Predigt zu 1. Samuel 2, 1-2.6-8a von Andreas Pawlas
2,1

Predigt zu 1. Samuel 2, 1-2.6-8a von Andreas Pawlas

Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich Deines Heils. Es ist niemand heilig wie der HERR, außer Dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.
Lasst euer großes Rühmen und Trotzen, freches Reden gehe nicht aus eurem Munde; denn der HERR ist ein Gott, der es merkt, und von ihm werden Taten gewogen.
Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke. Die da satt waren, müssen um Brot dienen, und die Hunger litten, hungert nicht mehr. Die Unfruchtbare hat sieben geboren, und die viele Kinder hatte, welkt dahin. Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse. Denn der Welt Grundfesten sind des HERRN, und er hat die Erde darauf gesetzt.
Liebe Gemeinde!
So schön und fröhlich auch der Lobgesang dieser Frau aus dem fernen Alten Testament auch ist, was soll er mit unserem festlichen Ostertag zu tun haben, mit der Feier der Auferstehung Jesu Christi hier in unserem Dorf und überall auf der Welt? Und warum soll die Geschichte dieser Frau, der Hanna,verwoben sein mit der Geschichte Jesu Christi, seinem Leiden, Sterben und Auferstehen? Ja, warum sollen wir uns heute morgen, wo wir den kaum begreiflichen Auferstehungsbericht in uns aufnehmen und groß machen wollen, noch mit einem anderen Bericht beschäftigen, der auch so lange her ist?
Aber halt. Eigentlich ist es doch immer so im Wirken unseres Gottes unter uns, dass zwei Geschichten miteinander verwoben sind. Welche bitte? Doch einerseits die Geschichte vom Wirken Gottes in Vergangenheit und Zukunft und andererseits die Geschichte vom Wirken Gottes jetzt und konkret an uns. Und da stellen, weil Gottes Handeln Zeit und Raum übersteigt, Unterschiede in Zeit und Raum keine Hindernisse dar. Vielleicht gelingt es uns darum in irgendeiner Weise, diese Geschichte der Hanna fast als unsere Geschichte zu begreifen. Allerdings ist die Geschichte der kinderlosen Hanna, schon allein in dieser Bezeichnung erzählt, jedoch noch keineswegs ihr elendes Leiden unter ihrer Kinderlosigkeit ihr herzzerreißendes Weinen und Klagen tagtäglich und dann im Hause Gottes. Und damals in der Welt, in der Hanna lebte, war es eben eine Katastrophe, dass sie als Frau keine Kinder gebären konnte, dass sie kein neues Leben schenken konnte. Und damit war sie praktisch für ihren Mann und für ihre ganze Umwelt wie tot.
Vielleicht sind wir ihr darin ganz nahe, dass wir manchmal genauso wie sie weinen und klagen können, wenn auch uns unsere Welt untergegangen ist. Gut, wir wissen, dass heutzutage nicht so häufig Kinderlosigkeit der Grund ist, sich wie tot zu fühlen. Aber so viele andere Katastrophen gibt es, die alles Leben in uns wie abtöten können: Das mag für den einen die plötzliche Trennung des Partners sein, für die andere mag es das bittere Zerwürfnis mit den Kindern sein. Und für noch einen anderen mag es die unvermittelt über einen hereinbrechende schlimme Krankheit sein oder die plötzliche Kündigung des Arbeitsplatzes. Und alle haben sie eben eins gemeinsam: Es fühlt sich für einen persönlich so an, als würde einem mit einem Male der Boden unter den Füßen weggezogen und damit alles Leben für einen vergehen. Es fühlt sich wirklich so an, als würde einem die Welt untergehen, und würde alles tatsächlich wie tot!
Und hätte nicht auch für Jesus Christus noch vor seinem Sterben am Karfreitag alles wie tot sein müssen. Denn seine Mission, zu der er von Gott berufen war, seine Mission, Gottes Liebe und Güte unter den Menschen zu verkünden und ihnen damit Heil und Heilung zu bringen, schien offenkundig gescheitert. Brutale Macht und übler Neid hatten ihn ins Gerichtverfahren gebracht und dann am Karfreitag zum Tod am Kreuz. Aus. Alles vorbei. Schwarze Sinnlosigkeit.
Aber dann, dann kommt das ganz Andere! Aber dann, dann kommt und handelt der ganz Andere, dann handelt Gott, der Herr. Er handelt so, wie es die Hanna bereits andeutungsweise hat erfahren dürfen, nachdem sie ihm ihre ganze Not und ihr Elend im Tempel so herzzerreißend geklagt hatte. Denn sie, die eigentlich als Frau tot war, sie durfte wieder lebendig werden, denn sie durfte unvermutet schwanger werden und einem Sohn das Leben schenken, dem späteren Propheten Samuel.
Sollte jetzt etwa der eine oder andere Mann völlig verständnislos denken wollen: „Ach, wie banal! Nur um Schwangerschaft geht es.“? Oder vielleicht würde auch mancher denken, so wie es von dem Altkanzler Adenauer überliefert ist, der sagte: „Kinder kriegen sie immer.“ Allerdings, dass das nicht so ist, das begreift man ja gerade in heutiger Zeit. Vor allem aber geht es doch darum, dass neu geborenes Leben, niemals etwas Selbstgemachtes oder nur irgendeine Hautausstülpung sein kann, sondern eben ein wunderbares, unbegreifliches und unvertretbares Geschenk Gottes. Und darum konnte die Hanna bereits singen: Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Denn genau das, das hat sie bereits selbst an Leib und Seele fühlen dürfen. Und genau das ist am Ostertag mit Jesus Christus an Leib und Seele geschehen!
Da spielte keine Rolle, dass sein Tod von den Mächtigen gewollt war, um ja nicht ihre Herrschaft und das sogenannte „normale Leben“ zu stören. Und was war damals als sogenanntes „normale Leben“ verordnet? Was Gott anbelangt, war verordnet, dass da doch die Einhaltung von ein paar Lebensregeln reichen sollte, gefälligst regelmäßige Spenden für den Unterhalt der Tempelgebäude und der Priesterschaft sollten genug sein. So war doch alles angeblich gut organisiert und das Leben für Groß und Klein anscheinend gut eingerichtet.
Und da war eben einfach jemand, der völlig anders von Gottes übermäßiger Kraft, von Gottes abgrundtiefer Liebe und Güte redete, ganz zerstörerisch und der musste deshalb einfach ausgerottet werden – öffentlich – damit jeder es sah, und ja nicht noch einmal auf den Gedanken kommen wollte, gegen die gesetzten und erprobten Regeln des Lebens zu verstoßen, mit denen man sich doch gut eingerichtet hatte, und über die die Mächtigen eben die Macht hatten. Darum also: „Weg mit dem Störenfried!“ So ließen die Mächtigen das Volk im Prozess gegen Jesus schreien!
Aber dann, dann kommt das ganz Andere! Aber dann dann kommt und handelt der ganz Andere, dann handelt Gott, der Herr. Und dann tut er eben genau das, was die Hanna bereits in ihrem Danklied besungen hat: Den Bogen der Starken hat er zerbrochen, und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke. Die Macht der Starken zerstört und dem Schwachen Stärke gegeben.
Mögen die Mächtigen und Starken tausendmal gedacht haben, durch ihre brutalen Tötungsinstrumente Jesus geschwächt, vernichtet, ausgelöscht zu haben, dennoch verliert das Kreuz seine tötende Macht und wird sogar umgedreht zum Zeichen das Heils! Es bleibt Schwäche nicht Schwäche, es bleibt Vernichtung nicht Vernichtung, denn Gott, der Herr, ist der Herr über Leben und Tod! Denn Gott, der Herr, schenkt Leben und nimmt Leben! Denn der lebendige Gott ist nicht ein Gott der Regeln, ist nicht ein Gott, der sich nach den Plänen der Mächtigen richtet. Denn Gott, der Herr, ist der Herr über alles Weltgeschehen. „Der Welt Grundfesten sind des HERRN“, so singt die Hanna, „und er hat die Erde darauf gesetzt“. Darum ist er es, der Leben schenken kann, wenn er will. Und darum erweckt er seinen Sohn, Jesus Christus, am dritten Tag von den Toten. Genau damit zeigt er aller Welt, dass seine Liebe und Güte größer und stärker sind, als alle Macht der Welt, als alle Gewalt der Mächtigen, ja, sogar größer als Tod und Teufel! Wenn das kein Grund ist, von Herzen so froh zu werden wie die Hanna, und ihren Lobgesang für die heutige Zeit fortzusetzen!
Halt! Gilt das denn nur für die Hanna damals, dass sie wieder lebendig werden kann? Oder gilt das auch für uns heute, für uns in unseren heutigen Katastrophen, in denen das Leben in uns wie abgetötet wird? Kommt dadurch etwa mit einem Mal der vermisste Partner wieder zurück? Ist damit etwa das bittere Zerwürfnis mit den Kindern erledigt? Ist damit etwa die Krankheit geheilt oder der Arbeitsplatz wieder gewonnen? Das kann sein. Nein, da dürfen wir von Gott und seinem Wirken nicht zu klein denken. Es kann aber auch sein, dass ich mit einem Male auch die Aufgaben annehmen kann, die mir als Alleinlebenden gestellt werden. Es kann auch sein, dass ich mit einem Male sehen kann, wie gut und wichtig es ist, dass die Kinder ihre Wege ohne mich gehen wollen, dürfen und müssen. Und könnte nicht auch sein, dass mir in der Krankheit dankbar die Augen geöffnet werden für Vieles, was ich sonst gar nicht hatte sehen können, weil ich es für selbstverständlich genommen hatte? Und könnte der schmerzliche Verlust des Arbeitsplatzes nicht auch den Weg frei machen für ganz neue Perspektiven und Tätigkeiten, auf die ich mich eigentlich schon immer gefreut hatte?
Denn warum sollte der Gott, dem die Grundfesten der Welt gehören, der Leben schenken kann, wenn er will, der seinen Sohn, Jesus Christus, am dritten Tag von den Toten erweckt, warum sollte der nicht auch in mein kleines Leben eingreifen können und auch mir wieder Lebendigkeit schenken und so auch in meinem kleinem Leben zeigen, dass seine Liebe und Güte größer und stärker sind, als alle Macht der Welt? Nein, so schlecht es mir auch gehen sollte, Ostern ist das unübersehbare Zeichen, dass der barmherzige Gott den Dürftigen aus dem Staub aufhebt, so, wie die Hanna bereits in alter Zeit singt, dass der barmherzige Gott den Dürftigen aus dem Staub dieser Welt aufhebt bis in alle Ewigkeit! Was für eine unüberbietbare, grenzenlose Perspektive für Dich und mich! Darum dürfen wir heute am Ostertag froh, erwartungsvoll und dankbar den Gesang der Hanna aufnehmen und festlich vollenden mit dem „Christ ist erstanden“! (EG 99) Gott sei Dank! Amen.
Perikope
Datum 08.04.2012
Bibelbuch: 1. Samuel
Kapitel / Verse: 2,1
Wochenlied: 101 106
Wochenspruch: Offb 1,18