Predigt zu Lukas 18, 1-8 von Heinz Behrends

Gute Nachricht für jedes Kind: Quengeln lohnt sich. Du musst nur lange genug jaulen und betteln und drängeln, dann bekommst du, was du haben willst. „Bitte, Mama, lass mich heute abend bis 1 Uhr weg bleiben. Die Disco fängt doch erst um 11 Uhr an“.

„Ach, du nervst mich schon wieder.“ – Bitte, bitte, Mama“. „Du bleibst zu Hause“. – „Bitte Mama, einmal nur“. „Na, gut, dies eine Mal“. „Und kann Papa mich abholen“? – „Muss er dann ja wohl. Er holt Dich um1 Uhr ab“.  Und dabei wollten wir heute mal früh ins Bett, gemütlich lesen und noch ein bißchen kuscheln, denkt sie. Immer unsere süßen Blagen. Wie Plagegeister kommen die lieben Kinder daher. Um endlich Ruhe zu haben, gibt die Mutter nach. Die Strategie ist aufgegangen, weiß die Tochter. Die Erziehung ist im Eimer, denkt Mutter. Sie war wieder mal nicht konsequent, hat sich weich kochen lassen. „Ja, ich weiß, es war falsch“, sagt sie, als sie ihrer Freundin davon erzählt.

Es fällt mir nicht schwer, mich in das Gleichnis Jesu vom Inkonsequenten Richter hinein zu denken und zu –fühlen.

Da ist offensichtlich eine junge Witwe -man heiratete früh,- der ein Teil ihres Erbes vorenthalten wird. Sie kann dem Richter kein Geschenk machen. Er ist ein unbestechlicher Mann. „Er fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen“.  Ihr Prozessgegner ist ein reicher Mann. Sie hat nur eine Waffe im Prozess: Ihre Beharrlichkeit.

Der Richter erfüllt ihre Bitte um Recht, weil sie ihn nervt und weil er befürchtet, dass sie ihm eine runter haut. Eine kernige Geschichte.

„Er sagte ihnen aber ein Gleichnis drüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten“, so leitet Jesus das Gleichnis ein.

Bete beharrlich, drängele Gott und Deine Bitte wird erfüllt, das ist die Botschaft.

Viele Erfahrungen sprechen dagegen.

Sie war eine sehr intensive Beterin. Jeden Morgen nannte sie alle Namen, derer, um die sich sorgte, ihren Kindern legte sie betend die Hand auf den Kopf, wenn sie sie morgens zum Schulbus verabschiedete. Wenn sie am Wochenende zur Mittagsruhe mit geschlossenen Augen auf dem Sofa lag und er flüsterte: „Schläfst Du, Schatz“, dann antwortete sie: „Nein, ich bete.“

Doch es kam die Krise, ihr Mann bekam Prostata-Krebs. Während seiner Operation in der Klinik saß sie betend in der Krankenhaus-Kapelle. Zwei Jahre später war sie dran: Gebärmutter-Krebs. Es verunsicherte sie noch mehr. „Das Beten fällt mir sehr schwer“, sagte sie. „Dann bete ich jetzt für Dich“, entgegnete ihr Mann und sprach vor und nach der Operation die Gebete an ihrem Bett.

Als die jüngste Tochter die Diagnose MS bekam, schrie sie laut: „Warum, Gott?“ und verstummte fortan. Das Vertrauen war schwer gestört. Sie blieb ratlos: „Ich kann nicht mehr beten. Das ist schlimm. Ich verzweifle“. Die Verbindung zu Gott war unterbrochen.

Im Stillen las sie die Gedanken in andere Menschen hinein. „In guten Zeiten für andere beten, keine Kunst.“ – „Ja, wo ist denn jetzt Dein Gott?“ – „Sie tut mir leid. Sie hatte so einen festen Glauben“.  

Hat sie vorher zu viel vertraut? War sie nicht krisenfest genug? Wollte Gott sie prüfen und stärken?  Kein schöner Gedanke.

Hatte sie zu wenig Geduld gehabt? „Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze“, sagt Jesus.

Wenn schon der leicht korrumpierbare Richter sich erweichen läßt, was dann erst Gott.

Hatte sie sich zu klein gemacht?

Die Witwe im Gleichnis tritt sehr resolut auf. Auf Augenhöhe. Das beeindruckt mich, das Selbstbewusstsein der Witwe. Sie läßt sich von gesellschaftlichem Abstieg, von Diffamierungen nicht irritieren. Sie drängelt und bittet. Gott will keine kleinen Kriecher, die sich selbst demütigen, sondern kraftvolle Beter.

Sie ist stark gegenüber Gott. Sie lässt sich nicht mit frommen Sprüchen abspeisen.

Wenn Gott mich als sein Gegenüber geschaffen hat, dann will ich in meinem Leid ernst genommen werden.

Leichte Zweifel sind angebracht. „Wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden“?

Doch warum hat die drängelnde Tochter um einen späten Disco-Besuch Erfolg bei ihrer Mutter? Weil sie eine lebendige Beziehung miteinander haben, verbunden bleiben, was immer auch ist.

Das Beten und die Erfüllung der Bitten sind ein weites Feld. Nach dem Gleichnis von dem Richter und der Witwe erzählt Lukas das Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner, der sich hinten im Tempel stehend an die Brust schlägt und sagt: „Gott sei mir Sünder gnädig“. Einer der sich im Vergleich zum Pharisäer selbst erniedrigt und deshalb erhöht wird.

Ich halte mich an die Witwe und an die Frau, die drei Einschläge in kurzer Zeit hinter sich hat.

Sie hat ein halbes Jahr gebraucht, um wieder in Kontakt zu kommen.

Heute übernimmt sie wieder das Gebet am Morgen. Sie nennt die Namen derer, um die sie sich sorgt.

Und damit sie niemanden vergisst, hat sie die Namen aufgeschrieben.

Diese Woche sind es acht.