Predigt zu Matthäus 21, 1-10 von Joachim Hempel
21,1-10

Predigt zu Matthäus 21, 1-10 von Joachim Hempel

Waren Sie, – und wenn ja, wann und mit wem, gegen wen oder  für was und wo waren Sie das letzte Mal auf der Straße – Demonstrant?

Advent beginnt doch nicht ganz so besinnlich oder gar betulich mit Kerzenlicht und Teestunde, Lebkuchen und Tannengrün wie's kirchlich geradezu modern geworden ist im Kampf um die Deutungshoheit für diese Zeit zwischen Konsum- Weihnachtsmann-Geschenke-Mentalität und biblischem Copyright-für Bethlehems Stall.

Jerusalems Straßen waren voller Leute, Handel und Gastronomie hatten gut zu tun, da kommt ein reitend Einziehender gerade recht, um ihn mit Hoch-Rufen, Palmwedeln und ordentlich zustimmendem Beifall zu grüßen und auf dem Weg zu begleiten. Die genaueren Umstände sind gar nicht so wichtig, denn nach dem bemerkenswerten Auftritt und Einritt fragt sich mit dem Evangelisten Matthäus 'die ganze Stadt:  Wer ist dieser?

Aber erstmal sind viele dabei, machen mit, wie immer, wenn in der Stadt was los ist; die Reihe der „Heil, Hoch, Hosianna, Kreuzige, Weg mit ihm, wir wollen den – Rufen“ ist ja endlos, und gerade in unseren Tagen wird sie mit Rufen für Menschen im umkämpften Kobane oder bei der kleinen Lokführertruppe GDL mit Demonstrationen und Streiks weiter vermehrt: Das Recht der Demonstrationsfreiheit ist durch die Verfassung garantiert, in Hongkong wären viele froh, wenn sie nicht um Leib und Leben fürchten müssten, wenn sie auf den Straßen sind.

Hauptsache, Mensch weiß wofür und wogegen, denn  sonst ist der Weg zu energiegeladener Randale nicht weit, wie uns ja auch allenthalben durch sogenannte Fußballfans vor Augen geführt wird, die Sport zum 'Hau-drauf-Ereignis' degradieren.

Nun, Jesus zieht in Jerusalem ein, und für Matthäus beginnt damit die letzte Woche dramatischer Ereignisse, die am Kreuz enden und doch erst am Ostermorgen ihre Deutung erfahren. Diese Geschichte gab mit abgehauenen Zweigen, den Palmwedeln, dem 'Palmsonntag' zu Beginn der Karwoche vor dem Osterfest seinen Namen, - und wer vor zahlreichem Advent in seinem Leben (wie oft haben wir ihn denn schon erlebt, wir, die wir so in die Jahre des Lebens gekommen sind, mit unseren Lebenserfahrungen, die nicht so leicht Neuem mehr Platz machen wollen oder können...), wer vor zahlreichem Advent in seinem Leben sich noch eine Überraschungsecke freigehalten hat, der darf schon ein bisschen staunen, dass die Palmsonntagsgeschichte alle Jahre wieder am Beginn der Adventszeit steht, die ja doch zu Bethlehems Stall führt:

Aber genau recht so, denn Idylle im Stall gibt’s nur für die, die keine Ahnung haben, was Kindesgeburt in kalt-windigem Stall bergigen Landes bedeutet (mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass unter den durchgeknalltesten Eventangeboten der alternativen Advents- und Weihnachtstage schon ein 'Bringen Sie ihr Kind doch zu Heilig Abend im windigen Stall zur Welt – die ultimativ andere Geburt'... Angebot wäre). Die Geschichte vom 'eseligen' Einzug Jesu in Jerusalem weist uns auf den ganzen Jesus von der wundersamen Ankündigung seiner Geburt über die Heilige Nacht zum Esel, der Vater, Mutter und Kind als Flüchtlingen in Ägypten hilft, weist uns auf sein Reden und Tun als von Gott besonders Erwählter bis eben zu Anklage, Urteil, Tod und Grab. Und all dies erhält zu Letzt den österlichen Morgengruß, in dem sich Gott als Freund des Lebens erweist – und das dauerhaft, eben ewiglich.

Advent ist Zeit der Besinnung auf den ganzen Lebensweg, seinen und meinen, da verbindet sich auf wunderbare Weise der Weg Jesu mit meinem durch den Alltag des Lebens. Und wir tun gut daran, in Jesu Lebensweg etwas zu entdecken, mit dem Gott uns etwas zeigen und erklären, deuten und schenken will. Jesu Bedeutung liegt darin, dass Gott in ihm und mit ihm uns unser Leben deutet und und dadurch bedeutend macht. Er macht, was ich bin; er kennt auch mich und hat mich lieb, wie es im Lied von den Sternlein am Himmel heißt, von denen wir bis heute nicht zu sagen wissen, wieviel Sternlein es wirklich sind: Wunderbar, denn Gottes Vermögen ist mächtig und groß.

Palmsonntags-Esel-Einzugsgeschichte öffnet uns die Herzen und Gedanken, damit, wenn wir 'Macht hoch die Tür, die Tor macht weit' singen, auch die richtigen Verständnistüren sich öffnen und sein Geist einziehen kann, dessen adventliche Frischluftzufuhr wir alle nach des ganzen Jahres dicker Luft im Beziehungstheater zwischen Menschen, Völkern und Nationen dringend bedürfen. Sonst bleibt am Ende noch unser Ureigenstes auf der Strecke vor lauter Auseinandersetzungen, Anklagen, Verdächtigungen, Hass und Terror und Krieg (diese vielen Toten in Syrien in all den Jahren: warum, warum, warum nur?), nämlich dass wir vor allem, - vor allem eins sind, nämlich Menschen, die gut damit zu tun haben, das zu sein: menschlich!

„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“ - die Ankunft dieser existentiellen, lebensspendenden Botschaft steht bevor: Türen auf, Gottes Geist erfülle unsere Herzen und Gedanken – adventus Domine!

Amen.