Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Claudia Trauthig
15,1-11

Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Claudia Trauthig

I.

Liebe Gemeinde,

„Christ ist erstanden (– er ist wahrhaftig auferstanden!)“

Mit diesem traditionellen Ostergruß haben wir unseren Gottesdienst vorhin eröffnet.

Eigentlich sind das nur drei schlichte Wörter –

und doch ist es ein Satz, der die ganze Welt und unser aller Leben verändert: Seine verändernde Kraft weckt die Sehnsucht des Herzens - und beflügelt unseren Verstand. Die Dynamik des Lebens lässt sich nicht mehr aufhalten. Als zarter Ruf dringt sie aus dem leeren Grab Jesu – und ist seit diesem ersten Ostern nie mehr verstummt - und wird es auch nie: Christ ist erstanden.

Nicht nur ist diese Botschaft nie mehr verstummt, sie hat sich ausgebreitet und breitet sich aus. Denn so ruft und singt und tanzt man heute nicht mehr nur in Jerusalem, sondern rund um den Erdball, bis an die entlegensten Enden der Erde: Christ ist erstanden!

Nur drei Worte. Doch in ihnen ist alles eingeschlossen. Das Herz wird leicht und die Menschheit frei: befreit zum Leben. So will es Gott.

Durch diese drei Worte konnte ein Mensch wie Bonhoeffer ruhig den Henker erwarten und seinen Mördern zuletzt folgenden Satz mitgeben:

„Für euch ist es das Ende,

für mich aber der Beginn des Lebens.“

Durch diese drei Worte können auch wir den Mut und die Hoffnung aufbringen, von den Gräbern… zurück in das Leben zu gehen: Von den vielen Gräbern in unserem Leben, jenen auf den Friedhöfen, aber auch den anderen im eigenen Lebenslauf. Nicht verzweifeln müssen wir, wenn wir an Grenzen kommen, nicht haltlos auf die Leere starren, die der Tod reißt. Wir Christenmenschen können die Lücke halten, hier und heute mit Bruchstücken leben, aufrecht, aufgerichtet und getrost – durch Christus.

Ostern übertrifft jedes Frühlings- und Hasen-Ostereierfest bei weitem. Ostern ist das Evangelium unseres Lebens. Wer Ostern nicht hat, versäumt das wahre Leben. So entschieden unterstreicht es jedenfalls Paulus.

Der Predigttext für Ostersonntag 2014 ist ein Abschnitt aus seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth. Ein ganzes Kapitel widmet Paulus hier der Frage nach der Auferstehung. Nicht viel anders als heute werden auf dem religiösen Markt diverse Angebote gehandelt. In Korinth gibt es Skeptiker, die mit „Auferstehung“ gar nichts anfangen können. Dann sind da andere, die irgendwie schon glauben, dass es mehr noch gibt als den Tod… Aber eine leibliche Auferstehung, in einem neuen Leib, wie es die Christen behaupten, scheint ihnen zu weit hergeholt. Wieder andere, geprägt von ihren jüdischen Wurzeln, haben kein Problem mit einer leiblichen Auferstehung, aber selbstredend nur für die Gerechten, am Ende aller Zeiten.

Braucht es überhaupt den Glauben an die Auferstehung, um Christ zu sein?

Hören wir, wie Paulus antwortet:

II.

Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten.

Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden.

Ein jeder aber in seiner Ordnung:

als Erstling Christus, danach, wenn er kommen wird, die Christus angehören; danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat. Denn er muss herrschen, bis Gott ihm „alle Feinde unter seine Füße legt.“

Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod. Denn „alles hat er unter seine Füße getan“.

Wenn es aber heißt, alles sei ihm unterworfen, so ist offenbar, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.

Liebe Gemeinde,

so sehr der Apostel in den Jahren seiner missionarischen Arbeit immer wieder Zugeständnisse macht, die Lebenswelt seiner Adressaten ernst nimmt und ihren Hintergrund in seine Arbeit integriert… Hier bleibt Paulus kompromisslos:

Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

So unverzichtbar Christus, das Evangelium für diese Welt und dein alltägliches Leben sind - so unzureichend ist, wenn damit schon alles „erledigt“ wäre. Das Evangelium ist mehr als bloß Lebenshilfe im Alltag. Wer sich nicht weiter wagt, glaubt letztlich nicht an den Ewigen, den lebendigen Gott, sondern an den Tod.

Wer an den Tod glaubt, aber bleibt gefangen. Wer an den Tod glaubt, versucht aus jedem Tag das äußerste herauszupressen - koste es, was es wolle. Wer an den Tod glaubt, versucht sogar aus sich selbst das Äußerste herauszuholen… und sei es das Leben. Wer an den Tod glaubt, verkümmert, stirbt schon jetzt und hier.

Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

Sich zu Christus bekennen, bedeutet für Paulus: das wahre Leben haben, ohne ans Äußerste gehen zu müssen: Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten.

Diese Ostermelodie macht uns zu Menschen, die nicht nur mit den Lippen bekennen, die Ostern nicht nur loben - sondern es leben. Und dies nicht allein für sich, sondern für den Nächsten, die Nächste – die Schöpfung. Ostern ist immer ein Gemeinschaftsereignis!

Paulus jedenfalls hat die Welt klar im Blick. Weltvergessenheit lässt sich dem frühen Christentum nicht unterstellen. Der Auferstandene sitzt doch zur Rechten des Vaters und erhebt Anspruch auf Leben und Wirken in der Welt: Denn er muss herrschen, bis Gott ihm „alle Feinde unter seine Füße legt“…(…)  damit Gott sei alles in allem.

Spekulationen, wann und wie dies geschieht, vermeidet Paulus. Da bleibt er ganz nüchtern. „Jedes Schwelgen in Phantasien“, schreibt ein heutiger Exeget, „wäre eine Beleidigung Gottes“. (Klaus Berger)

III.

Liebe Gemeinde,

Ostern heißt: fest vertrauen, dass nicht die Hoffnung zuletzt stirbt, sondern der Tod. Ostern heißt: erkennen, dass alle Mächte des Todes längst von einer tödlichen Kraft befallen wurden, weil das Leben siegt.

Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.

Die Mächte des Todes werden für uns und auch mit uns weiter vernichtet, immer und überall, wo wir dem Leben dienen und uns nicht zu Handlagern des Todes herabstufen lassen.

Wann und wie das passiert?

Unentwegt. Unzählig. Namenlos.

Oftmals leise; hier und da aber doch auch aufsehenerregend und mit lautem Jubel.

Ostern will uns Augen, Ohren und alle Sinne dafür öffnen: Auferstehung ist mitten unter uns. Sie gehört jetzt und längst zum Leben. Ostern ist Evangelium. Evangelium aber sind Botschaften, Nachrichten, die froh machen, weil sie dem Tod ins Gesicht lachen und Leben schaffen.

Je mehr ich meine Augen und Ohren in der Passionszeit geschärft habe, umso mehr Lichtstrahlen konnte ich entdecken, Ostertöne hören…

- Da erzählt mir ein Freund aus den sogenannten neuen Ländern, wie wundervoll für ihn noch immer, 25 Jahre nach dem Mauerfall dieses Ereignis ist und bleibt: „Am 4. November `89 bin ich in Berlin zu dieser riesigen Demo gegangen. Ich lief ganz am Rand, denn ich hatte meinen Kleinen im Wagen dabei. Wir hatten große Angst vor der Staatsmacht und vor Eskalation. „Die Mauer muss weg“, riefen da ein paar und manche stimmten mit ein. „Träumer“ dachte ich noch. Sind wir froh, wenn sich langsam etwas bewegt… 5 Tage später war die Mauer Geschichte.“

- Da sehe ich im Fernsehen, wie sich Frauen und Mädchen, alte und junge, Mütter und Töchter, Omas und Schwestern rund um den Globus versammeln. Freundinnen verabreden sich: Gehst du auch hin? Über das weltweite Netz üben sie einen fröhlichen Tanz. One billion rising heißt die lebensfrohe Aktion, die Frauen Mitte Februar 2014 auf öffentliche Plätze strömen lässt: auch in Stuttgart. One billion rising bedeutet: Eine Milliarde erhebt sich.

Vor zwei Jahren hatte eine Künstlerin aus New York die Idee: Tief betroffen von den Gewalterfahrungen vieler Frauen, nach Schätzungen der UN ca 1 Milliarde, rief sie die Frauen der Erde auf, gegen Gewalt aufzustehen - doch nicht so, wie man es kennt, durch Demonstrationszüge und Protestkundgebungen, sondern durch ansteckende und fröhliche Zeichen: One billion rising meint: eine Milliarde Frauen steht auf, um zu tanzen und das Leben zu feiern. Allein in Deutschland waren es um die 200 Städte, in denen dieses fröhliche Zeichen gegen Gewalt und für das Leben gesetzt wurde.

Nicht jede ist eine Künstlerin und nicht jeder gerät mitten hinein in die ganz großen Ostergeschichten unserer Zeit. Wichtig ist, Botschafter und Botschafterin des neuen Lebens sein und immer wieder werden. Oft erkennt man erst in der Rückschau: Ostern steckt auch in mir. Ob ich Unterschriften sammle für den Erhalt eines Krankenhauses vor Ort, ob ich Müll einfach mal aufhebe - statt über die anderen zu schimpfen, ob ich mich unterbrechen lasse, wenn ein Mensch eine Umarmung oder ein offenes Gesicht braucht…

Denn dieser Tag verändert die Welt,

auch heute und auch Dich.

Christ ist erstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!

Amen.