Predigt über Philipper 2, 1-4 von Wolfgang v. Wartenberg
2,1

Predigt über Philipper 2, 1-4 von Wolfgang v. Wartenberg

2,1Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, 2so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. 3Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, 4und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.
  
  Liebe Gemeinde,
  (1.)
  wann immer ich über den Philipperbrief predige, erinnere ich mich an einen Theologieprofessor in Göttingen: Otto Bauernfeind, schon lange im eigentlichen Ruhestand, über 80 Jahre alt und äußerst liebenswürdig. Er erzählte, wie er im Rahmen seines mündlichen Examens gefragt wurde, ob er etwas über den Brief an die Philipper sagen könne. Er sei furchtbar ins Schwitzen geraten. Das ganze Neue Testament habe er vorbereitet, den Philipperbrief aber habe er völlig vernachlässigt. Nur an eines erinnerte er sich deutlich, das sagte er dann: „Freuet euch!- Ja, freuet euch in dem Herrn, das ist das Entscheidende im Philipperbrief.“ Seine Prüfer waren zuerst verdutzt und dann stimmten sie hoch erfreut zu: „Ja, so ist es. Genau so ist es.“
  Liebe Gemeinde, wir werden sehen, ob wir das auch so sagen können, wenn wir genauer auf das heutige Wort des Paulus gehört haben.
  
  (2.)
  Paulus befindet sich im Gefängnis in Ephesus, als er diesen Brief schreibt.
  Er ist der christlichen Gemeinde in Philippi besonders verbunden, weil er sie gegründet hat und weil die Frauen und Männer der Gemeinde den Kontakt zu Paulus über die Jahre gepflegt haben.
  In der Apostelgeschichte wird die Gründungslegende der Gemeinde in Philippi erzählt.
  Paulus befand  sich in Troas, einer Hafenstadt an der kleinasiatischen Küste, nicht weit weg von dem noch älteren Ort, wo der Kampf um Troja stattgefunden hat. Da wurde er durch einen Traum in der Nacht aufgefordert, nach Makedonien weiterzureisen.  Daraufhin bestieg er ein Schiff und setzte über nach Nordgriechenland, dem damaligen Makedonien. Er zog weiter nach Philippi, einer kleinen Stadt, in der neben römischen Kriegsveteranen auch einige Juden angesiedelt waren. Am Sabbattag ging er hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo die Juden zu beten pflegten, denn es gab offenbar keine Synagoge am Ort. Paulus setzte sich mit seinen Begleitern an den Fluss und redete mit den dort anwesenden Frauen über den Glauben an Jesus Christus. „Eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin, hörte zu; der“, so heißt es in der Apostelgeschichte, „tat der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde.“ Sie ließ sich und ihre ganze Hausgemeinschaft taufen und lud ihn und seine Begleiter ein, in ihrem Haus zu wohnen.
  Ihr Haus wurde zu einer Keimzelle der christlichen Gemeinde am Ort und Philippi wurde die erste Stadt auf dem europäischen Festland, in der eine christliche Gemeinde ins Leben gerufen wurde. Die Christen in Philippi hielten auch später Kontakt zu Paulus und unterstützten ihn, als er längst wieder aufgebrochen und zu anderen Städten unterwegs war. An diese Gemeinde schreibt er nun den Brief, aus dem wir einen Abschnitt gehört haben. Es ist ein sehr persönlicher Brief.
  
  (3.)
  Paulus schreibt wie ein Freund. Er sei Gott von Herzen dankbar, wenn er an die Christen in Philippi denke.  Er danke Gott, dass sie so fest am Evangelium festhalten vom ersten Tag an. Er habe, so beginnt er diesen Brief, das sichere Vertrauen, dass der, der alles in ihnen angefangen habe, nämlich Gott, sein gutes Werk zum Ziel bringen wird bis zu dem Tag, an dem sie Jesus Christus begegnen werden.
  „Gott ist mein Zeuge,“ so schreibt Paulus, „wie ich mich nach euch allen sehne mit der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat.“
   
  Er schreibt ihnen auch, warum er im Gefängnis festgehalten werde. Natürlich nicht, wie wir annehmen könnten, weil er sich etwas Kriminelles habe zuschulden kommen lassen, sondern weil er das Evangelium von Jesus Christus verkündigt hat. Das sei all den anderen Christen und allen Menschen in der Kaserne, wo er inhaftiert sei, bekannt. Durch seine Gefangenschaft seien die Mitchristen am Ort noch mutiger, zuversichtlicher und kühner geworden, von ihrem Glauben an Jesus Christus in aller Öffentlichkeit zu reden.
   
  Der inhaftierte Paulus hadert nicht mit seinem Leben. Er hoffe nur, dass er in keinem Stück zuschanden werde. Er möchte Christus verherrlichen – sei es durch Leben oder durch Tod. „Denn Christus“, so ruft er aus, „ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.“  Mit diesen Worten deutet er an, dass er auch mit einer möglichen Todesstrafe rechne. Wenn er aber doch weiterleben wird, so wisse er, warum: um sein Werk, die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus um so entschiedener fortzusetzen.
  
  Paulus wendet sich schließlich direkt an die Christen in Philippi. Er fordert sie auf, in einem Geist zu stehen und einmütig zu kämpfen für die Sache des Evangeliums und sich dabei in keiner Weise von Widersachern und Gegnern erschrecken zu lassen. „Denn euch ist es gegeben“, so fasst er zusammen, „nicht nur an Christus zu glauben, sondern auch um seinetwillen zu leiden, habt ihr doch am gleichen Kampf teil, den auch ich kämpfe.“ (1,29f)
  
  Wieder und wieder, liebe Gemeinde, überrascht in dem Brief an die Philipper dieser nahezu übermütige Ton der Zuversicht, der Freude, selbst noch dann, wenn von Bedrohung und Leid und sogar vom Tod um Christi willen die Rede ist.
   
  (4.)
  Auch in dem Briefabschnitt, der dieser Predigt zugrunde liegt, ist von Freude die Rede. „Wenn es bei euch Ermahnung in Christus gibt, Zuspruch aus Liebe, eine Gemeinschaft des Geistes und herzliche Zuneigung, dann (liebe Frauen und Männer, habe er noch eine Bitte:) macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.“
  
  Liebe Gemeinde, mit diesen Worten spricht Paulus etwas an, was ihm wichtig ist und auch in unseren Gemeinden immer wieder einmal angesprochen werden sollte. Wir wissen es alle: Es „menschelt“ auch in der christlichen Gemeinde.
  Um es mit eigenen Worten zu sagen: Die Gemeinde mag nach außen gut da stehen. Wichtig ist aber, dass auch das Binnenleben einer Gemeinde stimmig ist.
  Nach außen für den Frieden in der Welt einzutreten, ist richtig und gut. Wenn man aber in der Gemeinde verstritten ist und schlecht übereinander redet, dann ist auch das übrige Tun, mit dem man zu Recht so glänzen könnte, nicht nur nicht überzeugend, es wird auch unglaubwürdig.
  Nach außen dafür eintreten, dass alle Menschen gleichberechtigt sind, das ist gut. Wenn man dann aber in der Gemeinde abfällig auf die herunterschaut, die anders sind als man selbst, weil sie nicht den gleichen Bildungsstand haben, weil sie nicht so wohlhabend sind, weil sie sexuell anders orientiert sind, weil sie einen Migrantenhintergrund haben, das ist dann gar nicht mehr gut – auch wenn das in vielen Fällen gar nicht bewusst oder  gar gewollt geschieht.
  Bei allem Respekt vor denen, die voller Ideen und Vorschläge sind - es ist nicht gut, wenn in einer Gemeinde immer nur einer oder immer nur dieselben das Wort führen. Auch die Stillen in der Gemeinde haben etwas zu sagen, wenn man sie nur ermuntern würde.
  Leider muss man feststellen – man hat es doch schon selbst erlebt: Streit, gegenseitige Konkurrenz, Vorurteile und Eitelkeiten können es schwer machen, sich in einer christlichen Gemeinde oder in der Kirche heimisch zu fühlen oder gar mitzuarbeiten. Das gilt natürlich für jede Gruppe, in der wir leben, für eine Schulklasse, einen Verein, einen Verband, eine Partei.
  
  Wie könnte es anders sein? Paulus sagt es: „Ein jeder sehe nicht (nur) auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.“ Wir wissen es ja längst. Es wäre so hilfreich, wenn wir achtsamer miteinander umgingen, wenn wir mehr zuhörten, wenn wir uns stärker bemühten, uns in die anderen hineinzuversetzen. Vielleicht wächst dann gegenseitiges Verständnis und wir spüren, wie wir, in der Sprache des Paulus, „eines Sinnes“ werden. Dann erleben wir vielleicht, dass auch der andere, der mir anfangs so fremd war, wie ich auf der Suche ist nach dem, was wirklich not tut in unserem Leben.
  Wir erleben: Auch der ist einzig und Gott hat ihn lieb, wie er auch uns liebt, so hoffen wir doch, so glauben wir doch, durch Paulus ermutigt.
  
  (5.)
  Paulus beschließt diese seine Bitten an die Freunde in Philippi – es sind, wenn wir genau hinhören, Ermahnungen – mit einem Christushymnus, einem Christusbekenntnis, das das ganze Evangelium von Jesus Christus in wenigen Worten zusammen fasst.
  
  „Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
  Er, der in göttlicher Gestalt war,
  hielt nicht daran fest, Gott gleich zu sein,*
  sondern entäußerte sich selbst
  und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
  Er erniedrigte sich selbst
  und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
  Darum hat ihn auch Gott erhöht
  und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist,
  dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie,
  die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
  und alle Zungen bekennen sollen,
  dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“
  
  *statt: hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein
  
  Liebe Gemeinde, obwohl - oder muss man sagen: weil? -  Jesus innerlich groß war, konnte er, so man den Eindruck, klein sein. Er nahm Knechtsgestalt an. Knechte sind Menschen, die andere bedienen, ihnen helfen und sie unterstützen.
  
  Ein sehr eindrückliches Beispiel, wie sich Jesus als Knecht verstand, ist die Geschichte, in der Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht.
  Jesus, der Meister, der gelehrte Rabbi, so wird es im Evangelium des Johannes erzählt, „stand vom Mahl auf, legte sein Obergewand ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich. Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.“
  Das war damals die Arbeit von Knechten, von untergeordneten Menschen.
  Petrus wehrt sich. Jesus aber sagt: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.“
  Als Jesus allen Jüngern die Füße gewaschen hatte, legte er den Schurz ab und sagte: „Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ (Joh.13)
  
  Liebe Gemeinde, Jesus war, wenn ich das alte Wort benutzen darf, „demütig“, er gehorchte dem Liebesgebot Gottes bis in den Tod hinein. Darum auch, so heißt es in dem Christuslied, hat ihn Gott erhöht.
  Wenn wir wieder einmal stöhnen, weil uns andere Menschen „nerven“, dann denken wir vielleicht daran: Gott ehrt uns mit dieser Aufgabe, für andere da zu sein, und verleiht uns damit eine besondere Größe und Würde.
  
  (6.)
  Zu Beginn der Predigt stand die Frage, worin die Freude des Paulus, von der im Philipperbrief so häufig die Rede ist, begründet ist. Eine Antwort hören wir im Christuslied: Die Freude gründet sich in der Zuversicht, dass Gott auch ihn, auch uns zu sich erhöhen wird, so wie er seinen Sohn Jesus Christus erhöht hat.
  
  Liebe Gemeinde, wie können wir uns diese Erhöhung vorstellen?
  Diese Erhöhung geschieht nicht so, dass wir nach unserem Tod in einen luftleeren Raum allein und isoliert erhöht werden. Diese Vorstellung führt in die Irre. Diese unsere Erhöhung geschieht, wenn wir Paulus folgen, dadurch, dass wir uns hier auf dieser Erde an die Seite Jesu begeben und uns an ihm orientieren.
  Wer mit Jesus verbunden ist, habe bereits Anteil an ihm, den Erhöhten, weil er durch ihn auch mit Gott, dem himmlischen Vater verbunden ist. Mit anderen Worten: Wo Jesus ist, sei auch Gott und wo Gott ist, da finden wir Frieden, in diesem Leben und über unseren Tod hinaus.
  
  Liebe Gemeinde, ich habe den Eindruck: Es ist diese Zuversicht, die wir bei Paulus  - trotz Gefängnis, trotz Todesgefahr - wahrnehmen. Können wir uns von dieser Zuversicht anstecken lassen?    
  
  Den Brief an die von ihm so geschätzten Philipper beschließt Paulus mit dem Aufruf:
  „Freut euch in dem Herrn alle Wege, und abermals sage ich euch: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“ 
  
  Ein Christ aus Ghana sagt es so:
  „Herr, ich werfe meine Freude
  wie Vögel an den Himmel.
  Die Nacht ist verflattert,
  und ich freue mich am Licht.
  So ein Tag, Herr, so ein Tag!“
  Amen