Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Jochen Cornelius-Bundschuh
15,1-11

Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Jochen Cornelius-Bundschuh

1 Ich erinnere euch, Geschwister, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt und mit dem ihr auf festem Boden steht.
2 Durch die frohe Botschaft werdet ihr selig, wenn ihr sie festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; ohne sie verliert euer Vertrauen seinen Grund.
3 Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Christus ist für unsre Sünden gestorben, wie es die Schrift sagt;
4 Er wurde begraben und am dritten Tage auferweckt nach der Schrift;
5 Er erschien Kephas und dann den Zwölfen.
6 Danach wurde er von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal gesehen, von denen die meisten noch heute leben; einige aber sind schon tot.
7 Danach erschien er noch Jakobus und allen Aposteln.
8 Zuletzt ist er auch mir erschienen als einer unzeitigen Geburt.
9 Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel genannt werde, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.
10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

Liebe Gemeinde,

an Ostern geht die Tür zum Himmel einen Spalt breit auf: Wir erkennen Jesus, den Gekreuzigten: Der war doch gestorben und begraben? Lag nicht ein großer Fels vor dem Grab? Da kommt doch keiner raus!? Doch: „Er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Der Tod konnte ihn nicht festhalten. Wir blicken in eine neue Welt. Die Furcht ist vertrieben. Der Tod hat seine Macht verloren. Wir sehen ein neues Leben vor uns: ein Leben ohne Angst, ohne Gewalt, ohne Trauer, wie sie nach dem Terror in Belgien nun wieder so viele Menschen tragen müssen.

I

Am Ostermorgen verändert sich die Welt! Jesus, der tot war, ist gesehen worden. Zuerst von Kephas, dann von den Zwölfen, dann von 500 Brüdern auf einmal, und die Schwestern, die ihn dabei gesehen haben, sind wahrscheinlich gar nicht mitgezählt. Auch Jakobus und allen Apostel ist er erschienen. Schließlich auch Paulus, der es am wenigsten verdient hat, weil er doch früher die christlichen Gemeinden verfolgt hat. Auch ihm ist Jesus erschienen. Und Paulus hat all diese Erscheinung für uns aufgeschrieben: Christus ist für unsre Sünden gestorben, wie es die Schrift sagt; er wurde begraben und am dritten Tage auferweckt nach der Schrift.

Einer, der tot war, Jesus, ist auferweckt worden und erschienen. Der Tod hat seine Macht verloren, das Leben siegt. Eine lange Kette von Menschen bezeugt das, bis zu uns heute: Von wem haben Sie diese unglaubliche Nachricht über Jesus zum ersten Mal gehört? Von Ihrer Mutter oder Großmutter, vom Pfarrer oder der Lehrerin? Wann hat Ihnen das eingeleuchtet, wann haben Sie von ganzem Herzen einstimmen können in das Halleluja, wann hat Sie das getröstet: Christus ist auferstanden und führt uns ins ewige Leben? War es vielleicht auf dem Friedhof, so wie heute Morgen?

Wir sind Glieder in einer Kette, die einander die Osterbotschaft vom Sieg des Lebens weiter geben. Die Kette geht weit zurück durch die Zeiten. Mal sind die Glieder in der Kette kräftig und stark, mal sind sie ganz zerbrechlich, voller Zweifel und Unsicherheit. Am Ende knüpfen sie wieder an Paulus an und an all die anderen, von denen er erzählt, dass Jesus, der Gekreuzigte, ihnen erschienen ist.

II

„Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Das ist ein Kern unseres Glaubens - er lebt davon, dass wir ihn einander weitersagen, einander Einblicke gewähren in diese neue Wirklichkeit, die mit Jesus in die Welt gekommen ist. Heute Morgen feiern wir das gemeinsam, laut und deutlich mit kräftigen Lieder, mit der Wegzehrung des Abendmahls, mit einem stärkenden Frühstück. Manchmal sagen wir es einander aber auch leise und vorsichtig weiter, am Krankenbett vielleicht: Ja, ich bin auch nicht sicher, aber ich hoffe es, für mich und für dich. Gerade im Angesicht von Krankheit, Sterben und Todes ist es so wichtig, dass wir einander Zeuginnen und Zeugen sind. Dass andere für mich glauben und mich trösten und für andere glaube: „Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ 

Die Kette des Osterglaubens funktioniert nicht wie ein unwiderlegbarer Beweis: Siehst du hier, so war es! Wir teilen unsere Erfahrungen, wie Gottes Kraft uns getragen und bewahrt hat, aber auch unsere Zweifel und Fragen. Der Osterglaube bildet sich immer wieder neu, im Gespräch, im Anvertrauen und im Zutrauen. Niemand glaubt für sich allein, wir brauchen einander – gerade im Glauben.

III

Unser Predigttext zeigt uns, dass der Geist Gottes viele Möglichkeiten hat, den Osterglauben zu stärken. Wenn sie so wollen, öffnet er jedem und jeder von uns einen eigenen Türspalt, durch den wir in die neue Osterwelt sehen.

Da ist der Spalt, durch den Petrus, auch Kephas, Felsen, genannt, schaut: Vor der Ermordung von Jesus ist er vollmundig: „Ich, ich werde dich nie verraten.“ Doch dann läuft er weg, hat Angst und verleugnet Jesus. Das ist vielleicht so, wie wenn heute bei einem Menschen ein Lebenstraum zerbricht, der ihn lange getragen hat. Wenn die Not und der Schrecken so groß werden, dass es keinen Trost mehr gibt. Aber Jesus ruft ihn wieder zu sich und stärkt ihn. Er macht Petrus gewiss: „Du bist ein Fels, auf dem ich meine Kirche bauen will.“

Auch Paulus schaut in eine neue Wirklichkeit, als er den Auferstandenen sieht: Er hat die Gemeinde verfolgt und will sie ausrotten. Da tritt ihm Jesus entgegen und stoppt ihn. Aus dem Verfolger wird einer, der andere zum Glauben ermutigt.

An Ostern öffnen sich Türen, durch die wir in die neue Welt sehen: in der Menschen Trost finden, in der sie auf die Würde der anderen achten, in der Vertrauen wächst, in der wir frei sind, füreinander Verantwortung zu übernehmen.

IV

An Ostern öffnet sich ein Türspalt. Yago stammt aus Nigeria und lebt heute in Karlsruhe. Seine Eltern waren beide Polizisten und sind getötet worden, als er sieben war. Zwei Jahre hat er allein auf der Straße gelebt. Er musste damals schnell erwachsen werden. Wer überleben will, muss kämpfen können. Nur die Starken haben eine Chance; sonst droht der Tod. Yago hat sich durchgebissen.

Dann hat seine Großmutter ihn eingefangen. Und hat ihn in ein Flugzeug nach Deutschland gesetzt, zu seiner Tante. Erst findet er sich in Karlsruhe schwer zu Recht. In Nigeria hatte er auf der Straße gelernt, misstrauisch zu sein, sich durchzusetzen, zur Not auch mit Gewalt. Das passt nicht in der neuen Umgebung. Er muss die Grundschule verlassen und wechselt in eine integrative Schule für Kinder mit unterschiedlichem Förderbedarf: da gibt es Kinder mit spastischen Lähmungen, die im Rollstuhl sitzen, Kinder, deren geistige Fähigkeiten eingeschränkt sind, Kinder, die nicht gut mit anderen zurechtkommen.

Yago kann dieses Miteinander das kaum verstehen. Behinderte Menschen galten bei ihm zu Hause wenig; viele wurden von ihren Familien verstoßen, ausgesetzt, starben schnell. Eine neue Welt tut sich für ihn in dieser Schule auf. Die Lehrerinnen und Lehrer haben die Kinder gerne, ihn und die anderen. Sie schauen nach ihnen. Sie fragen, wie es jedem einzelnen geht. Sie interessieren sich. Sie freuen sich, wenn einer etwas lernt, wenn eine andere sich mehr traut, wenn eine dritte, sich überhaupt äußert – und vor allem, wenn sie sich gegenseitig unterstützen.

Inzwischen kann Yago gut deutsch. Er lernt schnell. Manchmal muss er nicht mehr kämpfen. Dann tut sich –wie in der Ostergeschichte - ein Spalt auf und ein neues Leben wird erkennbar, in dem Menschen einander vertrauen, indem sie für sich, für andere, für diese Welt hoffen.

V

Am Ostermorgen öffnen sich viele Spalten in ein neues Leben. Der Tod verliert seine Macht. Das Osterlicht vertreibt die Dunkelheit. Wir stimmen ein in das Halleluja der himmlischen Chöre: „Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“