Predigt zu Markus 8,31-38 von Maximilian Heßlein
8,31-38

Predigt zu Markus 8,31-38 von Maximilian Heßlein

31 Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.
32 Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren.
33 Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh weg von mir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.
34 Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
35 Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten.
36 Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden?
37 Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
38 Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.

Liebe Gemeinde,

genießen Sie das bunte Narrentreiben auf den Straßen, in den Räumen und vor allem in den Köpfen dieser Welt? Gehören Sie zu den Menschen, die sich an den Übertragungen aus Köln, Mainz oder Düsseldorf oder wo auch immer der Karneval und die Fasnacht gerade so stark sind, laben? Sind Sie von dieser Zeit im Moment so richtig ergriffen und reisen zu den Umzügen und in die Hochburgen? Oder gehören Sie eher zu der anderen Sorte, die innerlich oder sogar äußerlich auf der Flucht vor der massiven Präsenz der Narren ist. Ich kenne in der Tat Menschen, die fliehen mehr oder weniger ernsthaft in andere Städte vor dem Karneval, obwohl es ja hier in der Kurpfalz wahrlich gesittet zugeht.

Ich selbst bin eigentlich ein ordentlicher Fasnachtsskeptiker. Das ist nicht mein Fest. Da bin ich von Herkunft und Naturell einfach anders geprägt. Die roten Nasen finde ich eher albern, von bunten Haaren hätte ich selbst nicht besonders viel, die Verkleidungen sind nicht mein Ding. Ich bin gerne ich selbst in den eigenen Kleidern, in denen ich mich wohlfühle.

Draußen auf den Straßen, auf den Plätzen und den Wegen aber steuert das sogenannte närrische Treiben seinem Höhepunkt zu. Die Diskussionen um die Gestaltung der Karnevalswagen ist abgeschlossen. In diesem Jahr sind ja tatsächlich auch die Gefahren gewägt worden, die man mit dem einen oder anderen Motiv eingehen würde.

Im Alemannischen aber ist nun also der erste große Höhepunkt mit dem Donnerstag schon geschafft, in Mannheim ist heute Nachmittag der Umzug, in den Karnevalshochburgen am Rhein wird es morgen soweit sein und am Dienstag schießen sich auch die Heidelberger an.

Dann wird es wieder stiller im Land. Es wird Aschermittwoch. Es wird Passion. Es beginnt der schmerzhafte Weg Jesu ans Kreuz. Wir gedenken seiner und bereiten uns damit auf das große Fest der Ostern vor.

Diese Zeit im Januar und Februar eines Jahres aber, die kommt mir doch immer ein wenig aufgesetzt und gezwungen komisch vor, bevor es dann ernst wird. Das mag vielleicht an meinen Vorurteilen über diese Zeit liegen.

Denn: Wenn ich diese Zeit richtig betrachte und auch meine eigene Entwicklung vor Augen nehme, dann erlebe ich sie dieses Jahr und das von Jahr zu Jahr mehr ein wenig anders. Ich stelle an mir selbst erstaunt fest: Die Skepsis über diese Zeit weicht allmählich.

Ich glaube, das hat folgenden Hintergrund. Der liegt vor allem in den letzten beiden Wochen begründet. Neulich las ich nämlich einen sehr netten Eintrag bei Facebook: „Ich habe da so etwas Helles am Himmel gesehen und habe mich richtig erschrocken und dann waren da auch noch so blaue Fetzen! Was soll das?“

An diesem launigen Eintrag habe ich bei mir festgestellt, vielleicht geht es Ihnen ebenso: Allmählich reicht es mir mit dem Winter. Ich will den nicht mehr haben und sehen. Ich mag kein grau in grau mehr. Ich mag keine Kälte mehr, die so nach und nach von den Füßen kriechend den ganzen Körper erreicht und letztlich auch die Hände zu Eiszapfen werden lässt.

Ja, wenn es jetzt Ende November oder Dezember wäre, dann wäre ich froh und glücklich mit den einzelnen Schneeflocken. Dann würde ich meine Kinder gerne schnappen und draußen mit Schneebällen werfen und mich freuen an den weißen Dingen dieses Lebens. Aber so geht das gerade nicht.

Vielmehr lastet das Grau des Stadtwinters schwer auf mir wie ein Todesschleier, der sich über mein Leben legt. Das macht sich breit in der Seele und sie droht ernsthaft Schaden zu nehmen. Schauen Sie sich einfach einmal auf der Straße um, fragen Sie Ihre Freunde und Bekannten. Sie werden viele finden, ich bin sicher, die zurzeit mit den dunklen Wintergedanken zu tun haben.

Ich fühle mich dem Simon Petrus sehr verbunden in dieser Zeit, wenn der sich so vehement gegen das wehrt, was Jesus ihm da offenbart. Petrus nämlich fürchtet sehr um seinen Freund und Begleiter. Er fürchtet um seinen Christus. Er fürchtet um die Nähe Gottes in seinem Leben.

Deswegen nimmt er Jesus beiseite. Ich kann mir diese Szene so richtig vorstellen. Petrus hört, was der Herr sagt. Da nimmt er ihn am Arm, zieht ihn ein wenig aus der Menge hinweg und redet in leisem Flüsterton auf ihn ein. Er sucht das private Zwiegespräch. So, wie ich das tue, wenn ich jemandem widersprechen will oder muss und ihn dabei aber nicht öffentlich beschädigen und bloßstellen will. Dann suche ich den geschützten Raum.

Und wie das so oft ist bei Petrus, und wie das so oft ist bei uns Menschen, wie das so oft ist bei mir. Petrus meint es gut. Und er macht es falsch. So jedenfalls deute ich die harsche Reaktion Jesu auf das Ansinnen des Jüngers. „Geh weg von mir, Satan!“, spricht er.

Können Sie sich vorstellen, wie das den Petrus getroffen haben muss? Ich spüre genau, wie es ihm zugleich heiß und kalt wird. Wie die Beine anfangen zu wackeln, die Knie weich werden und ihm die Röte ins Gesicht schießt.

Mein armer Petrus, mein armer Bruder im Glauben, mein armer Bruder im Kämpfen mit Gott und dem Leben: Jetzt kommt zu dem Schreck über den bevorstehenden Leidensweg auch noch der Bruch mit Jesus dazu. Wahrscheinlich fühlt er sich unendlich bloß und nackt. Das wissen Sie, liebe Gemeinde, das ist die Scham, die ihm hier begegnet.

Ich habe lange gerätselt, Ihr Lieben, warum Christus so direkt und so scharf auf Petrus reagiert. Hätte er nicht auch in Freundlichkeit und Güte dem Petrus widersprechen können? Hätte er ihn nicht einfach im Stillen ein Wort gesagt und alles wäre gut gewesen? Jesus tut genau das nicht.

Wissen Sie, woher das kommt?

Petrus begegnet dem Tod in der Ankündigung Jesu. Er tut das, weil der Tod sich in unserem Leben immer und immer wieder seinen Platz nimmt. Ob wir das zulassen oder nicht. Er bläst und bläht sich auf, ohne dass wir noch an ihm vorbeischauen können. Und er macht einsam. Durch und durch.

Das kennen Sie, wenn Sie ihm selbst schon einmal begegnet sind im Familien- oder Freundeskreis. Da bekommt er eine unglaubliche Macht und Präsenz, und wir erleben, wie wenig wir ihm entgehen, wie wenig wir ihm entgegenhalten. Das Schöne und  das Bunte dieses Lebens scheinen zuerst einmal zu entschwinden.

So auch Petrus. Er hört nur das Leiden. Er hört nicht die Auferstehung. Das aber ist ja nun einfach das, was ihn mit Ihnen und mit mir verbindet. So ist die Todesbegegnung.

Da aber hilft nur eines. Und genau deswegen reagiert Christus so hart. Es hilft nur das Miteinander, die Überwindung der Einsamkeit und die Stärkung der Gemeinschaft, untereinander und mit Gott.

In seinem Erschrecken über die Ankündigung Jesu aber durchbricht Petrus diese Gemeinschaft. Er versucht sich außerhalb des Kreises der Jünger zu stellen, nimmt Jesus für sich allein, stellt sich selbst über die Dinge und nimmt sich damit die Basis, mit den kommenden Geschehnissen, mit Sterben und Tod umzugehen. Er sucht allein seinen Weg mit Gott.

Darin aber, Ihr Lieben, darin sind wir verloren. Diesen Weg gibt es nicht. Ich kann mir die Botschaften Gottes nicht selbst zusprechen. Ich kann mir nicht selbst vergeben. Ich kann nicht vor mir selbst bekennen, was ich falsch mache. Ich kann dem Tod nicht allein ins Gesicht schauen und zugleich das Lebenswort hören.

Ich brauche vielmehr ein starkes, korrigierendes Gegenüber. Ich brauche jemanden, der oder die mir zuhört, mich auf meinen Wegen begleitet, mir in der Kälte des Winters und in der immer wieder einziehenden inneren Kälte mit Wärme begegnet, so wie es in manchen Wohnungen warm ist vor Herzlichkeit, Weisheit und Liebe. Das kennen Sie solche Abbilder der Wohnungen Gottes!

Jesus Christus durchbricht diesen einsamen Weg des Lebens. Er nimmt die Jünger in dieses Geschehen mit hinein und stößt den Petrus auf diejenigen, die ihn auf dem Weg durch das Leid und in das Licht begleiten werden.

Das nämlich hat Petrus in seinem ersten Hören nicht mitbekommen, sonst hätte er den Herrn nicht gegriffen. Am Ende des Weges Jesu steht nicht der Tod. Sondern da steht das Leben. Rein und klar. Hell und weit. Wohlriechend und duftend. Bunt und in Ewigkeit in Gottes Hand geborgen. Das ist die Zukunft, Ihr Lieben, der wir entgegengehen. Das ist Jesu Weg für uns hinauf nach Jerusalem, hinauf ans Kreuz, hinunter in den Tod, um dann mit Kraft wieder zu kommen.

Liebe Gemeinde, in der Schwere, die unser Leben manches Mal für uns bereit hält, gibt es ganz einfache Möglichkeiten, die schönen Seiten des Lebens zu entdecken und festzuhalten. In allem Grau dieser Zeit sind leuchtend gelbe Perücken gut anzuschauen. Die roten Nasen schimmern von weit her durch Schnee und Matsch. So, Ihr Lieben, leuchtet uns auch die Auferstehung entgegen. Dieses Leuchten aber kann ich nur erkennen, wenn jemand anders es trägt, weil ich selbst dazu nicht in der Lage bin. Auf meiner Nase leuchtet es nicht.

Wissen Sie, was mich unglaublich tröstet und meine Seele heilt. Jesus Christus weiß von diesem harten Weg durch Leid und Trauer, durch Sterben und Tod. Er weiß, wie das ist, diesen Weg alleine gehen zu müssen. Er geht ihn selbst und wird mir darin der Gott meiner Gegenwart, der sich in meinem Leben wirklich auskennt.

Ich mag ihm gerne nachfolgen. Kommen Sie mit, gehen wir in Gemeinschaft mit ihm hinauf nach Jerusalem durch die Passion, durch das Kreuz zur Auferstehung und bleiben wir durch Glaube, Hoffnung und Liebe in seiner Gegenwart geborgen und behütet. Amen.

 

Lied zur Predigt

EG 384: Lasset uns mit Jesus ziehen

EG 566 (Baden): Seele, mach dich eilig auf