Predigt zu Philipper 2,5-11 von Winfried Klotz
2,5-11

Predigt zu Philipper 2,5-11 von Winfried Klotz

(Übersetzung Gute Nachricht Bibel)
5 Habt im Umgang miteinander stets vor Augen, was für einen Maßstab Jesus Christus gesetzt hat: ... Joh 13,15; 1Petr 2,21; Röm 15,5   Wörtlich Dies sinnt unter euch, was auch in Christus Jesus.
6 Er war in allem Gott gleich, und doch hielt er nicht gierig daran fest, so wie Gott zu sein.   Joh 1,1-2; 17,5; Hebr 1,3
7 Er gab alle seine Vorrechte auf und wurde einem Sklaven gleich. Er wurde ein Mensch in dieser Welt und teilte das Leben der Menschen.   2Kor 8,9; Joh 1,14S
8 Im Gehorsam gegen Gott erniedrigte er sich so tief, dass er sogar den Tod auf sich nahm, ja, den Verbrechertod am Kreuz.   Hebr 5,8; 12,2
9 Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm den Rang und Namen verliehen, der ihn hoch über alle stellt.   Apg 2,33S; Eph 1,21; Hebr 1,4   Wörtlich und ihm den Namen verliehen, der über jeden Namen ist; gemeint ist der Würdetitel Herr (Vers 11).
10 Vor Jesus müssen alle auf die Knie fallen – alle, die im Himmel sind, auf der Erde und unter der Erde;   (2,10-11) Jes 45,23; Joh 5,23-24; Offb 5,13
11 alle müssen feierlich bekennen: »Jesus Christus ist der Herr!« Und so wird Gott, der Vater, geehrt.

Liebe Gemeinde!

Nach dem ersten Hören unseres Abschnittes aus dem 2. Kapitel des Philipperbriefes denkt vielleicht jemand von Ihnen: das ist ja ziemlich überirdisch, was der Apostel Paulus da schreibt. Das lässt sich gar nicht in Verbindung setzen mit uns. Paulus bringt da eine Sicht von Jesus als Gott vor aller Zeit, der nach einem kurzen irdischen Zwischenspiel dann die Herrschaft über die ganze Welt, über Himmel und Hölle antritt. Ich hab da ein anderes Bild von Jesus; der war doch Mensch, ist als jüdischer Lehrer, als Rabbi umhergezogen und hat Schüler gehabt und weil er unbequem wurde, lieferten ihn religiöse Führer seines Volkes an die Römer aus, die ihn kreuzigen ließen. Viel mehr ist von Jesus doch nicht zu sagen. Viel mehr steht doch auch nicht in den Evangelien, jedenfalls den drei ersten. Oder?

Vor allem zwei Fragen sind mit diesem Einstieg in unseren biblischen Abschnitt, ein von Paulus zitiertes urchristliches Lied, angesprochen:

Was ist von Jesus zu sagen? Was sagen die Evangelien, das Neue Testament überhaupt von ihm? Und wo kommen wir vor, wenn es um Jesus geht, jedenfalls im Zusammenhang von Philipper 2?

Ich fange mit der zweiten Frage an: Wo kommen wir vor in unserem Abschnitt? Klar und eindeutig in Vers 5, mit dem Paulus den Übergang herstellt von der liebevollen Ermahnung in den Versen 1-4 und dem Christuslied: „Habt im Umgang miteinander stets vor Augen, was für einen Maßstab Jesus Christus gesetzt hat.“ Deutlich hat Paulus da die Leute der Gemeinde in Philippi im Blick und wir könnten uns davon auch ansprechen lassen. Aber was meint er mit dem Maßstab, den Jesus gesetzt hat für den Umgang miteinander? Sollen wir Jesus imitieren, als kleine Jesuse durch die Welt laufen? Anderen predigen, vielleicht sogar Wunder tun und schließlich am Widerstand scheitern wie er? Umgang miteinander? Paulus hat eine Gruppe im Blick, die Gemeinde in Philippi. Ist gemeint: die Christen in der Gemeinde in Philippi sollen sich wie Jesus verhalten? Der auf seinen schönen Platz im Himmel verzichtet hat, am Kreuz gestorben ist, um dann so richtig aufzusteigen? Jesus als Maßstab im Umgang miteinander, was meint Paulus damit? Verzichte um zu gewinnen? In den Versen 3+4 unseres Kapitels heißt es:

„Seid bescheiden und achtet den Bruder oder die Schwester mehr als euch selbst. Denkt nicht an euren eigenen Vorteil, sondern an den der anderen.“ Geht es um das, was man Demut nennt? Um die Bereitschaft den eigenen Vorteil zugunsten anderer zurückzustellen?

Ja, darum kann es auch gehen. Aber, wenn ich es recht verstehe, meint Paulus nicht, imitiert Jesus, sondern führt euer Leben von Jesus her. Von Jesu her soll sich ergeben, wie ihr miteinander umgeht, er ist die Basis. Eure Verbindung mit Jesus, eure Gemeinschaft mit ihm soll euren Weg als Christen bestimmen, leiten und führen. Imitieren könnte heißen, ich muss, um richtig Christ/in zu sein, das Leiden - mein Kreuz- suchen. Und: Ich muss immer demütig sein, mich unterordnen und verzichten. Aus der Verbindung leben dagegen, ich bin bereit- gerade um der Gemeinschaft in der Gemeinde willen- auch Spannungen, Ärger, mich Verletzendes zu ertragen. Ich bin bereit, mich hinten anzustellen und auf das zu hören, was andere sagen, obwohl ich vielleicht die Führungsperson mit den besseren Ideen bin.

Um zur zweiten Frage zu kommen: Welche Basis, welchen Maßstab, haben wir durch die Verbindung mit Jesus? Was ist von Jesus zu sagen? Wer ist er für uns? Was sagt uns das urchristliche Lied, das Paulus zitiert?

Das beginnt ja sozusagen im Himmel: „Er war in allem Gott gleich, und doch hielt er nicht gierig daran fest, so wie Gott zu sein.“

Das sprengt das Jesusbild vieler Menschen, vielleicht auch unseres. Wie kommt die Urchristenheit zu dieser Meinung, Jesus habe vor aller Zeit in göttlicher Gestalt- Gott gleich gelebt? Dafür gibt es doch gar keine „Beweise“- oder? Matthäus, Markus und Lukas reden nicht davon. Auch wenn Matthäus und Lukas diese unverständliche Sache berichten, die wir im Glaubensbekenntnis sagen: Ich glaube „an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“.

Wie kommt die Urchristenheit zu dieser Überzeugung von einer Präexistenz Jesu? Dazu gibt es vielfältige Meinungen und mancher sagt: Das musst du glauben, weil es in der Bibel steht. Ich lege nur eine Spur, indem ich auf das verweise, was in Sprüche 8, 22ff von der Weisheit gesagt wird. Das dürfte ein Hintergrund sein. Glauben muss niemand etwas, aber mit offenen Augen sehen, was die Bibel von Jesus berichtet, das sollen wir schon. Das wollen doch die Evangelien, uns vor Augen stellen, was Gott durch Jesus auf unserer Erde- eben nicht im Himmel- getan hat, damit wir nicht sinnlos durchs Leben stolpern, sondern einen festen Boden unter den Füßen haben.

Jesus Gott gleich und zugleich frei, genau das aufzugeben: „Er gab alle seine Vorrechte auf und wurde einem Sklaven gleich. Er wurde ein Mensch in dieser Welt und teilte das Leben der Menschen.“

Für die Griechen war Menschsein ähnlich wie Sklave sein; sie sahen den Menschen beherrscht vom Gesetz, von den Sternen am Himmel, die als Schicksalsmächte angesehen wurden- das hat eine Ähnlichkeit zur Astrologie heute, von Vergänglichkeit, Hinfälligkeit und Tod. Dieser irdischen Sklaverei unterwirft sich Jesus! Jesu, zum Himmel gehörig, kommt zur Welt, aber nicht als Gott, sondern als wirklicher Mensch. Er wandelt nicht als verkappter Gott durch Galiläa, Samarien und Judäa, sondern als leidensfähiger Mensch; aber sein Ursprung ist bei Gott. Jesus kommt von Gott! Und lebt auch als wirklicher Mensch in ungebrochener Nähe zu Gott, wie sonst kein Mensch. Das bezeugen alle Evangelien, das wird sichtbar/ hörbar in der Geschichte von seiner Taufe durch Johannes, bei seiner Verklärung auf dem Berg, in dem, was Jesus von Gottes die Welt erneuernder Herrschaft predigt und durch Zeichen erkennbar macht. Jesus kommt von Gott, Jesus gehört zu Gott, auch als der Mensch Jesus von Nazareth, Sohn der Maria und des Josef. Gerade als der, der zu Gott gehört, lässt Jesus sich ins Leiden führen: „Im Gehorsam gegen Gott erniedrigte er sich so tief, dass er sogar den Tod auf sich nahm, ja, den Verbrechertod am Kreuz.“

Das sprengt alles, was in irgendwelchen Geschichten von Göttern damals erzählt wurde: Jesus, hingerichtet am Kreuz. Sein Weg auf der Erde, sein Sterben am Kreuz, diente nicht der eigenen Vervollkommnung, geschah auch nicht nach dem Motto: Ich bin ein Gott, mir kann nichts passieren! Es geschah aus Gehorsam gegenüber Gott und für die Menschen aller Völker und Zeiten. Der Mensch Jesus, und wir werden ihn in den Tagen der Karwoche vor Augen haben als den, der ängstlich im Garten Gethsemane mit dem Willen Gottes ringt, der Mensch Jesus geht diesen Weg, weil er Gott gehorcht. „Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm den Rang und Namen verliehen, der ihn hoch über alle stellt.“

Erhöht: Gott hat Jesus auferweckt und zum Herrn gemacht. Und auch das nicht, damit er in einem goldenen, himmlischen Palast für sich thront, sondern er ist Herr als Befreier. Gott hat festgelegt, dass bei Jesus, dass in seinem Namen Rettung zu finden ist. Er kam zur Herrschaft auf dem Weg von Leiden und Tod; nun führt er die, die ihm vertrauen, zur Freiheit von den Mächten, die sie binden, von Sünde, Tod und Teufel. Also von dem, was das Leben zerstört, sinnlos macht, den Frieden nimmt. Jesus ist der Herr, er ist es für uns! er hat überwunden alles, was uns von Gott trennen kann. In der Bindung an IHN empfangen wir diese Freiheit, auf dem Weg mit ihm, der als irdischer Weg auch durch Leiden führen kann, schenkt er uns, was wir wirklich brauchen: Freiheit, Frieden und Freude. Und Gemeinschaft mit allen, die ihm folgen. Befreiung im Glauben an Jesus geschieht nicht per Zaubertrick, sondern auf dem Weg des Werdens und Wachsens, unterwegs mit IHM durchs Leben. Ich weiß, was ich sage, steht nicht ausdrücklich im heutigen Bibelwort. Aber es entspricht dem Zeugnis des Evangeliums von Jesus. „Vor Jesus müssen alle auf die Knie fallen – alle, die im Himmel sind, auf der Erde und unter der Erde; alle müssen feierlich bekennen: »Jesus Christus ist der Herr!« Und so wird Gott, der Vater, geehrt.“

In jedem Gottesdienst sollte etwas von dieser tiefen Beugung vor Jesus zu spüren sein. Voller Dankbarkeit lasst uns ihn anbeten. Einmal, zu Gottes Zeit, werden alle sich vor ihm beugen. Das ist unvorstellbar, weil uns der Himmel so weit weggerückt scheint. Achten wir darauf, dass diese Beugung vor Jesus im Gottesdienst in der Freiheit des Glaubens und Denkens geschieht. Nichts ist schlimmer, als menschlich erzwungene Beugung. Erst bei seinem Erscheinen werden alle bekennen: Jesus Christus ist der Herr! Amen.