Predigt zu 1. Korinther 15,19-28 von Reinhard Schmidt-Rost
15,19-28

Predigt zu 1. Korinther 15,19-28 von Reinhard Schmidt-Rost

19 Wenn die Hoffnung, die Christus uns gegeben hat, nicht über das Leben in der jetzigen Welt hinausreicht, sind wir bedauernswerter als alle anderen Menschen.
20 Doch es verhält sich ja ganz anders: Christus ist von den Toten auferstanden! Er ist der Erste, den Gott auferweckt hat, und seine Auferstehung gibt uns die Gewähr, dass auch die, die im Glauben an ihn gestorben sind, auferstehen werden.
21 Der Tod kam durch einen Menschen in die Welt; entsprechend kommt es nun auch durch einen Menschen zur Auferstehung der Toten.
22 Genauso, wie wir alle sterben müssen, weil wir von Adam abstammen, werden wir alle lebendig gemacht werden, weil wir zu Christus gehören.
23 Aber das geschieht nach der von Gott festgelegten Ordnung. Zuerst ist Christus auferstanden. Als nächstes werden, wenn er wiederkommt, die auferstehen, die zu ihm gehören.
24 Und dann wird Christus die Herrschaft Gott, dem Vater, übergeben – dann, wenn er allen gottfeindlichen Mächten, Kräften und Gewalten ein Ende bereitet hat; dann ist das Ziel erreicht.
25 Denn Christus muss so lange herrschen, bis »Gott ihm alle seine Feinde unter die Füße gelegt hat«.
26 Der letzte Feind ist der Tod, aber auch ihm wird schließlich ein Ende bereitet,
27 denn es heißt in der Schrift: »Alles hat Gott ihm unter die Füße gelegt.« Ausgenommen von diesem »alles« ist natürlich der, der Christus zum Herrscher über alles gemacht hat.
28 Wenn dann alles unter die Herrschaft von Christus gestellt ist, wird er selbst, der Sohn, sich dem unterstellen, der ihn zum Herrn über alles gemacht hat. Und dann ist Gott alles in allen.   (Neue Genfer Übersetzung).

Liebe Gemeinde,
bald sind es 2000 Jahre, seit Jesus von Nazareth unter den Menschen wirkte und wirkt. Seine Worte werden weiterhin und unaufhörlich von Generation zu Generation weitergegeben. Er hat mit seinen Worten so viele Menschen erreicht und in ihren Herzen berührt, wie sonst kein Mensch, der jemals gelebt hat. Und er bewegt auch uns, und wir geben diese Bewegung weiter! Sollten wir das nicht Auferweckung nennen? 
- Bei einer Fernsehsendung mit einer solche „Quote“ würde man sagen: Die Sendung lebt! -     

Christus lebt und wirkt mit seinem Geist in den Menschen, gestern und heute und in Ewigkeit. Er ist in einer Sphäre wirksam, die in Raum und Zeit hineinwirkt, aber nicht von dieser Welt ist. So spüren wir ihn und deshalb sprechen wir mit den ersten Zeugen: Er ist wahrhaftig auferstanden!
  
Wer wollte angesichts der Wirkung, die Christus auf unser Leben ausübt, nach einem Reanimierten in einem vergänglichen Körper, in irdischer Gestalt fahnden, um durch Betasten zu beweisen, dass da eine Wiederbelebung stattgefunden hat? Und was hätte eine solche Entdeckung für eine Bedeutung? Die Worte des Christus verbinden alle, die sie hören und bewahren, mit ihm und seinem geistigen Leben jenseits von Raum und Zeit.

Der Tod aber ist die Kraft, die seit Adam und Eva auf die Menschheit einwirkt, sie an Raum und Zeit fesselt, und sie von Gott, der Quelle allen Lebens, entfernt. Der Tod ist der Meister des Lebens, er treibt die Menschen in seine eigenen  Arme. Die Kraft des Todes aber ist der jedem Menschen angeborene Egoismus . Diese Kraft entfernt von Gott, der Quelle des Lebens. Die Trennung von Gott bringt immer wieder Herrschaft und Gewalt von Menschen über Menschen und gegen Menschen hervor, diese Erfahrung begleitet die Menschheit, seit sie denken kann. Der Mensch will selbständig sein, sich selbst behaupten, er will sein, was nur Gott sein kann: Die Quelle allen Lebens. Der Mensch kann aus dieser Quelle des Lebens schöpfen, durch die Worte Christi, durch die Liebe, die sich Menschen entgegenbringen, aber er ist diese Quelle nicht selbst, so sehr er sich anstrengt, das Leben zu beherrschen oder zu manipulieren. Er gerät bei allen eigenen Anstrengungen immer wieder unter die Macht des Todes.

Noch hat der Tod die Menschheit in der Hand, aber der Apostel Paulus hat eine Erfahrung gemacht, die ihn auf eine ganz neue Art von Herrschaft hoffen lässt. Seit ihm Christus begegnet ist, hofft er darauf, dass  „Gott alles in allem sein wird“.

Diese Worte der Hoffnung „Gott wird sein alles in allem“ schließen der Sache nach unmittelbar an die Worte über die Liebe an, die Paulus wenige Zeilen zuvor in diesem Brief aufgeschrieben hat, wo er die Liebe rühmt als die Kraft, die niemals aufhört, die in Ewigkeit strömt und Leben hervorbringt: Die Liebe hört niemals auf, so doch die Weissagungen und das prophetische Reden aufhören werden.

Gott wird sein alles in allem, so beschreibt der Apostel die neue Herrschaft und das andere Leben, das er erwartet. Viele Menschen können sich diese andere, neue Herrschaft und dieses neue Leben in ihrem Leben nicht vorstellen, sie sehen und erleben nur die üblichen Versuche der Selbstbehauptung des einen gegen den anderen, den Sieg der Starken über die Schwächeren, die Leistungsvergleiche und Wettbewerbe.  Sie registrieren nur Bosheit und Mißgunst, schonungslose Brutalität, Willkür und Gewalt. Und die Ordnungen der Gesellschaften nehmen sie allenfalls als Notbehelf wahr, der das Leben nur mühsam und unzureichend unterstützt.

Dabei ist das alte Leben im Schatten des Todes doch schon berührt von der neuen Herrschaft der Liebe und dem neuen Leben in der Gemeinschaft mit  Gott. Neue Herrschaft und neues Leben sind dort zu spüren, wo Menschen von der Kraft der Liebe erfüllt, von ihrem Egoismus gelöst werden, in ihrer Seele geheilt werden von den Wunden, die sie im Kampf um Selbstbehauptung erlitten und zugefügt haben.

Liebe Gemeinde,
das feiern wir an Ostern: Der Tod ist nicht mehr Alleinherrscher in der Welt. Die Kämpfe, Kriege und Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen, zwischen Interessengruppen und Nationen sind als Lebensmittel, als Mittel der Bewahrung des Lebens in die Kritik geraten. Die Kultur der Menschheit orientiert sich seit Ostern neu: Die Macht der Liebe wird nun als die Kraft erkannt und anerkannt, die wirklich Leben schafft, die Verständigung und Versöhnung anstrebt, die Gegensätze nicht verschärft, sondern mildert.

Allgemein durchgesetzt hat sich diese Überzeugung bis heute noch nicht, aber sie gewinnt weltweit und in verschiedenen Religionen immer mehr Anhänger. Die Liebe ist die Lebenskraft der Menschheit für alle Zukunft, - und wo sie missachtet oder gar niedergeschlagen wird da steht sie immer wieder auf, nicht um selbst zu siegen, sondern um zum Besten der Menschen zu wirken, durch Menschen.

Die Gemeinschaft derer, die an die Macht der Liebe als Lebenskraft glauben, stärkt sich in diesem Glauben durch die Zeichen von Taufe und Abendmahl.[1] In diesen beiden Zeichen vergewissert sich die Christenheit, dass das Leben ein Geschenk und seine Erhaltung nicht selbstverständlich ist, aber dass wir um Vergebung bitten und auf Erlösung aus unserem Egoismus immer neu hoffen dürfen. Es sind evangelische Oster-Zeichen.

Amen.
 


[1] Im Ostergottesdienst in der Bonner Schloßkirche wird in diesem Jahr ein fünf Jahre altes äthiopisches Mädchen getauft, das von einer deutschen Familie adoptiert worden ist. Außerdem feiern wir das Heilige Abendmahl. Als Taufspruch für ihr sehr munteres Mädchen, Rhama, haben sich seine Eltern das Psalmwort: "Mein Herz ist bereit, o Gott/mein Herz ist bereit./Ich will Dir singen und spielen." (Ps. 108, 2).- Mit Rücksicht auf die beiden Feiern ist die Predigt relativ kurz. Sie kann aber im Schlussteil leicht ergänzt werden durch Erfahrungen der Predigerinnen und Prediger mit der belebenden Kraft der Liebe in ihrem Umkreis