Predigt über Lukas 14, 16-24 von Peter Schuchardt
14,16

Predigt über Lukas 14, 16-24 von Peter Schuchardt

16 Jesus erzählt dieses Gleichnis: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.
  17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!
  18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
  19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
  20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.
  21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.
  22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.
  23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.
  24 Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.  (Lukas 14, 16-24)
  
  
Liebe Schwestern und Brüder!
„Heute geschlossene Gesellschaft!“: so kann man es ab und zu an der Tür eines Restaurants lesen, wenn man abends auf der Suche nach einem Lokal durch die Stadt wandert. Sei es eine Familienfeier, seine es Prominente, die lieber unter sich bleiben wollen,  die Botschaft ist klar. „Du kommst hier nicht rein!“ Manchmal erwischt man einen Blick durch die Scheiben ins Lokal und denkt bei der fröhlichen Stimmung: „Da wäre ich gerne dabei!“, vor allem, wenn man Hunger hat und nun weiter nach Essen suchen muss. Die dampfendes Speisen, alles schön zubereitet und angerichtet: das alles wirkt einladend, und man wäre gern dabei, wenn nicht das Schild den Zugang verwehrte: „Heute geschlossene Gesellschaft!“
Ganz anders klingt das Wort Jesu, das über unserer neuen Woche steht: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.“ Das ist seine große Einladung an die Welt und an uns. Wir dürfen zu ihm kommen, mit allem, was uns belastet, mit den tonnenschweren Sorgensteinen, die uns den Atem nehmen und mit den Seelenqualen, für die wir sonst keinen anderen Ort wissen. Wir würden Jesus völlig falsch verstehen, wenn er nur die Mühseligen zu sich riefe. Auch die Fröhlichen, die Starken, die Erfolgreichen haben Platz bei ihm. Aber das diese anderen kommen dürfen, dass wir kommen dürfen mit unserer Lebenslast, das macht ihn so besonders. Das schenkt uns so großen Trost.
Um uns vor Augen zu führen, was er meint, erzählt er uns das Gleichnis von dem großen Abendmahl. Wenn die Menschen der Zeit Jesu von diesem großen Fest hören, dann wissen sie: das ist das Himmelreich. So wird es sein, wenn Gott seine neue Welt vollenden wird. Wie ein großes Fest, eine Hochzeit, ein großes Abendmahl. So ist es gleich klar: das, was Jesus hier erzählt, handelt von Gott und von uns und von der großen Freude, die uns erwartet. Und es heißt hier nicht „Heute geschlossene Gesellschaft!“, sondern „Kommt, denn es ist alles bereit!“. Alles hat Gott für seine Geladenen vorbereitet. Nun soll es losgehen, nun soll gefeiert werden. Doch nun passiert etwas, was wir vielleicht auch von anderen Feiern kennen. Die Eingeladenen sagen ab. Und zwar nicht einer, sondern alle. Enttäuschend und verletzend ist das für den Gastgeber, sagten meine Konfirmanden. Denn für die, die absagen, ist anders wichtiger als das große Fest. Ich habe einen Acker gekauft. Ich habe mir neue Ochsen besorgt. Ich habe geheiratet. Der Ruf: „Kommt, denn es ist alles bereit!“ erreicht sie nicht. Sie haben anderes im Herzen. Denn diese Einladung muss ich mit dem Herzen hören, sonst höre ich sie gar nicht. Die Einladung bedeutet nämlich: Alles ist bereit für dich! Aber die Eingeladenen sagen: Ich will nicht. Ihr Herz ist verschlossen. Ein verschlossenes Herz aber hört Gottes Einladung nicht. Die prallt dann ab an den Dingen, die wir vor unserer Herzenstür stellen: einen Acker, fünf Gespanne Ochsen, mein Haus, meine Yacht, meine Frau.
Doch der Gastgeber im Gleichnis will feiern. Er schickt seinen Knecht noch einmal los. Nun werden die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen hereingeführt. Und weil dann noch Platz ist, auch noch die Landstreicher und Tippelbrüder und -schwestern von der Straße. Denn der Ruf „Kommt, es ist alles bereit!“ gilt  ja noch. Nun sitzen sie da, und ich kann sie vor mir sehen, diese Mühseligen und Beladenen, ungläubig staunend über das wunderbare Essen und die Freundlichkeit des Herrn, der sie freudig empfängt. Sie können ihr Glück kaum fassen. Denn das hatten sie niemals im Leben erwartet. Denn eigentlich war es doch klar: blind, lahm und verkrüppelt, von Armut gezeichnet hatten sie nicht zu erwarten. Ihre Bedürftigkeit sieht man ihnen doch gleich an. Und fragen wir uns ehrlich: wer von uns würde sich mit solchen zu einem Festessen an einen Tisch setzen? Mit solchen, denen man sofort ansieht, was mit ihnen los ist. Nun erzählt uns Jesus eine Gleichnisse ja vor allem, um uns zum Staunen und zum Nachdenken zu bringen. „Du würdest dich mit so einem nicht an einen Tisch setzen. Aber bei Gott haben sie ihren Platz!“ Nun würden wir Jesus wieder falsch verstehen, wenn wir aus ihm einen Sozialromantiker machten. Jesus Christus warnt uns immer wieder vor den Folgen, die der Reichtum auf unser Herz auswirken kann. Aber zu denken, nur die Armen werden gerettet und die Reichen verdammt, denkt anders als Christus. Denn Christus will in unser Herz. Er weiß doch, wie bedürftig wir sind, auch wir Reichen. Und er weiß auch, wie oft wir unsere Bedürftigkeit verstecken.
Die Blinden, Lahmen, Verkrüppelten und Landstreicher, die können ihre Bedürftigkeit gar nicht verstecken. Denen ist es doch anzusehen, dass sie arm dran sind. Die suchen einen Ort, wo ihre Sehnsucht gestillt wird, wo sie Freude und Leben erfahren können. Vielen von uns fällt es schwer, unsere Bedürftigkeit zu zeigen. Kirche, so sagen wir gerne, soll da sein für die, die sonst keinen Raum haben. Und das ist auch so. Aber wir machen Kirche viel zu klein, wenn wir sagen: sie soll nur da sein für die, die am Rand stehen. Wie sollten wir uns denn um dies kümmern, wenn es nicht die Reichen gäbe, die mit ihrer Kirchensteuer dazu helfen, dass diese Hilfe überhaupt stattfinden kann?! Nein, es geht Jesus um die Herzenshaltung. Und das ein Armer, Verkrüppelter und Ausgestoßener sich nach  Zuwendung und Hilfe auch von Gott sehnt, das ist deutlich. Denn seine Bedürftigkeit ist offensichtlich. Unsere eigene Bedürftigkeit aber verstecken wir doch lieber. „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid!“ Das ist doch auch uns gesagt, genauso wie der Ruf: „Kommt, denn es ist alles bereit!“ Aber wir wollen das nicht zeigen. Wir schieben lieber anders vor unseren Acker, unsere Ochsen, die Yacht, das Haus, weil wir damit sagen: wir doch nicht. Wir haben Gott gar nicht nötig. Wir brauchen das gar nicht, dass Gott sich um uns kümmert. Martin Luther sagt, es gibt eigentlich nur zwei Wurzelsünden, Verzweiflung und Überheblichkeit. Die Verzweiflung  lässt uns zu klein von Gott denken, dass er uns doch nicht helfen kann. Die Überheblichkeit lässt zu groß von uns selbst denken. Gottes Hilfe? Brauch ich nicht. Mir geht’s doch super! Unsere Überheblichkeit aber verschließt unser Herz. Und sie verschließt uns auch den Zugang zu dem großen Fest des Lebens, das Gott doch auch für uns vorbereitet. Wir selbst schließen uns damit von Gottes Lebensfest aus. Denn unsere Überheblichkeit wächst aus unserer Angst. Ständig meinen wir, mehr sein zu müssen als wir sind. Ständig meinen wir, unsere Bedürftigkeit sei eine Schande, so wie die Armen und Verkrüppelten ja zu Recht am Rand der Gesellschaft stehen. Nur stark sein zählt in unseren Augen. Aber Gott sei Dank zählt das nicht in Gottes Augen. Wenn wir wüssten, wie oft wir uns mit unserm Stark-Getue vor Gott lächerlich machen. Dabei müssen wir vor Gott doch keine Angst haben. Bei ihm ist so viel Platz, und der freut sich, wenn  wir seiner Einladung folgen. Nicht, dass wir etwas vorweisen können an Leistung ist wichtig. Nur dass wir seinem Ruf mit offenem Herzen folgen. Das können wir aber nur, wenn wir unsere eigene Bedürftigkeit selber sehen und zeigen vor Gott. Wenn wir seiner Einladung folgen, dann werden wir verändert, allein dadurch, dass wir ihr folgen. Denn in Gottes Augen sind wir es wert, dabei zu sein bei seinem Lebensfest. In Gottes Augen sind wir liebenswert. „Heute geschlossene Gesellschaft!“: das steht nicht an der Tür zum Festsaal Gottes. Sondern: Du kommst hier rein. Aber nur, wenn du du selbst bist und nicht der, der du gerne sein willst. „Kommt, denn es ist alles bereit!“  Damit lädt Gott auch uns sein. Wir sollten es uns wert sein, uns von Gott einladen zu lassen. Wir sollten unser falschen Sicherheiten hinter uns lassen, unsere Überheblichkeit und Blindheit für das, was wir wirklich brauchen. Wir brauchen Gottes Gnade, seine Barmherzigkeit und seine Liebe. Wenn wir uns wahrhaftig und ehrlich einladen lassen, dann wird Gott uns ein großes Fest schenken. Also worauf warten wir?
Amen