Predigt zu 2. Könige 5, 1-19a von Christian Tegtmeier
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Predigt zu 2. Könige 5, 1-19a von Christian Tegtmeier

Ich wähle den gesamten Abschnitt des Predigttextes und gliedere meine Predigt in drei Abschnitte, die durch kurze Liedbeiträge oder durch Musik zur Meditation unterbrochen werden.
   
  (Abschnitt 1: Text 2. Könige 5, 1 – 8 verlesen.)
  Man müsste ein Gott sein, um über Leben und Tod zu verfügen. So denkt sich das der König in Israel, als er das Empfehlungsschreiben des aramäischen Königs aus der Hand seines Feldherrn Naäman erhält. Verzweiflung umgibt ihn, sein Mut hat ihn schon längst verlassen. Als König kann er solch einem versteckten Eroberungsplan nur noch ohnmächtig, mit letztem Schulterzucken und einem Schrei des Entsetzens beantworten. Hier gibt es keine Hilfe mehr. Wut und Angst, Ohnmacht und Preisgabe seines Lebensmutes kennzeichnen den Herrscher des Landes, vor dem – auf andere Weise ohnmächtig und hilflos – der Gast aus dem Aramäer Reich steht: Naäman. Er ist das Herrschen gewöhnt, ein Befehl ergeht und alles läuft so, wie er es angeordnet hat. Befehl ist nun einmal Befehl. Und sein König erwartet und verlangt dies von seinem Feldherrn und allen anderen Untergebenen. Auf Befehl geht alles – so lautet die Erfahrung des Naäman; fast alles, muss er zugeben, denn seine Krankheit kann er nicht in den Griff bekommen. Nun kommt er nach Israel, weil eine Gefangene, ihm rät, zur Heilung einen Propheten aufzusuchen.
Wie sich beide darin gleichen: König in Israel und Feldherr der Aramäer. Hilfe finden sie nicht in der Fülle und Vielfalt ihrer Möglichkeiten, in der Vollstreckung der Befehle oder bei der Ausübung ihrer Macht. Da scheitern sie. Hilfe und Zuversicht wird ihnen unerwartet von außen zugesprochen. Dem Fremden von auswärts durch eine Gefangene, dem König des Volkes Gottes durch seinen Propheten. Auch darin sind sie sich ähnlich. Die Spuren Gottes in ihrer Welt und in ihrem Alltag finden sie erst da, wo sie durch unauffällige Untertanen, Menschen, die kaum etwas gelten oder die man eigentlich nicht Ernst nimmt – wer glaubt schon einem Kleinkind als Beutestück? Wer glaubt einem Propheten, der genauso gut auch ein Hofnarr sein kann? Wer glaubt dem, was sie sagen? In der Ohnmacht, in Not und Verzweiflung greifen König wie Feldherr zur letzten Trumpfkarte, liebe Gemeinde, sie hören auf das, was Gott ihnen sagen könnte. Naäman ist zudem jemand, der diesen Gott und sein auserwähltes Volk     bisher verfolgt, unterdrückt, mit Hohn und Missachtung bedacht hat; aber wirklich von Herzen und voller Vertrauen diesem Herrn über Leben und Tod zu folgen, sich seinem Befehl unterzuordnen, das liegt außerhalb seiner Selbstbestimmung, seines geübten, geschätzten und gewünschten Lebensvollzuges. Das Kind aus der Fremde wie der Prophet lassen wissen, dass Könige keine Götter und Feldherrn wie Führer keine Retter oder Wundermänner sind. So reift bei beiden je verschieden die Einsicht, dass sie nicht Gott werden, der über Leben und Tod gebieten kann.
  
  •    Musik oder EG 299, 1 + 4  *
  
  Abschnitt 2: Text 2.Könige 5, 9 – 15. 19a) verlesen.
  
  Wer dem Wort Gott glaubt, der wird heil. – Für seine Gesundheit gibt Naäman alles; notfalls geht er auch das Risiko ein, einem Gottesmann Vertrauen zu schenken, den er nicht näher kennt. Und von dem die Leute sagen: der hilft! Wie verwandt da Naäman uns Menschen von heute ist, liebe Gemeinde. Setzen wir nicht in ähnlicher Lage oft auch alles auf eine Karte? Schenken wir da nicht auch einem Angebot unser Vertrauen, von dem wir nur wissen, dass es Hilfe und Linderung verspricht?

  Nun, Naäman möchte unter allen Umständen gesund werden; er scheut keine Mühe, zieht mit allem, was er hat, vor das Haus des Propheten Elisa und wird in seinen Erwartungen bitter enttäuscht. – vorerst jedenfalls. Denn der Prophet wirkt kein Wunder, ermöglicht nicht eine Heilung durch Zauberei, sondern spricht die Aufforderung aus, zum Jordan zu gehen und siebenmal unterzutauchen. Diesem Wort eines Gottesmannes zu folgen, verspricht die erbetene und ersehnte Heilung. Das ist ein starkes Stück, Naämans Lebenserfahrung wird auf den Kopf gestellt. War er bisher gewöhnt. Dass andere seinem Auftrag oder befehl folgen, muss er sich jetzt einem fremden Rat beugen. Die unpersönliche und demütigende Begegnung zwischen beiden bringt Naäman in Wallungen. Er soll auf seinen Willen verzichten, um Raum zu geben, dass Gottes Wille sich in ihm und für ihn ausbreite. Seine spürbare Ohnmacht und sein anfänglicher Widerwille, sich zu fügen, sind nicht nur der erste Schritt auf dem weg zum Heil; sie sind der notwendige Raum, der sich öffnet, damit Gottes Güte in seinem Leben sich entfalten kann. Dadurch wird er heil, indem er von sich absieht und zu Gott aufsieht. Oder mit den Worten unserer Jahreslosung: „Jesus Christus spricht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ – Der schwache, weil kranke und auf seine Möglichkeiten und Mittel verzichtende Naäman, kann diese Kraft zum Leben, die ihn gesund und heil machen möchte, nur so erfahren: in der eigenen Schwäche.
Eigentlich wäre es doch einfach, liebe Gemeinde: Gott gibt durch seinen Boten – hier dem Propheten Elisa – dem suchenden, dem fragenden Menschen eine einfache klare Anweisung zum Glück, zur Verbesserung seiner Lebenssituation. Ein Wort nur  und der Mensch folgt, schenkt Vertrauen. Es ist ein Glaube auf das Wort Gottes hin. Naäman braucht nochmals eine Aufforderung aus dem Kreis seiner Familie. Dann macht er sich auf den Weg, handelt so, wie ihm Elisa aufgetragen hat und wird heil und gesund. Es bedarf dann noch einer weiteren Klärung beim Geheilten. Es fällt ihm anfangs schwer, zwischen dem zu unterscheiden, der das Wunder seiner Genesung ansagt, und dem, der es vollbringt. Elisa wie andere Gottesboten, sind keine Zauberer, Wunderheiler, Geistesbeschwörer oder solche, die geheime lehren kennen und anwenden. Sie sind und bleiben Sprachrohre, Sprecher Gottes. Sie verweisen auf den Herrn über Leben und Tod, nach dem – nebenbei bemerkt – der König von Samaria suchte. Und dem er so gerne ähnlich geworden wäre. Dennoch gewinnt Naäman die Überzeugung: „Siehe, ich habe jetzt erfahren, dass es auf der ganzen Erde keinen Gott gibt außer in Israel.“ So lautet voller Dankbarkeit das Bekenntnis des Glaubens beim geheilten aramäischen Feldherrn.
  
  •    Musik zur Meditation *
  
  Abschnitt 3: Text 2.Könige 5, 16 – 18 verlesen.
  
  Geheilt und gesund, was kommt danach? – Ein kleiner Zusatz zu unserer Geschichte, liebe Gemeinde, berührt ein allzumenschliches Anliegen. Die Dankbarkeit des geheilten Naämans ist groß und allzu verständlich. Für seine Genesung möchte er durch eine Gegengabe, ein großes und wertvolles Geschenk, dem Propheten zeigen, wie glücklich und zufrieden er ist. Elisa weist das Anliegen zurück, weil er es nicht war, der half. Und Gott möchte ebenso keine Gaben annehmen. Nur der Diener zeigt unsere menschliche Schwäche, mit Gottes Wort nebenbei ein Geschäft des eigenen Vorteils zu machen. Das widerspricht dem göttlichen Anliegen, seine Zuwendung bleibt grenzenlos und ergeht umsonst an den, der sie benötigt. Was Gott erwartet, ist lediglich dies: Gottvertrauen. Die noch einmal vorgebrachte Bitte Naämans weist der Prophet ebenso höflich zurück,

  Feldherr und Gottesmann trennen sich. Die Freude des Geheilten darf bleiben, er ist vom Aussatz befreit. Dieses Glück möchte nachwirken und sich entfalten. Im letzten Wort des Propheten, seinem Abschiedsgruß, hören wir davon: es ist Gottes Friede, der über seinem Leben nun waltet, das Herz bestimmt und die Seele leitet. Ein Friede, der alles menschliche Sinnen und Trachten übersteigt.
  Amen.
  
        * Musik oder Lied EG 258.