Predigt über Johannes 5, 19-21 von Rudolf Rengstorf
5,19

Predigt über Johannes 5, 19-21 von Rudolf Rengstorf

Liebe Gemeinde!
Zwei Nachtgottesdienste feiern wir im Jahr. In der Christnacht wird die aus dem Dunkel kommende Gemeinde vom warmen Glanz des Christbaums empfangen. Und das hat seinen guten Grund, denn Weihnachten kommen wir sozusagen nach Hause. Dahin wo wir Kinder waren und es immer noch sind als Töchter und Söhne Gottes. Weihnachten knüpft immer an das an, was wir an Erinnerungen und Sehnsucht mitbringen, in uns tragen. Und deshalb werden wir zu Recht in der Kirche vom warmen Licht empfangen.
Ganz anders ist das in der Osternacht. Die Kirche liegt im Dunkel. Man stolpert eher hinein, hat Mühe, sich zurechtzufinden.  Und unheimlich ist, was wir im Dunkeln zu hören bekommen. Sündenfall und Sintflut. Wir - so wird deutlich - leben in einer Welt, die sich von Gott entfernt hat und in der Menschen im Dunkel von Hunger und Kriegen, von
Seuchen unheilbaren Krankheiten verschwinden. Und Gott? Er lässt noch etwas spüren von seiner fürsorglichen Schöpfermacht im Wechsel von Sommer und Winter, Frost und Hitze, Tag und Nacht. Kein Wunder, dass viele Mensche sich - wenn irgendwo - dann in der Natur mit Gott verbunden fühlen und sich einig erleben im Ahnen einer höheren Macht, die das alles in Gang hält und durchwaltet. Andere sehen in dem großen Kreislauf von Werden und Vergehen Gesetzmäßigkeiten, die jeden göttlichen Zauber verloren haben.
Doch egal wie wir zur Natur stehen - das Geheimnis des Menschen vermag sie uns nicht zu entschlüsseln. So gewiss wir für eine Zeitlang an dem Werden und Vergehen teilnehmen, den Frühling, die Sonne, die länger werdenden Tage genießen, so gewiss fallen wir da auch raus. Weil so vieles unumkehrbar, endgültig, nicht wiederholbar ist in unserem Leben - und am Ende gilt das für unser Leben als ganzes - im Tod. Undurchdringliches Dunkel kommt auf uns zu und umfängt uns oft genug schon mitten im Leben: ein Dunkel auf das kein Sonnenaufgang folgt; eine Aussichtslosigkeit, die uns niemand zu erhellen vermag, weil jeder – auch der Gescheiteste - den Abbruch seines Lebens noch vor sich hat.
Und doch erleben wir in der Osternacht, wie das Dunkel immer mehr erhellt wird - nicht nur, weil draußen die Sonne aufgeht.,Vielmehr verbreitet sich ein Licht, das Jesus Christus heißt. Er hat - so hören wir  - Licht gebracht in das Dunkel des Todes, weil er im Tod zum Leben erweckt wurde - auferstanden ist. Aber woher weiß ich, dass das stimmt? Dass wir uns das nicht nur einreden und uns mit den Lichtern in der Nacht hier etwas vormachen? Auferstehung - wo bekomme ich etwas davon mit? Wo berührt und erhellt das mein Leben?
Eine Antwort auf diese Fragen finde ich in den folgenden Sätzen im 5. Kapitel des Johannesevangeliums
Jesus sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn. Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut, und wird ihm noch größere Werke zeigen, sodass ihr euch verwundern werdet.Denn wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will.
"Jesus sprach" - damit geht Ostern los. Wie Gott am Anfang sprach in Dunkel und Chaos, so sprach Jesus in der Nacht des Lebens. An den Kleinen und Hilflosen ist er nicht achselzuckend vorübergegangen, sondern er hat Gott in ihr Leben hineingesprochen. Einen Gott, der nicht als irgendein höheres Wesen unbeteiligt über uns schwebt, sondern der ein
Herz hat gerade für die Menschen im Dunkeln und der sie allem Augenschein zum Trotz selig spricht und ihnen den Himmel erschließt. Das war und ist es noch immer - unerhört. So eindeutig ist Gott nie zuvor und in keiner anderen Religion danach mit dem Leben von Menschen in Verbindung gebracht, nach denen auf Erden kein Hahn mehr kräht.
Doch - so sieht es zunächst aus - das hat ja auch nicht lange gedauert. Ein Mensch, der so konkret, so persönlich und verbindlich von Gott sprach, der passte nicht in diese Welt, weil er damit alles durcheinander brachte. Und sehr bald war er selber zu einem Menschen geworden, für den es keine Aussicht mehr gab, als er am Kreuz von der Nacht des Todes verschlungen wurde.


Aber - dieses Licht Jesus Christus ist nicht verlöscht. Denn so wie er gesprochen hat, so spricht er immer noch. Bis heute hören Menschen auf seine Worte und lassen sich von ihnen trösten, aufrichten, anstiften. Und das obwohl man in der Geschichte alles getan hat, um ihn zum Schweigen zu bringen. Obwohl totalitäre Machthaber ihn niedergebrüllt, Wissenschaftler ihm den Mund verboten, ja auch Päpste, Priester und Pastoren ihm das Wort im Mund umgedreht, mit ihm Angst gemacht, seine Worte in Langeweile und Belanglosigkeiten erstickt haben - und wer von uns wäre nicht hier oder da an der Verbreitung von Missverständnis seiner Botschaft beteiligt gewesen!

Trotz alledem: er spricht. Seine Worte sind nicht tot zu kriegen. Er spricht nach wie vor Gott hinein in das Dunkel des Lebens und in die Nacht des Todes - immer wieder neu. überraschend und so überzeugend, dass Menschen, die einmal angesprochen sind von ihm, ein deutliches Bild von ihm vor Augen haben und Antwort wissen auf die Frage: was würde Jesus jetzt tun? Und da brauchen sie sich von keinem Theologen belehren zu lassen.
Woher kommt diese unglaubliche Widerstands- und Lebenskraft seiner Worte - wenn nicht daher, dass Gott der Botschaft Jesu recht gibt und Dir und mir zusagt: Dein Leben kommt nicht nur aus meiner Hand, ich habe nicht nur mit deiner Herkunft, mit deiner Kindheit, deinem Zuhause zu tun. Ich habe auch mit deiner Zukunft zu tun. Wenn dein Leben sich verdunkelt, bin ich dein Licht. Wenn du am Ende bist, bin ich dein Anfang. Wenn der Tod nach dir greift, bin ich dein Leben. Darum: Frohe Ostern!
Amen.

Perikope
Datum 30.03.2013
Bibelbuch: Johannes
Kapitel / Verse: 5,19
Wochenlied: 99
Wochenspruch: Offb 1,18