Predigt zu Matthäus 3,13-17 von Thomas Bautz
3,13-17

Predigt zu Matthäus 3,13-17 von Thomas Bautz

Damals kam Jesus von Galiläa her an den Jordan zu Johannes, um sich (auch) von ihm taufen zu lassen. Der wollte ihm aber nicht zu Willen sein und sagte: „Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“

Doch Jesus gab ihm zur Antwort: „Lass es für diesmal geschehen, denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Da gab Johannes ihm nach.

Als Jesus aber getauft und soeben aus dem Wasser gestiegen war, siehe, da taten sich die Himmel auf, und er (Johannes oder Jesus) sah Geist Gottes herabsteigen - wie eine Taube auf sich kommen. Und siehe, eine Stimme erscholl aus den Himmeln: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe!“

Liebe Gemeinde!

Diese Geschichte verdeutlicht uns zunächst die Berechtigung und Notwendigkeit historischer Leben-Jesu-Forschung allgemein, wie sie sich in (fünf) verschiedenen Phasen etwa seit 1740 bis heute vollzogen hat. Die Erzählung von der Taufe Jesu sagt enorm Wichtiges über den historischen Jesus und seine Beziehung zu Johannes den Täufer. Sie lässt Klarheit gewinnen über die Verzeichnung beider Personen durch urchristliche Überlieferung und dogmatische Vereinnahmung, wie sie seit dem Frühchristentum in Dogmen- und Theologiegeschichte bis in unsere Zeit waltet. Allerdings ist ein großer Teil der Forschung heute wieder bereit, Jesus von Nazareth in seinem damaligen gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und religiösen Umfeld nachzuspüren. Das heißt u.a., ihn als Juden anzuerkennen.

Denn die bei den drei Evangelien (Mk, Lk, Mt) überlieferte „Taufe Jesu“ erfährt jeweils charakteristische Veränderungen; bei Joh entfällt sie komplett. Man fügt etwas hinzu, man lässt etwas weg, man interpretiert, man verändert - dabei wird Entscheidendes über die jeweilige Intention der Verfasser und die jeweilige Tradition ihrer Empfänger ausgesagt.

Ein Vergleich der verschiedenen Versionen der Geschichte zeigt, dass der erzählten Taufe Jesu ein historisches Ereignis zugrunde liegt. „Anstößiges“ findet sich nur bei Mk (1,4) und Lk (3,3): der Nazarener begehrt - wie viele andere seiner Landsleute - von Johannes dem Täufer, dem letzten Propheten, Prediger der Umkehr und Buße, der Sinnesänderung und des Umdenkens die „Taufe zur Vergebung der Sünden“. Denn diese hat der Täufer am Rande der Wüste gepredigt.

So hat sich die urchristliche Überlieferung Jesus aber nicht vorgestellt - das passt nicht ins Konzept! Jesus als Täufling des Johannes ist schon schwer verdauliche Kost. Die Tatsache, dass es sich auch noch um einen „Reinigungsritus“ handelt, erklärtermaßen zur „Vergebung der Sünden“, kollidiert mit der konstruierten Vorstellung eines „sündlosen“ Jesus. Im JohEv (1,29ff) geht Jesus „mit Sünden belastet“ zum Täufer, trägt aber nicht seine eigenen Sünden,  vielmehr nimmt er - als „Lamm Gottes“ - hinweg die „Sünden der Welt“!

„Sünde“ meint zunächst nichts Moralisches, so wie wir es meist assoziieren; Sünde bedeutet auch keine metaphysische (übersinnliche) Trennung von „Gott“. Mit „Sünde“ bezeichnet man vielmehr „Zielverfehlung“; das Griechische - von Homer, Aischylos bis zum NT - benutzt den Ausdruck hamartía: wenn ein Bogenschütze ein Ziel verfehlt. Es wird auch metaphorisch gebraucht: das Lebensziel, den Lebenssinn verfehlen. Im Althebräischen meint der Ausdruck chata’a allgemein „Verfehlen eines Ziels“. Später verengt sich die Bedeutung und wird zum moralischen, religiösen Begriff „Sünde“; sogar im Sprachgebrauch des modernen Hebräisch bezeichnet „Chet“ (gleiche Wurzel wie im Althebr.) „Sünde, Vergehen“. Verfehlen Menschen nicht immer wieder ihr Lebensziel, oder gehen sie nicht zumindest streckenweise in die Irre?

Auch der Nazarener läuft Gefahr, sein Ziel zu verfehlen. Johannes der Täufer aber ist sein Lehrer und Jesu Taufe nur konsequent. Für den historischen Jesus gibt es keinen Grund, sich aus der großen Schar der Johannesanhänger zu exponieren oder abzuheben, indem er sich der Taufe entzöge. Auch spricht selbst aus der Überlieferung noch die große Wertschätzung, die der spätere Rabbi Jesus seinem einstigen Lehrer gegenüber bekundet (Mt 11,9f.11.14):

Johannes sei mehr als ein Prophet, bedeutender als irgendein Mensch, der je gelebt hat, und Jesus identifiziert ihn mit Elija, dessen Kommen vorausgesagt war. Damit ist zum Ausdruck gebracht, wie aufrichtig Jesus zu seinem Lehrer Johannes d.T. empor geschaut hat.

Doch hat sich bei Mt ein sog. Taufgespräch zwischen dem Täufer und Jesus „eingeschlichen“. Wenn sich die Taufe Jesu schon nicht ignorieren ließe, so musste zumindest geleugnet werden, dass er ihrer bedurfte. „Ich habe es nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir?!“, lässt Mt den Täufer sagen und legt Jesus die „fadenscheinige“ wie „nebulöse“ Antwort in den Mund: „Lass jetzt, denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen“ (Mt 3,14f).

Die von Bibelübersetzern verfasste Übertragung der Guten Nachricht trifft den Sinn besser  (Mt 3,15): „Das ist es, was wir jetzt zu tun haben, damit alles geschieht, was Gott will.“

Nicht zufällig ist die Taufe Jesu bei den Evangelien (Mt 4,1-11; Mk 1,12-13; Lk 4,1-13) mit der Erzählung von der „Versuchung Jesu“ inhaltlich verknüpft. Versucht werden kann nur jemand, der auch versuchlich ist. Die Art und Weise der Versuchungen (!) Jesu sagt natürlich auch Richtiges, Wichtiges über die Versuchlichkeit des Menschen schlechthin aus. Aber das ist heute nicht unser Thema. Wir halten lediglich fest: Der Geist, der Jesus bei seiner Taufe „gegeben“ wird, führt ihn anschließend in die Wüste, damit er dort versucht würde (Mt 4,1f).

Wenden wir uns dem Taufgeschehen selbst und den Begleiterscheinungen zu: „Als Jesus aber getauft und soeben aus dem Wasser gestiegen war, siehe, da taten sich die Himmel auf, und er (Johannes oder Jesus) sah Geist Gottes herabsteigen - wie eine Taube auf sich kommen.“

In Vorderasien stand die Taube im Zusammenhang mit der Fruchtbarkeitsgöttin Ischtar bzw. in Phönikien mit dem Astarte-Kult und diente als Botenvogel der Liebe. In Griechenland war sie der Liebesgöttin Aphrodite zugeordnet. Im Hohenlied Salomos werden die Blicke der Geliebten mit „Tauben" verglichen (Hld 4,1), was so viel bedeutet wie: „Deine Blicke sind Liebesboten; Du bist schön, und deine Blicke künden von Liebe und Bereitschaft zur Liebe“.

So hat Gottes Bestätigung und Erwählung seines geliebten Sohnes bei der Taufe des Johannes auch etwas Zärtliches, Liebevolles. Daher ist es durchaus zulässig, wenn wir uns Gott auch als liebevollen, zärtlichen Vater oder Mutter vorstellen. Wer sich bei Gott geborgen weiß, dessen Leben hat schon eine entscheidende Umkehr, Wende, Erneuerung oder Wiedergeburt erfahren. Die Johannestaufe ermöglicht ein Leben aus Gott, das Früchte der Buße, der Umkehr, Früchte des Heiligen Geistes, trägt.

„Und siehe, eine Stimme erscholl aus den Himmeln: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe!“

Jesus hat die Bedeutung der Johannestaufe sehr ernst genommen; er verbindet sie mit Gottes Willen, dem Gerechtigkeit widerfahren solle; er stimmt dem Grundgedanken des Täufers zu, dass alle Menschen es nötig haben, sich wieder auf ihre wahre Bestimmung zu besinnen und Gottes Kinder zu werden (Joh 1,12). Allerdings ist der Nazarener noch radikaler, denn er weiß, dass es nicht ausreicht, Menschen aufzufordern, ihr Leben zu ändern. Es bedarf vielmehr des neuen Grundvertrauens in die unerschütterliche, unerklärliche Liebe des himmlischen Vaters.

Für Jesus wird die Taufe zu einem Zeichen, sich Gott auf Gedeih und Verderb zu überlassen; so lässt er sich in die Fluten des Jordan ein- und untertauchen. Wieder auftauchend wird ihm bewusst, dass Gott niemals nur gerecht ist, sondern vor allem großmütig, gütig, barmherzig: Menschen dürfen einem Gott vertrauen, der vergibt, der nicht töten und uns nicht in einem todähnlichen, abgestorbenen Zustand belassen, sondern uns beleben und lebendig erhalten will. Es geht Jesus also in keiner Weise darum, lediglich einer Pflicht, nämlich der Teilnahme an einem Taufritual, Genüge zu tun.

Für uns könnte die Taufe Jesu durch Johannes den Anfang all dessen bedeuten, „was Gott uns zu sagen hat in der Person des Jesus von Nazareth als unseres Bruders“ (E. Drewermann). Es wird zugleich deutlich, wie der spätere Rabbi oder Lehrer Jesus sich selbst sieht, und worin er den Kern seiner Botschaft erkennen wird: Es ist die Vorstellung einer neuen Art, wie Gott redet, nämlich in Gestalt des „Sohnes“ oder auf „Sohnesweise“ (Hebr 1,2); ich bevorzuge den heute verständlicheren Ausdruck: „auf kindliche Weise“, schon deshalb, weil Kinder viel eher Vertrauen investieren, als wir Erwachsene jemals bereit sind.

Die brutale Wirklichkeit des Lebens erschüttert - nicht nur in den Krisengebieten, wo Kinder erbärmlich verhungern oder versklavt werden oder als Kriegsopfer verrecken - das nötige Grundvertrauen. In reichen Industrienationen und in wirtschaftlich aufstrebenden Ländern werden immer mehr Kinder und junge Menschen Opfer von Gewaltverbrechen wie sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, Zwangsprostitution. Besonders Mädchen und junge Frauen sind betroffen. Die Pädophilie hat längst - im Verbund mit der Pornoindustrie - ins Internet Einzug gehalten. Spezialisten bei Europol und Interpol setzen sich Tag und Nacht den Strahlen ihrer Computerbildschirme aus. Wie sollen all diese Opfer je genesen und noch Vertrauen lernen?

In unserer Erwachsenenwelt spricht man noch gelegentlich vom „Gottvertrauen“, das man etwa in bestimmten Lebenslagen oder Situationen bräuchte; wer es „hat“, wird auch schon mal darum beneidet. Man benötige auch (mehr) Selbstvertrauen, und wie steht es erst mit dem Vertrauen unter einander, in zwischenmenschlichen Beziehungen? Beides scheint nicht ganz so einfach, wie man denken könnte.

Eine materialistische und auf viele Sicherheiten bedachte Erwerbs- und Konsumgesellschaft trimmt ihre Kinder und Jugendliche, Leistungen zu erbringen, sich im Wettbewerb beruflich  zu behaupten, möglichst effektive Rücklagen zu bilden, Kapital Gewinn bringend einzusetzen. Für vertrauensbildende Maßnahmen ist da wenig Platz, oder sie spielen nur vorübergehend für Geschäftsbeziehungen bei gleichstarken Partnern eine Rolle.

Viele Menschen gebärden sich so, als wären sie ständig auf der Flucht - nicht nur vor anderen, sondern auch vor sich selbst. Eben deshalb scheint vieles darauf anzukommen - wie Jesus als unser mögliches Vorbild -, die Menschen zu lehren bzw. ihnen zu vermitteln, dass sie nicht mehr länger vor einander und vor sich selbst ausweichen oder fliehen müssen, dass sie nicht an sich selbst vorbeileben - ihr Lebensziel verfehlen - müssen. Vielmehr gilt es, sich zu stellen, ins kalte Wasser zu springen, um womöglich ganz neue Erfahrungen zu machen.

Wir sollten dem Vorbild des historischen Jesus folgen - der nach mehrheitlicher Erkenntnis der Forschung selbst keine christologischen Hoheitstitel wie Sohn Gottes, Messias/ Christus, Menschensohn oder sogar „Gott“ für sich beansprucht hat -, um Menschen heute „etwas von Gott näherzubringen“, ihnen „ein Stück vom Himmel zu öffnen“. Mit jeder Geburt eines Menschleins ist sozusagen etwas vom Himmel auf die Erde gekommen, für uns „unableitbar, unerklärbar“, etwas „Freies, Kostbares und wunderbar Schönes“, ein Geheimnis, das zu schützen und lebendig zu erhalten es uns eigentlich wert sein müsste (Drewermann).

Es gilt, unseren Mitmenschen ihre Würde und Selbstachtung wiederfinden zu lassen - dort wo sie an der Grausamkeit einer Krise zu zerbrechen drohen; wo sie in den Augen anderer schon als gescheiterte Existenzen, als Versager dastehen; wo eine unerbittliche Maschinerie sie im Berufsleben hat ausbrennen lassen, oder wo Langzeitarbeitslosigkeit sie hat müde und mürbe werden lassen, so dass einstige Phantasie, Kreativität und Elan längst abgelöst wurden gegen stupide Belanglosigkeit und Gleichgültigkeit.

Als dankbarer, stolzer Vater eines neunjährigen Jungen wächst in mir von Tag zu Tag der Wunsch, seine Begeisterungsfähigkeit zu fördern und ihm ein erfülltes Leben in dem Sinn zu ermöglichen, den er irgendwann selbst wird finden müssen. Wenn es mir gelingt, ein paar Wegmarken auf der Suche nach seinem Lebensziel noch mit ihm gemeinsam zu entdecken, werde ich sehr glücklich sein. Ich wünsche meinem Sohn ein geistvoll erfülltes Leben, also kein materiell gesättigtes Leben, das man auch schnell satt haben kann. Er sei gesegnet!

Wenn Menschen einander segnen, statt sich mit Flüchen zu bedenken; wenn wir versuchen, einander ernsthaft zu verstehen, statt uns mit Vorurteilen zu begegnen oder uns gegenseitig auf Dauer etwas nachtragen und uns damit unnötig Gewalt antun; wenn wir zuließen, dass jemand uns liebt, können wir allmählich auch wieder Liebe empfinden und weitergeben. Liebe und Güte vertragen sich aber nicht mit Machtansprüchen; wer auftrumpft, zeigt damit, wie unsicher er im Grunde ist und wie wenig er sich akzeptiert und geliebt weiß. Glücklich ist der Mensch, der aus freiem Willen etwas Hilfreiches oder Nützliches tut, ohne dadurch etwas anderes - Geld, Ansehen, Einfluss, Macht - anzustreben oder zu begehren.

Ob sich „Geist Gottes“ auch auf unser Leben herabsenkt, vielleicht auf ungeahnte Weise uns längst begleitet - wir bedürfen keines Zeichens, keiner Gestalt wie eine Taube, aber man kann sich unsere „Seele“ wie Noahs dritte Taube vorstellen, die er nach der Sintflut aussendet und die erst eine Weile unruhig umherflattert, bis sie wieder trockenes Land findet. (Drewermann)

Menschen sehnen sich nach Heimat; wir finden sie am ehesten, indem wir anderen eine Heimat schaffen. Angesichts der heißen Debatten um die Aufnahme der vielen Flüchtlinge und der Diskussionen um eine Änderung des Asylrechts ist das Thema „Heimat“ aktueller, als man es sich hat vorstellen können. Aber ich verstehe „Heimat“ noch in einem tieferem Sinn: Wenn ich für einen Menschen eintrete, ihm Respekt erweise, ihn achte, ihm dadurch seine Würde zeige, betrete ich mit ihm gemeinsamen Raum, schaffe eine Sphäre des Menschlichen. Das Gegenteil wäre Abgrenzung; wir blieben dann einander fremd und jeder lebte weiter in der Fremde, ohne eine Heimat, die man miteinander teilte.

Wenn Vertrauen entstehen oder sogar wachsen soll, dann bedarf es auch der Bereitschaft und des tieferen Interesses als unabdingbare Voraussetzung. Lässt sich das in Kirchengemeinden eher erfahren als andernorts in der Gesellschaft? Sind vertrauensbildende Maßnahmen in den Kirchen eher möglich oder gegeben?

Nun, Kirchengemeinden sind ein Teil der Gesellschaft, ihre Mitglieder - das wird vielleicht allzu oft vergessen oder gar verdrängt - sind Bürger der Gesellschaft, und als solche haben sie auch Teil an kulturellen, wirtschaftlichen, politischen Gegebenheiten. Sie haben sich den gleichen Gesetzmäßigkeiten einer vom Erfolgsdenken und materiellem Konsum geprägten Lebenshaltung angepasst. Kleinere Projekte oder Alternativen ändern nichts im Wesentlichen.

„Aber etwas Entscheidendes muss doch anders sein“, mögen Sie einwenden. Ja, in der Kirche pflegt (!) man ein Denken, eine Sprache, wie ich sie normalerweise andernorts nicht höre. Diese Tatsache wird in neueren praktisch-theologischen Entwürfen sogar als wünschenswert bezeichnet. Ich bin eher für eine radikale Anschauung, wie sie mir bei der Evangelienlektüre hindurch scheint, wenn sie von Johannes dem Täufer und Jesus von Nazareth erzählen.

Wenn wir in der Kirche normalerweise Babys und Kleinkinder taufen, signalisiert das meist zweierlei: (ideelle) Aufnahme des Kindes in die Gemeinde als einer Glaubensgemeinschaft  und Aufnahme des Kindes in den Schutzraum Gottes, unter seinen Segen. Ich freue mich, wenn Eltern ihre Kinder im Konfirmandenalter taufen lassen; dann darf ich eher voraussetzen, dass die Jugendlichen schon ein wenig über Glaubensfragen nachgedacht haben.

Seltener lassen sich Erwachsene taufen; ich bin dann besonders beglückt und empfinde die Gespräche vorher als Bereicherung. Johannes predigt eine „Taufe der Umkehr“ - wahrlich etwas ganz anderes als ein Sakrament. Martin Luther kommt der Intention des Täufers nah, wenn er mit der Taufe eines Kindes die Möglichkeit verbindet, dass sich die Erwachsenen an ihre Taufe im tieferen Sinne erinnern sollen. Die Taufe Jesu durch Johannes könnte uns zu denken geben, insbesondere weil der Nazarener sie begehrt. Wir sollten die Möglichkeit stärker in den Blick nehmen, Menschen erst zu taufen, wenn sie mündig, erwachsen sind.

Den Kindern geht derweil nichts verloren; davon zeugt das Ereignis „Segnung der Kinder“, von dem Mt (19,13-14) erzählt, das aber ungern in unserem Zusammenhang gehört wird:

„Da wurden Kinder zu ihm gebracht, damit er die Hände auf sie legte und betete. Die Jünger aber fuhren sie an. Doch Jesus entgegnete: Lasset die Kinder und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solchen gehört das Himmelreich.

Es würde also völlig ausreichen, wenn wir - dem Beispiel Jesu folgend - Kinder segneten. Den Segen kann ein Geistlicher spenden, aber vor allem sollten die Eltern ihn praktizieren. Auf keinen Fall möchte ich Eltern suggerieren, ihr Kind ginge oder wäre ohne Taufe „verloren“, es bedürfe durch die Taufe der Errettung, wäre nur kraft dieses „Sakraments“ bei Gott angenommen (o.ä.). Nein! Den Kindern „gehört das Himmelreich“ - was bedarf es mehr; wer vermag das noch zu steigern?! Deshalb sollten wir uns ganz auf eine Taufe zur Umkehr konzentrieren, die freilich nur für Menschen geeignet ist, die eines Umdenkens fähig sind und dies sozusagen auch nötig haben.

Dass Gott das Leben eines Menschen, ob als Kind, Heranwachsender oder Erwachsener mit seinem gütigen Segen wohlwollend begleitet, dessen dürfen wir gewiss sein. Ich gebe aber auch zu, dass mir dabei immer wieder Zweifel kommen, weil ich manche Schicksale, von denen Menschen betroffen sind, unmöglich als segensreich für sie betrachten kann. Aber vielleicht schließt der „Segen Gottes“ auf eine von außen nicht erkennbare Weise sogar die „Hölle“ mit ein. Ermutigend finde ich, dass immer wieder Menschen Beistand und Hilfe geben, selbst Nachteile auf sich nehmend und oft genug unter Einsatz ihres Lebens.

Amen.

Literatur

Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus, EKK I/1 (1985), 150-158.

Gerd Theissen/ Annette Merz: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch (21997), 184-198.

Eugen Drewermann: Das Matthäusevangelium. 1. Teil: Bilder der Erfüllung (1992), 320-324.

Herbert Braun: Jesus - der Mann aus Nazareth und seine Zeit (erw. Studienausgabe, 1984), 34ff, 240ff.

Jürgen Becker: Jesus von Nazaret (1996), 38ff.

Daniel Alain Bertrand: Le baptème de Jésus. Histoire de l’exégèse aux deux premiers siècles (1973), 4-20.

Ernst Käsemann: Exegetische Versuche und Besinnungen. 1. Band (41965): Das Problem des historischen Jesus, erstmals in ZThK 51 (1954), 187-214.

Annette Großbongardt/ Dietmar Pieper (Hg.): Jesus von Nazareth und die Anfänge des Christentums (2012): Der Fluch des Täufers (Christoph Türcke), 170-178.