zusage,
  wenn wir umfangen sind vom Tod mitten im Leben,
  wenn unsere Zweifel die Hoffnung zu ersticken drohen,
  wenn wir keinen Ausweg sehen.
  Gott, es tut uns gut zu hören, dass du vom Tod ins Leben führst.
  Wir bitten dich,
  hilf uns Wegweiser zum Leben zu sein,
  wo Versöhnung nicht möglich scheint,
  wo verhärtete Fronten zu Sprachlosigkeit führen,
  wo das Streben nach Profit blind macht.
  Gott,
  es tut uns gut zu hören, dass dein Sohn von den Toten auferstanden ist.
  Wir bitten dich, hilf uns, von Ostern zu erzählen,
  denen, die von ihrer Trauer überwältigt werden,
  denen ihre Einsamkeit zur Sackgasse wird,
  denen, die keine Perspektive sehen.
  Gott, du bist der Weg, die Auferstehung und das Leben.
  
  Vater unser im Himmell...