Predigt zu Römer 8,26-30 von Michael Rambow
8,26-30

Predigt zu Römer 8,26-30 von Michael Rambow

Liebe Gemeinde!
„Wir wissen nicht, was wir beten sollen.“ Was für ein Satz!
Zu müde, um die Gedanken zu ordnen; zu enttäuscht, als dass das Herz noch Kraft hätte; zu beschäftigt, um noch Zeit für ein Gebet frei zu machen; zu knapp dran heute Morgen, um noch Zeit zu verlieren.

Kennen Sie das auch?
In solchen Lagen denkt man gern: Echte Glaubensgrößen plagen solche banalen Probleme nicht. Denen flutscht alles nur so vom Herzen und der Seele.
Ausgerechnet Paulus aber bezeugt uns heute aus eigener Erfahrung: Wir sind zu schwach, um etwas zustande zu kriegen. Wir sind hilflos zum Heil. Wir sind angewiesen auf Gottes Geist. Er hilft unserer Schwachheit auf. Gott steht gerade nicht bei denen, die in Münchhausen-Manier sich am eigenen Schopf packen und mit positivem Denken oder sonstigen Anstrengungen aus dem alltäglichen Lebenssumpf herausziehen.
Paulus redet von der erstaunlichen Kraft des Geistes Gottes. Der eigene Geist ist leer, verwirrt vom vielen Drumherum, voll Wut über die Blödheiten der Welt und ängstlich  angesichts der Folgen für die Zukunft.
Was sollen wir denken? Wie sollen wir handeln? Wir wissen es nicht. Der Geist hilft unserer Schwachheit auf. Gott sei Dank!

Jemand hat eine Erfahrung mitgeteilt, die viele genauso kennen:
„Ich bat Gott um Stärke, aber er machte mich schwach, damit ich Bescheidenheit und Demut lernte. Ich bat um seine Hilfe, um große Taten zu vollbringen, aber er machte mich kleinmütig, damit ich gute Taten vollbrächte. Ich bat um Reichtum, um glücklich zu werden. Er machte mich arm, damit ich weise würde. Ich bat um alle Dinge, damit ich das Leben genießen könne. Ich erhielt nichts von dem, was ich erbat – aber alles, was gut war für mich. Gegen mich selbst wurde mein Gebet erhört. Ich bin unter allen Menschen ein gesegneter Mensch“ (Heinz Gerlach in: Gottesdienst praxis A, Reihe III, Bd. 2, 1993, 95)

Haben Sie sich noch nie an die Stirn geschlagen und gedacht: Mensch, was du mal alles für lebensnötig hieltest! Geld, Zeit, vielleicht sogar ein Stück Familie hast du geopfert für die Karriere oder für Projekte oder für Ideale und Ideen!  Was angestrengt verfolgt wurde, entpuppt sich gelegentlich als nutzloser Aufwand. Worin das Heil zu liegen scheint, erweist sich als leere Hülse.
Der Zeitgeist ist nicht der Heilige Geist Gottes. Da muss man gehörig aufpassen, die beiden nicht zu verwechseln.
Der Zeitgeist ist zwar mindestens genauso aktiv und lauert überall. Er flüstert: Macht das! Das ist „in“ An der nächsten Ecke ist er auch schon wieder zur Stelle und warnt: Vorsicht! Lass das mal lieber. Das ist mittlerweile „Megaout“.
Der Zeitgeist beschäftigt seine Zukunfts-, Markt- und Meinungsforscher. Die sagen, was wir gerade wollen, was wir denken, wofür die Herzen sich erwärmen sollen. Der Zeitgeist will weismachen und dazu anstacheln: Lauft dem nach. Dann erreicht ihr mit ein bisschen Tempo und Aufwand die Menschen. Legt eure Prägungen ab. Dann wissen die Leute nicht, um wen es sich handelt und kommen auf ihrer Suche nach dem Lebenssinn ein Stück mit euch mit. Der Zeitgeist erfindet ständig neue Projekte. Der Zeitgeist  macht, dass schon mal Gottesdienste mit Mega-Events verwechselt werden und Kirchenleute finden sich modern, wenn sie alles gut finden. Geht einfach mal sonntags in die Kirche! Die simple Empfehlung fehlt oft im Sprachschatz des Zeitgeistes.
Mehr als andere theologische und Glaubensfragen haben die Christen stattdessen in den letzten Jahrzehnten bewegt, wie die Welt verbessert werden soll. Da hat der Zeitgeist leichtes Spiel.

Wir wissen nicht, was wir beten, reden, handeln oder unterlassen sollen. Paulus bringt Unpopuläres ins Spiel. Das ganze Kapitel 8 seines Briefes an die Christen von Rom handelt vom Geist Gottes, der das Heil für uns schafft. Wer auf Gott hört stottert, stammelt, stöhnt, schweigt ratlos und legt am Ende schwach und selbstkritisch die Hände in den Schoß in der Stille einer Kirche.
Im Angesicht Gottes sind wir mit unserer Schwachheit und Ratlosigkeit an der richtigen Stelle, um dann wieder hinaus zu gehen in die Zeit. Schuld wird eingestanden. Hoffnung wird benannt. Verzweiflung wird heraus gestöhnt. Angst wird eingestanden. Wir beten für Opfer und Täter, Schuldige und Unschuldige, für Vorstandsetagen mit glitzernden Büros und schwitzende Arbeiter in dröhnenden Produktionshallen, für Mächtige und Unterdrückte.
Wir tun das nicht aus Solidarität, wie das gerne heute gesagt wird. Ich halte das für problematisch, dass wir uns andauernd solidarisieren sollen.
Wir tun das, weil wir um unsere Schwäche wissen, alles aus eigener Kraft zu bewältigen. Und Gottes Geist hilft, uns darüber nicht zu täuschen.
Da zeigt sich, was Paulus meint mit dem Hinweis der Geist hilft unserer Schwäche auf. Gottes Geist will ganz anderes durch uns und für uns als eine von Fall zu Fall unterschiedene Weltanalyse. Er sucht unser Heil. Gottes Geist hilft auf zum Leben ohne Lamentiererei oder Aktionismus. Gottes Geist bleibt gebunden an die Schwäche. Das gefällt wenigen in einer Zeit der Stärke und des Tempos. Er nimmt uns als Menschen ernst und sagt: Nimm dich auch als Mensch an. Er gönnt der Seele Ruhe indem er Fehler zulässt. Er hilft dem Körper zur inneren Stärkung, indem er Leiden und Angst nicht verdrängt. Er tröstet in der Sehnsucht nach Recht und Heilung. Gegen alle Erfahrung ist er so da und wirkt, dass in allem, was mir widerfährt auf einen guten Ausgang gehofft werden kann.

„Denen, die Gott lieben muss auch ihr Betrüben lauter Freude sein“ dichtete Johann Franck in dem Lied „Jesu, meine Freude“ (EG 396, 6). Im Bild seines Sohnes Jesus Christus zeigt Gott praktisch, was Paulus trocken und theoretisch formuliert. „Unter deinem Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei…Trotz dem Todesrachen, trotz der Furcht dazu!“
Und die letzte Strophe nennt das Ziel aller christlichen Hoffnung: „Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, Jesus tritt herein. Denen die Gott lieben muss auch ihr Betrüben lauter Freude sein.“
Christus der Schwache ist stark zum Heil. Christus, der Ängstliche geht mutig und zuversichtlich ans Kreuz. Christus, der leidenschaftliche meidet den Zeitgeist. Christus gibt in grenzenlosem Gottvertrauen Leib und Seele hin und ist bei Gott im Himmel geborgen.

„Wir wissen nicht, was wir beten sollen“. Manche tun so, als wüssten sie immer alles und seien obendrein auf die bessere Welt und moralische Qualitäten abonniert.
Alles Lebensvertrauen sollten wir bündeln in dem Satz:
„Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben alle Dinge zum besten dienen.“  Mehr muss man sich für die Zukunft nicht merken.
Amen

Liedvorschlag: Jesu, meine Freude (EG 396)