Predigt zu Matthäus 22,1-13 von Heiner Braunschweiger
22,1

Predigt zu Matthäus 22,1-13 von Heiner Braunschweiger

Matthäus 22,1-13
  Und Jesus fing an und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach:
  Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.
  Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden; doch sie wollten nicht kommen.
  Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach:  Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit!
  Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft.
  Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie.
  Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an.
  Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste sind’s nicht wert.
  Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet.
  Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll.
  Da ging der König hinein, sich die Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewand an, und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an? Er aber verstummte.
  Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm die Hände und Füße und werft ihn in die Finsternis hinaus! Da wird Heulen und Zähneklappern sein.
  Liebe Gemeinde!
  Wir sind mit einer Geschichte dann einverstanden und zufrieden, wenn sie einen glücklichen Ausgang nimmt. Happy end oder wie  der Volksmund sagt: Ende gut, alles gut.
  Daran ist schon etwas Wahres. Alles strebt ja einem Ende zu. Und wenn dieses Ende nur finstre Nacht, nur Heulen und Zähneklappern ist, dann ist das ein böses Ende, und wir fragen erschrocken, ob dann nicht die ganze Geschichte sinnlos sei, ob es nicht besser wäre, diese ganze Geschichte hätte niemals begonnen.
Es ist gut, wenn wir angesichts der Geschichte, die Jesus erzählt, erschrecken und ins Fragen kommen. Denn er erzählt ja unsere Geschichte, die wir in ihrer Tiefe gar nicht kennen, weil wir uns selber nicht kennen. Und darum wissen wir auch nicht, wie sie endet.
Wir wissen nur, wenn sie so endet, wie im Gleichnis, dann wäre es besser, sie wäre nie geschehen und es hätte uns nie gegeben. – Das ist menschlich geredet, menschliche Logik: Ende gut, alles gut. Ende schlecht, alles schlecht.
Aber nun gibt es Gott-sei-Dank noch eine andere, die göttliche Logik und die lautet: Anfang gut, alles gut. Denn was Gott gut anfängt, das kann unter gar keinen Umständen böse enden.
  Denn Gott ist kein Dämon, der die Welt aus einer miesen Laune heraus als Spielball geschaffen hat, sondern er ist die Liebe, die königliche Liebe, die mit seiner Schöpfung feiern will. Hochzeit feiern will.
  Und darum erzählt der, durch den diese Liebe ein Gesicht bekam: „Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.“
So fängt das Gleichnis an, und so fängt die Schöpfung an. – Warum ist überhaupt etwas und nicht nichts? – so lautet die philosophische Frage nach dem Sein.
  Die biblische Antwort ist: Weil Gott Hochzeit feiern will.
Weil die Liebe nicht für sich sein will. Weil sie überfließen will. Weil sie freien will.
  Darum ist Gott das Wagnis der Schöpfung eingegangen: das Wagnis, dass sein königliches Ebenbild, der Mensch, die Einladung ausschlagen könnte.
  Dass er auf anderen Hochzeiten tanzen könnte, auf Hochzeiten von Herren und Mächten, die nichts anderes als den Ruin der Schöpfung im Sinn haben.
Und wahrlich, es ist nicht zu fassen! Der Mensch wendet sich von seinem Schöpfer ab, er verachtet ihn und seine  Einladung und geht seinen Geschäften nach: „der eine ging auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft“ – heißt es im Gleichnis.
  Und dass sich einige noch an den Boten des Königs vergreifen, sie verhöhnen und töten, das macht nur vollends deutlich, was der Mensch von seinem Schöpfer hält, wie er zu ihm steht: in Hass und Feindschaft nämlich.
„Wenn es einen Gott gibt, wie könnte ich es ertragen, nicht Gott zu sein“, sagt Friedrich Nietzsche. Und deckt damit auf, was hinter der Verachtung der königlichen Hochzeit steckt.
  Der Mensch will selber Gott spielen. Und dazu geht er an seine  Geschäfte. Aber ohne Gott werden es gott-lose, dunkle Geschäfte sein, die die Welt verdunkeln.
Und das ist ja das Schreckliche, das wir täglich vor Augen haben, wenn wir es nur sehen wollen, und was das Johannesevangelium so sagt: „Die Welt liebt die Finsternis mehr als das Licht.“
  Und keiner glaube da sich ausgenommen, auch der Frömmste nicht. Denn in jedem von uns wohnt ein Stück Welt.
Und Welt, das meint den Menschen, der nicht aus Gott, sondern aus sich selber leben will. Der sich als Planet aus dem Sonnensystem herausgelöst hat und nur noch um sich selber kreist.
  Aber nun lacht ihm nicht mehr die Sonne. Er hat sich ja von ihr abgewandt. Es ist finster in ihm. Und aus dieser Finsternis steigen dunkle Geister und dunkle Gedanken. Und die Angst frisst seine Seele auf.
  Die Angst um sich selbst, die Angst, sich selber zu verlieren, die Angst, zu kurz zu kommen, die Angst, nicht geliebt zu werden und darum nichts wert zu sein.
„Da wurde der König zornig… und er sprach zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereitet, aber die Gäste waren’s nicht wert.“
Liebe Gemeinde,
  diese Angst um uns selbst, die Angst, nicht geliebt, nichts wert zu sein – das ist der Zorn Gottes, das ist die andere Seite seiner Liebe, das ist das dunkle, schreckliche Nein, das über dieser Welt steht und sie verfinstert und bedroht und das von jedem Nein gespeist wird, das aus dem Herzen des Menschen steigt, mit dem er die Einladung des königlichen Schöpfers verachtet. (Und dieses Nein ist ja auch das Nein zum Mitmenschen.)
Aber es bleibt dabei: „Gott ist Licht, und es ist keine Finsternis in ihm.“ Doch wo der Mensch dem Licht den Rücken kehrt, da wird es finster, da verdunkelt sich das helle Bild Gottes und das erfahre ich als Gottes Zorn.
Es bleibt dabei: Gott ist der Liebende, der sich in Liebe nach seinen Geschöpfen verzehrt, der am Anfang sein Ja-Wort gesprochen hat, der an der Hochzeit festhalten wird gegen alles Nein der Welt.
„Die Hochzeit ist bereit, aber die Gäste waren’s nicht wert.“ – Wird Gott nun nach solchen Ausschau halten, die’s wert sind? Wird er andere Gäste einladen?
Es gibt keine anderen, liebe Gemeinde. Es gibt nur solche, die es nicht wert sind. Es gibt nur Menschen jenseits von Eden. Und das sind solche, die Gott den Rücken gekehrt haben.
„Darum geht hinaus auf die Straßen“ heißt es im Gleichnis, „und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet. Und die Knechte gingen und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute“, moralisch Hochstehende und solche die auf die Moral und die guten Sitten pfeifen, Fromme und Unfromme, Skinheads und Tippelbrüder und die gut bürgerliche Gesellschaft – sie alle wurden gefunden.
  Und die Tische wurden alle voll.
  Alle, alle Tische wurden voll!
  Das ist doch höchst bemerkenswert. Denn für jedes seiner Geschöpfe hat Gott einen Platz geschaffen an seinem Tisch. Und nun sind alle Plätze besetzt. Das Haus Gottes ist voll.
  Die Hochzeit kann beginnen.
Ist das nicht seltsam? – Die Menschen haben sich von ihrem Schöpfer abgewandt. Sie haben seine königliche Einladung verachtet. Sie waren’s nicht wert, an der Hochzeit teilzunehmen. Und nun sitzen sie alle da und warten sehnsüchtig drauf, dass das Fest beginnt.
Welch wunderbare Wandlung, was für ein geheimnisvolles Wunder muss hier zwischenzeitlich geschehen sein!
  Aus diesem Nein, das über der Welt hing und sie zu vernichten drohte, muss ein Ja geworden sein. Aus den Gästen, die der Hochzeit nicht wert waren, müssen honorige und wertgeachtete Geschöpfe geworden sein.
Ja, diese Wandlung, dieses Wunder aller Wunder ist geschehen: am Kreuz auf Golgatha.
  Dort hat Gott selbst das furchtbare, nichtende Nein auf sich genommen und hat es mit seinem schöpferischen Ja umfangen. Dort hat er den Zorn in seine Liebe versenkt.
  Dort hat das Licht die Finsternis verschlungen.
  Dort erging das Gericht über die Welt.
  Und es erging so, dass Gott den verqueren, in sich selbst verkrümmten Menschen wieder aufgerichtet und neu geschaffen hat.
  „Es ist vollbracht!“ sprach der Gottessohn, das wahre königliche Ebenbild Gottes am Kreuz und neigte sein Haupt und gab seinen Geist auf, gab ihn der ganzen Schöpfung.
Es ist vollbracht, d.h. aus dem unwerten, nichtigen, gottlosen Menschen wurde der neue, Gottes würdige und von ihm wert geachtete Mensch.
  Die Hochzeit kann nun beginnen.
  Und im letzten Buch der Bibel wird uns ein Blick gewährt in das Geheimnis der Hochzeit.
Da ist eine breite Treppe, die führt vom Himmel herab auf die Erde, und herab steig eine Frau. Eine Braut schreitet herab, schön, geschmückt, in festlichem Gewande, glücklich und strahlend ihrem Bräutigam entgegen.
Die Braut, das ist das Symbol der Vollkommenheit, der vollendete, durch alle Wandlungen dieses Lebens hindurch zur Reife gekommene Mensch, der sein Glück, seine Bestimmung, seine Heimat und Geborgenheit gefunden hat.
Die Braut, das ist das Bild für die von den Todesmächten und aus dem Teufelskreis der Angst befreiten Schöpfung, - der Mensch, der keine Angst mehr hat um sich selbst, weil er sich geliebt weiß, unendlich geliebt von seinem Schöpfer.
  Der deshalb auch keinem anderen Geschöpf mehr Angst einjagt und es missbraucht zur eigenen Bestätigung.
Er ist gekleidet und umhüllt vom Geist des wahren Ebenbildes, dem Geist der Gerechtigkeit und der Hoffnung, das ist „sein Schmuck und Ehrenkleid“ und er ist „gekrönt mit Gnade und Barmherzigkeit“.
  Die Taufe ist der symbolische Akt dieser Einkleidung und Krönung.
Nun sind sie also alle versammelt im Hochzeitssaal des Königs.
  Sehnsuchtsvoll erwarten sie sein Kommen. Dann wird die Hochzeit beginnen, wenn  er in seinem Glanz und in seiner Herrlichkeit erscheinen wird. Dann wird das Fest der neuen Schöpfung gefeiert.
  Dann wird „Gott abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein“ – so lesen wir im letzten Buch der Bibel.
Unser Gleichnis aber endet mit Heulen und Zähneklappern. Wie geht das zusammen?
  Für die menschliche Logik ist das ein Widerspruch. Wir bringen das nicht zusammen: die Liebe Gottes und das Leid der Geschöpfe, Gutes und Böses, Himmel und Erde – das bringen wir nicht zusammen.
  Aber in der göttlichen Logik fallen alle Gegensätze zusammen.
  Anfang gut – alles gut.
  Christus ist das A und das O, der Anfang und das Ende. Und in ihm, in seinem Tod und seiner Auferstehung sind alle Gegensätze aufgehoben. Und darum ist der Anfang wie das Ende gut.
Von dieser Logik, von dieser Hoffnung war – wie kaum ein anderer – der Pfarrer und Landtagsabgeordnete Christoph Blumhardt am Ende des 19. Jahrhunderts durchdrungen.
  „Muss ich für einen Menschen, muss ich für ein Gebiet oder für eine Erde die Hoffnung aufgeben, dann ist mir Jesus nicht auferstanden!“ – so sagte er es in einer seiner Predigten.
  Und weiter: „Dann bleibt eine Last des Todes, eine Last des Wehes, eine Last der Nacht und der Finsternis – dann ist eben Jesus nicht das Licht der Welt.
  Dann sage ich kühn vor Gott, vor den Engeln und vor Jesus selber: ‚Du bist nicht das Licht der Welt, wenn ich irgendwo die Hoffnung aufgeben muss.’“
Das, liebe Gemeinde, ist Geist vom Geiste Jesu, der nichts und niemanden verloren gibt.
  Blumhardt brennt vor Hoffnung und Erwartung, dass alles einmal gut wird, dass alles einmal heil wird.
ER hat das große, gewaltige Ja-Wort Gottes gehört, tief in seinem Herzen. Und dieses Wort ist ihm so groß und so gewaltig, dass er die ganze Schöpfung darin umfangen und aufgehoben weiß.
Doch da sitzt nun einer zu Tisch im Hochzeitssaal und hat kein  hochzeitliches Gewand an.
  Kann das sein, dass da einer dabei ist, der nicht weiß, was sich gehört für ein solches Fest?
  Kann es sein, fragt der Evangelist Matthäus seine Gemeinde, die Gemeinde der Getauften – und so sind auch wir gefragt: Kann es sein, dass du den Geist Christi, mit dem du bei der Taufe beschenkt und überkleidet wurdest, - dass du diesen Geist der Gerechtigkeit und der Hoffnung auch wieder verlieren, dass du ihn vertreiben kannst?
  Ja, das kann sein, warnt dieses Gleichnis. Auf mancherlei Weise ist der Hl. Geist zu beleidigen und zu verlieren.
  Z.B. wenn ich ihn in die Enge meiner menschlichen Logik sperren will.
  Wenn ich ihn für mich privat pachten will, wenn ich glaube, ich hätte ihn verdient durch mein gutes Benehmen, durch meinen Anstand und durch meine einwandfreie Moral.
  Und vor allem, wenn ich ihn anderen abspreche, wenn ich aus dem unendlich barmherzigen schöpferischen Geist, der weht, wann und wo er will, einen Krämergeist mache, den ich berechnen kann –
  Dann ist in mir ein ganz anderer Geist am Werk, nicht der Geist, der die Welt mit seinem schöpferischen
  Ja-Wort umfängt und erneuert, sondern der Geist, der stets verneint, der böse Geist, aus dessen finsterem Abgrund alles steigt, was diese Welt so unwirtlich und unbarmherzig macht.
Und dieser Geist muss gebunden und verworfen werden, hinausgeworfen werden in die Finsternis, in das Nichts, dorthin, wo er auch herkommt.
  Christoph Blumhard sagt: „Gerecht sein heißt: Für sich und für andere nicht verzagen, sondern das Beste hoffen.“
  Für sich allein zu hoffen ist zu wenig, ist ungerecht, weil Gott in Christus sein Recht für die ganze Schöpfung, für jeden Menschen wieder aufgerichtet hat.
  Nur für sich hoffen heißt, den Geist Gottes zu beleidigen, weil dieser Geist in der ganzen Schöpfung seufzt und sich sehnt nach der Freiheit der Gotteskindschaft, wie Paulus sagt.
  Darum: Hüten wir uns vor der geist-losen Hoffnung!
  Jeder Getaufte muss für die Welt ein Hoffnungsträger sein, ein lebendiges Zeichen dafür, dass Gott seine Schöpfung freien will, dass das Ende ein Anfang ist, der Anfang eines ewigen Festes.
  „Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet.“
  Amen