Predigt zu Apostelgeschichte 10, 21- 35 von Michael Rambow
10,21-35

Predigt zu Apostelgeschichte 10, 21- 35 von Michael Rambow

Liebe Gemeinde!

Diese Begegnung zwischen dem römischen Besatzungsoffizier Kornelius und Petrus in Cäsarea hat eine eigentümliche Vorgeschichte. Alles beginnt so:
Bei Kornelius erscheint eines Nachmittags ein Engel mit der Botschaft, er solle Petrus zu sich nach Hause holen lassen, der sich gerade in Joppe aufhält.
Und Petrus sieht um die Mittagszeit wie auf einem Tischtuch allerlei Tiere und eine Stimme trägt ihm auf davon zu essen.

Bei solchen Bildern sagt sich mancher vielleicht: Na, da hat wohl der Mittagsschlaf dem einen und zu großer Hunger dem anderen ganz schön was vorgegaukelt.
Aber nach dieser seltsamen Vorgeschichte treffen die Kornelius und Petrus tatsächlich im Haus des Offiziers zusammen und Petrus erzählt dort, was Gott durch Jesus Christus getan hat.
Komisch ist das. Kann man so etwas glauben? fragt sofort die Skepsis des 21. Jahrhunderts.

Und genau das will Lukas mit dieser Erzählung in der Apostelgeschichte erreichen: Gibt es für Gottes Heil und Macht in der Welt eigentlich eine Grenze? Nein, antwortet er mit dieser Erzählung. Gott erreicht vielmehr  jeden Menschen auf wundersame Weise über alle Grenzen von Beruf, gesellschaftlicher Stellung oder Religion hinweg. Das lässt sich allein mit menschlichen Regeln nicht erklären.

Die Apostelgeschichte illustriert als Missionsbuch, welche enorme grenzenlose Wirkung das Heil hat, das Gott mit dem Kind in der Krippe Weihnachten in die Welt leuchten ließ.  In ganz normalen Menschen begegnet Gott mit seiner befreienden wunderbaren Botschaft des Heils.
Das sollen die Christen wissen und stets beherzigen.

Die Geschichte des Christentums ist von Anfang an eine Missionsgeschichte. Geleitet von dem Ruf und Auftrag Gottes die frohe Botschaft überallhin zu tragen überschritten Frauen und Männer die Grenzen von Religion, Nationalität, Beruf und Geographie.
Als Missionarinnen und Missionare verkünden sie fremden Menschen das Heil durch Jesus Christus.
Sie gaben fremden Völkern mitunter ihre Schriftsprache und damit häufig erst ein Stück volle Identität. Ich kenne selbst einen Missionar, der in dieser Weise in Äthiopien bei einem indigenen Volk gearbeitet hat. Mit christlicher Mission untrennbar verbunden ist oft die Bildung von Jungen und Mädchen einhergegangen und damit ein wichtiges Stück Selbstfindung sowie persönliche und berufliche Entwicklung. Christliche Mission sorgte für  Gesundheitsentwicklung und -vorsorge in fremden Völkern.
Christliche Missionare kamen nicht selten mit den staatlichen Eroberern. Leider geschah die Ausbreitung und Vermittlung des christlichen Glaubens oft mit Feuer und Schwert. An die Taufe wurden Vergünstigungen geknüpft. Fremde Kulturen wurden zerstört oder unterdrückt. Ein bitteres Kapitel der christlichen Missionsgeschichte ist das.

Aber es gibt auch die berühmte Geschichte des Dominikanerpaters Las Casas, der im Mittelalter bereits gegen die brutale Unterdrückung der Eroberer protestierte und dafür eintrat, die Rechte der Indios zu wahren. Wie er taten es laut oder leise viele.  Und nicht wenige bezahlten ihren Dienst, den sie im Namen Gottes den Fremden schuldig zu sein glaubten mit ihrem Leben oder dem Verzicht auf ihre eigene Entwicklung. Das ist die andere Seite.

Heute ist Mission wegen der unleugbaren Missbräuche in der Vergangenheit leider oft ein Unwort geworden. Wird da nicht ein Stück urchristliche Identität preisgegeben?
Es geht heute nicht mehr zuerst darum, auszuziehen und Fremden von Jesus Christus zu erzählen. Haben wir uns daran gewöhnt, dass das mit der Religion sich auf niedrigem Niveau einpendeln wird? In Deutschland scheint ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten zu sein, dass christlicher Glaube und Glaubensbindungen zurückgehen und heute eben aufgrund der Mitgliederzahlen z.B. die eine oder andere Kirche entwidmet und verkauft werden muss. Es wäre doch gar nicht falsch, daran zu erinnern, dass der christliche Glaube mehr als soziales Engagement und Gutsein ist. Nicht selten betonen christliche Einrichtungen, dass ihr Engagement nicht auf Mission zielt. Es wäre doch nicht übertrieben, wenn die christlichen Kirchen ab und zu drauf hinweisen würden, dass Jesus Christus, nach dem sie sich nennen, gesagt hat „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“. Es könnte doch auch mal appelliert werden,  die viele freie Zeit an Wochenenden oder zu großen Festen für Gottesdienstbesuche zu nutzen. Zu oft und zu schnell wird nach dem Zeitgeist gesehen, populistischer Aktivismus angestrengt und geredet, was opportun scheint und womit eben ein bestimmtes Image erstellt oder erhalten wird, in dem man sich selbst gern sieht.

Die Korneliusgeschichte wagt einen anderen Blick. Die Begegnung von Kornelius und Petrus macht den Weg frei zu einem neuen Lebens- und Dienstverständnis. Mission ist Befreiung in die Weite der Zuwendung Gottes.  Hier steht etwas von dem jede menschliche Existenz tragenden Grund:  den Erlöser und den Vater aller Menschen und menschlichen Erwartungen zu erkennen.

Hätte Lukas für wert gehalten, dieser missionarischen Begegnung fast ein ganzes Kapitel in seinem theologischen Werk einzuräumen, wenn das nicht der Kern christlichen Handelns wäre? Christsein muss fragen, was unter bestimmten Bedingungen nötig ist. Wer Gott fürchtet und das Rechte tut lebt gerecht. Mehr braucht es nicht, sagt Petrus dem Kornelius.

Die Geschichte hebt die grenzenlose Bedeutung des Weihnachten in die Welt gekommenen Lichtes hervor. Sie preist den Menschen, der ergriffen von diesem Schein, sich selbst und die Welt in einem neuen Licht sehen lernt und daraufhin dem Leben und Gott eine Chance in der Welt öffnet.

Im Grunde ist die Begegnung dieser beiden Männer Petrus und Kornelius eine anstößige Zumutung. Das Heil liegt außerhalb unserer Grenzen und Vorstellungen. Diese Grenzüberschreitung haben Petrus und nach ihm christliche Missionarinnen und Missionare immer wieder auf sich genommen und gewagt, in einer fremden Umgebung, fremden Menschen gegenüber und um den Preis missverstanden oder abgewiesen zu werden die Botschaft Gottes zu sagen. Petrus verlässt die ihm erlaubten Wege. Im Umgang mit Ungläubigen verletzt er damals wichtige Grundregeln allgemeiner Glaubensüberzeugung und Moral. In der Ausbreitung des Glaubens gibt es diesen Anstoß immer wieder, die Grenzen der Moral, der Norm, der guten Sitten zu überschreiten.

Einmal wurde ich gefragt, warum ich die gottesdienstlichen Abkündigungen stets mit dem Spruch schloss: „Der Herr segne seine Gemeinde und alle Mitglieder nach dem Reichtum seiner Gnade“. Er drückt aus, wozu wir alle eingeladen sind: Mit-Glieder zu sein am Leib Christi in dieser Welt unabhängig von gesellschaftlicher Stellung, politischer Überzeugung, beruflichem Auftrag, nationaler Herkunft. Davon sollte berichtet werden. Die Botschaft öffnet Ohren und Herz und Augen für Gottes Licht unter den Völkern. Wir entdecken Menschen, die durch Jesus Christus zu Mit-Gliedern berufen sind.