Predigt zu 1. Korinther 9,16-23 von Andreas Schwarz
9,16-23

Predigt zu 1. Korinther 9,16-23 von Andreas Schwarz

16 Denn dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte!

17 Täte ich's aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich's aber nicht aus eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut.

18 Was ist denn nun mein Lohn? Dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch mache.

19 Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne.

20 Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne.

21 Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden - obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne.

22 Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette.

23 Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.

 

Liebe Gemeinde;

Pfarrer zu sein ist ein ziemlich spannender Beruf.
Ich meine das wörtlich: es hat mit Spannung zu tun.
Am deutlichsten spüre ich das am Dienstagnachmittag.
Da bin ich um 14.30 Uhr im Seniorenkreis.

Eine wunderschöne Veranstaltung mit einer Reihe von alten Menschen unserer Gemeinde, die meist sehr fröhlich und gut gelaunt den gemeinsamen Nachmittag genießen – bei Kaffee und Kuchen und Gesprächen über das Leben und den Glauben. Sie berichten von den Besuchen bei Kranken und Einsamen, sie erzählen aus ihrem bewegten Leben und wie sie es im Glauben an Jesus Christus geführt haben. Und natürlich reden wir über Trauer und Abschiede, über nachlassende Kräfte und den Tod.

Das alles in sehr offener und vertrauensvoller Atmosphäre.

Pünktlich um 16.00 Uhr muss ich diesen Kreis verlassen, springe nach oben in den kleinen Saal, wo mich 8 äußerst lebendige Konfirmanden erwarten. Meist hört man sie schon bis unten hin, sie reden, erzählen, spielen Kicker, lachen.

Kaum bin ich da geht’s los: Herr Pfarrer, ich konnte nicht lernen, Herr Schwarz, die haben mich geärgert.

Dann höre ich erst einmal zu, lasse jeden zu Wort kommen und spüre überschäumende Energie, das pralle Leben in diesen jungen Menschen, ihre Freude am Leben, bei allen Sorgen in der Schule oder auch in den Familien.

Bruchlos geht es von den Senioren zu den Konfirmanden und ich erlebe das, wovon Paulus redet: den Juden ein Jude, denen unter dem Gesetz einer unter dem Gesetz. Also: den Senioren ein Senior, den Konfirmanden ein junger Mensch – und das lässt sich ja auf das Leben in der ganzen Gemeinde übertragen.

Natürlich: weder bin ich in dem Sinn ein Senior, noch bin ich Konfirmand.

Aber das ist die Spannung, von der ich sprach, von einem Moment auf den Anderen mit ganz unterschiedlichen Menschen so zu tun zu haben, dass sie sich ernst genommen und verstanden fühlen – und zwar ehrlich.

Denn es geht in der Gemeinde nicht um Sympathie, also welche Menschen man mag und deswegen versteht. Sondern, was alle Menschen und Gruppen miteinander verbindet, was ihnen gemeinsam gilt, ist das Evangelium von Jesus Christus.

Zur Spannung des Pfarrerberufs gehört es also, das Evangelium unterschiedlichsten Menschen so zu sagen, dass sie es als Hilfe oder Trost, also als hilfreich für ihr jeweiliges Leben entdecken können. Das gleiche Evangelium bekommt jeweils andere Worte und setzt andere Schwerpunkte, wenn ich mit Kindern rede oder mit Konfirmanden, mit Jugendlichen oder mit Erwachsenen, mit Heiratswilligen oder mit Trauernden. Es braucht andere Worte für Menschen, denen die Botschaft bekannt und vertraut ist als für solche, denen Inhalt und Botschaft des Evangeliums fremd sind.

Es darf keine Unterschiede geben, alle haben das gleiche Recht und den gleichen Anspruch auf die Verkündigung. Es geht dabei nicht um Neigung und Spaß, sondern es geht darum, dass Gott selbst entschieden und beschlossen hat, das Evangelium durch Menschen verkündigen zu lassen. Dabei spielt es keine Rolle, was die gern tun oder nicht – sie haben ein Amt und darum haben sie zu tun, was von ihnen erwartet wird. ‚Das liegt mir nicht‘ oder ‚das kann ich nicht‘ oder ‚das macht mir keinen Spaß‘ – so etwas gibt es nicht. Wer in der Kirche ein Amt hat, muss tun, was das Amt von ihm verlangt. Nicht weil der Vorstand oder die Synode das so beschließen, sondern weil es dem von Gott ins Leben gerufenen Amt so entspricht.

Der Maßstab, wonach sich alles richtet in der Kirche und in unserer Gemeinde, der Punkt, um den sich alles dreht, ist die frohe Botschaft von Jesus Christus. Der als Kind zur Welt kam, obwohl er der Sohn Gottes ist; der den Menschen gezeigt und gesagt hat, wie sehr Gott seine Menschen liebt; der am Kreuz gestorben ist, weil die Menschen meinten, sie brauchten ihn nicht – den Gott auferweckt hat und der lebt – damit wir wissen: auch auf uns wartet einmal das ewige Leben.

Das sollen alle Menschen hören – so will es Gott. Und dazu beauftragt er Menschen, dass sie davon erzählen. Das ist eine wunderschöne Sache, das Evangelium sagen zu dürfen. Es gibt ja keine bessere Botschaft als diese. Das macht den Pfarrerberuf zu einem ganz besonderen und schönen. Das macht dich frei – kein Chef kann dir sagen, was zu verkündigen sollst, keine Abstimmung in Gemeinde und Kirche schreibt dir vor, was du zu predigen hast. Du hast das Evangelium selbst gehörst, du glaubst und sagst es weiter. Es gibt keinen freieren Beruf als diesen. Natürlich: reich wirst du damit nicht, in der Kirche wirst du nie viel Geld verdienen; Karriere wirst du nicht machen und niemals großen Einfluss nehmen können. Aber dafür bist du eben auch nicht abhängig von dem, was die Leute grade schick finden – wie das z.B. in der Mode oder beim Fernsehen oder in der Musik ist. Da musst du sehr genau das Publikum befragen – und wenn du den Geschmack nicht triffst, bist du out. Wie viele Menschen müssen ihr Fähnchen nach dem Wind hänge, wie viele müssen sich verraten und verkaufen, um Erfolg zu haben, wie viele Menschen sind Opfer von Meinungen und Quoten. Wie viele sehen nichts anders im Leben, als Erfolg haben zu müssen, immer getrieben vom Druck, zu scheitern. Hier geht es allein um die Botschaft von Jesus Christus, die allein ist der Maßstab für das, was du zu sagen hast. Das macht dich ganz wunderbar frei.

Auch deswegen, weil für das Einkommen gesorgt wird; viele Menschen in unserer Gemeinde und Kirche zahlen aus ihrem Verdienst einen Teil an die Kirche, damit wir Pfarrer frei sind und bleiben, das zu tun, wozu wir berufen sind: das Evangelium zu verkündigen. Das macht uns immer wieder dankbar und bescheiden: ohne diese Verantwortung würde das so nicht gehen.

Aber selbst wenn es nicht mehr ginge, wenn die Menschen nicht mehr zahlen würden oder wenn das nicht mehr reichen würde, die Verkündigung des Evangeliums würde weiter gehen. Dann müsste ich unseren Lebensunterhalt anders verdienen, aber das Evangelium würde ich immer noch sagen. Ich tu das ja nicht wegen des Geldes, sondern weil ich muss. Da endet dann meine wunderschöne Freiheit. Gott hat mich in seinen Dienst genommen, die Kirche hat mich zum Amt eines Pfarrers ordiniert und die Gemeinde hat mich berufen.

Es ist gut und entlastend, dass ich mich um meinen Lohn nicht kümmern muss und dass genügend Gemeindeglieder  dafür aufkommen.

Aber noch an einem anderen, entscheidenden Punkt endet die schöne Freiheit. Nämlich an den Menschen, die das Evangelium hören.

Sie sind der Maßstab für die Form der Verkündigung, für die Worte. Wer das Evangelium verkündigt, wird sich zu allererst um Menschen bemühen müssen, er wird sie zu verstehen versuchen, damit die Botschaft dann auch zu ihnen und zu ihrem Leben passt. Ohne dieses ehrliche Bemühen um Menschen geht die Botschaft ins Leere.

Mit den Konfirmanden genau so zu reden wie mit den Senioren wird sie nicht ernst nehmen und sie nicht erreichen. Und anders herum auch. Ich muss an der Lebenssituation der Senioren teilhaben und an der der Konfirmanden.

Sich um andere Menschen bemühen ist manchmal mühsam, weil ich nicht ihre Gedanken lesen kann, weil ich ihre Lebenssituation nicht selbst erlebe. Aber ohne das Bemühen bleibt, was ich ihnen dann sage, vielleicht richtig, aber es kommt nicht an. Menschen spüren sehr genau, ob man an ihnen interessiert ist oder sie als Missionsopfer missbraucht, ob man ihre Zweifel versteht, ihre Angst, ihre Zurückhaltung – ohne ihren Lebensstil und ihre Entscheidungen zu bewerten oder zu beurteilen. Wer sich und seine Frömmigkeit und seine Einsicht zum Maßstab macht, der wird immer auch bei sich bleiben und merken, dass er bei anderen Menschen nicht wirklich ankommt. Das Evangelium ist nicht dazu da, dass die, die es sagen, immer recht haben oder dass sie Andere so in die Enge treiben, dass die gar nicht mehr heraus kommen ohne aufzugeben – die frohe Botschaft führt nicht zu einem widerwilligen Nicken gegen alle Gefühle und Vorbehalte. Es ist die gute Botschaft für das Leben der Menschen. Und wenn es das Leben der Anderen erreichen soll, muss man sich dahin begeben, wo die Menschen sind – ob Senioren oder Konfirmanden, ob Juden oder Heiden oder Schwache im Glauben.

Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und Empfänger des Evangeliums für ihr Leben werden. Und ihr merkt, dabei geht es eben nicht nur um uns Pfarrer, deren Beruf das ist – es geht um jeden, der glaubt. Um jeden, dem andere Menschen am Herzen liegen und der ihnen die gute Nachricht von Jesus Christus sagen will.

Das Evangelium hilft uns, eigene Überzeugungen zu verlassen, um anderen Menschen nahe sein zu können und sie zu verstehen. Das Evangelium hilft uns, dass wir uns selbst nicht so wichtig nehmen, sondern die Menschen wichtig nehmen, um die wir uns bemühen.

Mit den Konfirmanden wollen wir fröhlich sein, Spaß haben, entdecken, wie viel Gutes Gott uns schenkt, wie wertvoll wir für ihn sind, was er uns alles gönnt und dass es bei ihm – Gott sei Dank! - anders zugeht, als in der Schule und im Beruf: Leistung allein zählt.

Und dann vertrauen wir als Gemeinde, die wir das auch im Gebet begleiten, dass sie dann gern in ihrer Gemeinde leben und Jesus Christus vertrauen. Dazu schenke Gott uns seinen heiligen Geist. Amen.