Predigt zu Epheser 2,17-22 von Karl Hardecker
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Predigt zu Epheser 2,17-22 von Karl Hardecker

Liebe Gemeinde,

nach dem vorletzten Spiel des VfB Stuttgart stürmten wütende Fans auf den Platz und beschimpften die Spieler. Beeindruckend mutig stellten sich die Spieler den aufgebrachten Fans. Allerdings waren die wenigsten Vorwürfe sachlich und gut begründet; zum größten Teil handelte es sich um Beschimpfungen und Beleidigungen der übelsten Art.

Eine Bürgerversammlung vor zwei Monaten in Halle geriet außer Kontrolle und endete in Geschrei und üblen Beleidigungen. Bei der Versammlung war es um die Information über eine geplante Unterbringung von 16 allein reisenden jugendlichen Flüchtlingen gegangen. Mitarbeiter des Roten Kreuzes, das die Betreuung übernehmen wollte, wurden daran gehindert, das Vorhaben näher zu erklären.

Wo nichts mehr zusammengeht, wo alles auseinanderstrebt, wo kein kleinster gemeinsamer Nenner mehr möglich ist und Menschen sich nur noch anstarren, anschreien und niederbrüllen, ist alles verloren und droht größter Unfrieden, ja Hass und Gewalt.

Wo nichts mehr geht und kein gegenseitiges Verständnis mehr möglich ist, da wirkt auch kein Geist mehr; da regiert tiefste Geistlosigkeit. Und wo der Geist klein ist, wird das Geschrei, das Gebrüll groß. Da ist das Pfingstfest aus der Gemeinschaft verschwunden.

Aus dem: Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen wird dann etwas ganz Anderes: Es soll nicht durch meinen Geist geschehen, sondern durch Heer und durch Kraft, durch Hetze und Pöbelei…

Das ist dann kein Evangelium mehr, da spricht dann die Straße und sie spricht verächtlich und dumpf. Und schafft kein Vertrauen. Aber ohne Vertrauen ist Frieden nicht möglich. Und Frieden, der nicht ganz verschiedenen Menschen gilt, hat keinen Wert. Denn das kostbare am Frieden ist dies, dass er der Frieden unterschiedlicher Menschen und unterschiedlicher Völker ist. Deshalb ist das Evangelium dort gute Nachricht, wo es Frieden denen, die nahe waren und denen, die ferne waren, also Juden und Heiden bringt. Darin ist unser Text eine frohe Botschaft. Jesus wirkt als ein Versöhner, der über die Grenzen ethnischer und religiöser Zugehörigkeit hinweg Menschen den Frieden bringt. Und diese Grenzüberschreitung ist Jesus nur möglich, weil er im Geist Gottes redet und handelt. In der Kraft dieses Geistes heilt er Besessene, Blinde und Lahme. In der Kraft dieses Geistes vergibt er Sünden und heilt er Gelähmte. In der Kraft dieses Geistes berührt er Aussätzige und sucht die Gemeinschaft der Zöllner und Huren.

Dieser Geist atmet den Schöpfungsmorgen und schreibt der Schöpfung das Wort in ihr Herz: Und siehe, es war gut.

Und dieses Wort trägt Jesus, der Christus nun hinüber zu den Blinden und zu den Lahmen: Du bist gut.

Sein Verhalten und sein Tun atmet dieses Wort: Du bist gut. Der Geist, der darin wirkt, der richtet auf und macht gesund. Verschlossene Gesichter öffnen sich und strahlen. Verkrampfte Gesichtszüge glätten und entspannen sich. Frieden Dir und Frieden mir und uns der Frieden dieses Gottes, der uns liebt.

So wäre es denn ganz einfach, wenn wir vertrauen könnten und wenn wir leben könnten ganz aus diesem Geist!

Wenn wir uns eingestünden: manchmal fehlt uns nicht nur das Vertrauen, manchmal fehlt uns auch der Geist. Dann wird die Sorge groß, dann wächst die Angst. Dann verschließt sich Herz und Mund und auch Gesicht; dann hören wir nicht mehr genau, dann drehen wir uns um uns selbst; dann haben wir keinen Zugang mehr zu uns und keinen Zugang mehr zu unserem Nächsten. Dann haben wir auch keinen Zugang mehr zu Gott; denn wie sollten wir den auch haben ohne dieses Vertrauen, das uns fehlt?

Ja, diese Zeiten gibt es und diese Tage, wo uns der Geist fehlt und das Vertrauen schwindet und Gott ganz fern zu sein scheint; diese Tage gibt es bei uns und diese gibt es auch für ganze Völker. Wenn ein Krieg beginnt; wenn die Diplomatie verliert; wenn Abgeordnete aus dem Parlament heraus verhaftet werden und Regime kritische Journalisten ins Gefängnis müssen. In solchen Momenten hat der Geist verloren und hat die Gewalt gesiegt. In solchen Momenten zieht das Misstrauen ein in eine Gesellschaft und mit dem Misstrauen der Hass.

Ein neuer Nationalismus ist in Europa erstarkt. Mir fällt es schwer, in diesem Nationalismus geistige Qualitäten zu erkennen. Ihn geistlos zu nennen, klingt überheblich. Aber wo ist seine Grenz überschreitende Macht? Wo nimmt er Menschen die Angst und wo ist seine Menschenfreundlichkeit, die über die Gleichgesinnten hinausgeht? Blanker Rassismus ist geistlos; blanker Rassismus atmet keine Weite und atmet nicht den weiten Horizont unseres Gottes.

Womöglich haben die vielen, die sich in diesen Parolen verstehen, ein Bedürfnis nach Orientierung und Angst, unter zu gehen in einem Europa der vielen, das dann auch noch unterschiedlichste Kulturen und Religionen beherbergt. Wer sich da seiner selbst nicht sicher ist und wer womöglich gar nicht seine kulturellen und religiösen Wurzeln kennt, der oder die fühlt sich überfordert, der sucht das kleine, überschaubare, ein Vereinsfest, - ja und der Stadtteil und die Stadt, vielleicht auch noch das Land, aber bitte nicht mehr. Grenzziehung statt Grenzüberschreitung. Deutsch statt Englisch, Französisch, Arabisch. Die Pfingstgeschichte brauchen wir nicht.

Dann aber siegt die Angst; dann siegt die Kleinstaaterei; dann verliert der Geist seinen Atem der Weite und Vielfalt.

Der Geist Gottes aber fängt an in der lebendigen Begegnung, von Angesicht zu Angesicht. Er fängt an beim anerkennenden Zuspruch, beim eindeutigen Ja zu einem anderen Menschen. Er fängt an bei der Freude am anderen, dass es ihn gibt, wie es ihn oder sie gibt, eben als diesen einmaligen Menschen. Er beginnt damit, dass eine einheimische Frau ihren Arm schützend um diese Frau aus Syrien legt, die trauert um ihre getöteten Verwandten. Der Geist Jesu wirkt da, wo ein junger geflüchteter Eritreer das offene Ohr eines einheimischen Mannes findet, der ihn versteht.

Wo beginnt der Geist? Wo das Evangelium wirkt und der Geist Gottes die Herzen von Menschen ergreift, da entsteht Vertrauen, Vertrauen zum anderen, allererst zu dem, der mir fremd und ganz fern zu sein scheint, Vertrauen zu Gott, zu dem ich Zugang habe durch Christus und Vertrauen zu mir selbst, dass ich mitwirken kann an etwas Größerem. Und dieses Größere ist der Frieden zwischen unterschiedlichen Menschen. Dieses Größere wird vorbereitet durch das Verständnis füreinander. Dieses Größere wird vorbereitet durch eine Menschenfreundlichkeit, die alles durchdringt und überall zu spüren ist. Dieses größere eines umfassenden Friedens wird vorbereitet durch einen menschenfreundlichen Gott, den uns Jesus nahegebracht hat. In seinem Geist, im Geist Jesu wird ein Haus vorbereitet, das Platz hat für alle, ein Menschenhaus, in dem jeder Zuflucht findet, Ansprache und Hilfe für seine Ängste, ein Menschenhaus, dessen Architektonik diesen Geist atmet und das ohne diesen Geist schnell zerfällt und zur Wüste wird. Deshalb lasst uns bitten um diesen größeren Geist Jesu, den Geist der Liebe und des Friedens, den Geist, der uns aufatmen und frei werden lässt. Amen