Predigt zum Thema: "Was macht Macht?"
4,1-11

Predigt zum Thema: "Was macht Macht?"

Was macht Macht? Stellen Sie sich doch mal vor, wie es wäre, wenn Sie Macht hätten. Ich meine, nicht nur so ein bisschen Macht. Sondern richtig viel Macht. So dass es in Ihrer Macht läge, die Dinge wirklich zu verändern. Also dafür zu sorgen, dass …zB: in Israel und Palästina dauerhaft Frieden ist. Zum ersten Mal. Im Heiligen Land.
Wäre das nicht reizvoll? Und nehmen wir mal an, Sie würden eine solche Macht angeboten bekommen? Müssten Sie das nicht geradezu annehmen?


Das Matthäus-Evangelium erzählt eine Begebenheit, da hat Jesus ein solches Angebot bekommen. Hören Sie:   

Lesung Matthäus 4, 1-11

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach:
Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
Er aber antwortete und sprach:
Es steht geschrieben: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm:
Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: „Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.“
Da sprach Jesus zu ihm:
Wiederum steht auch geschrieben: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“
Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
Da sprach Jesus zu ihm:
Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.“
Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.

Pastorin Anne Gidion:
Das waren doch verlockende Angebote, die Jesus da bekommt! Steine zu Brot – nie wieder Hunger. Stürzen ohne Schmerz – totale Unverwundbarkeit. Richtig König sein. Wirklich bestimmen können.
Aber Jesus reizt das nicht. Dreimal lehnt er ab. Dreimal entscheidet er sich gegen die Macht. – Was macht denn Macht?
Antonia Baitz ist heute unser Gast in diesem Gottesdienst. Sie ist weiblicher Sanitätsoffizier  - so heißt das wirklich, es heißt nicht Sanitätsoffizierin, sondern weiblicher Sanitätsoffizier – bei der Bundeswehr.


Frau Dr. Baitz tritt vor.

Pastorin Anne Gidion: Frau Dr. Baitz, sie haben sich als junge Frau entschieden, in einem typischen Männer-Macht-Bereich zu arbeiten. Zurzeit sind Sie die einzige Frau im Generalstabslehrgang an der Führungsakademie der Bundeswehr. Was reizt Sie eigentlich genau daran? Macht auch – oder?

Antonia Baitz:
Mich hat immer die Kombination gereizt zwischen Offizier und Zahnarzt. Offiziere haben Verantwortung für die Führung, die Ausbildung und den Einsatz von Soldaten. Als Sanitätsoffizier Zahnarzt bin ich verantwortlich für die Gesunderhaltung und Einsatzfähigkeit unserer Soldaten und Soldatinnen.
Dies ist für mich Ehre und Belastung zugleich. Ja klar habe ich als Sanitätsoffizier in meinem Bereich eine gewisse Macht. Aber ich bin mir durchaus bewusst, dass damit eine große Verantwortung einhergeht. Je größer die Macht umso nachhaltiger sind die Folgen, die man zu verantworten hat. Mich stört manchmal, wenn der Begriff Macht ausschließlich negativ gebraucht wird. Wir alle haben ja in gewisser Weise Macht. Ein Lehrer hat Macht. Eltern haben eine gewisse Macht. Für mich kommt es darauf an, sich der Macht bewusst zu sein und verantwortlich damit umzugehen.


Pastorin Anne Gidion:
Ein Führungsoffizier bei der Bundeswehr ist ja schon etwas anderes als eine Lehrerin in Hamburg oder ein Zahnarzt hier in Blankenese. Beim Militär gibt es eine klare Hierarchie, Befehl und Gehorsam. In der Ausbildung arbeiten Sie nicht nur mit Zahnseide, sondern auch mit Waffen.
Klar, Sie sind Sanitätsoffizier. Aber trotzdem können Sie auch mit Waffen umgehen, wenn es wirklich darauf ankommt.
Ist Macht nicht doch gefährlich?

Antonia Baitz:
Mir ist wichtig, dass man sich immer wieder bewusst ist, warum man etwas tut. Also wenn jemand eine militärische Machtposition um der Macht willen anstreben würde, wäre er hier falsch am Platze. Alleine mit Macht wird alles Mögliche auf der Welt geführt: Schurkenstaaten, Arbeitslager, Diktaturen.

Ich finde, dass Macht durchaus ihre Gefährdungen hat. Und die muss man kennen. Und man muss damit umgehen, muss sie reiten wie ein Pferd beim Rodeo. Auch ein guter, erfahrener Reiter hat sein Pferd nicht immer zu hundert Prozent unter Kontrolle, aber er muss es versuchen, so gut es geht. Und dabei hilft eben, dass man sich der Verantwortung bewusst ist und immer weiß, dass man es mit Menschen zu tun hat. Ein pensionierter Offizier hat mir einmal gesagt: man führt die Soldaten zunächst mit Liebe und Humor. Auch wenn das mit Blick aufs Militär vielleicht zunächst komisch klingt – aber das ist hier wie überall für eine gute Führungskompetenz unabdingbar.

Pastorin Anne Gidion:
Was macht Macht?  In der Geschichte von der Versuchung bietet der Teufel am Ende Jesus die totale Macht an. Er zeigt ihm alle Reiche dieser Erde und verspricht ihm die Herrschaft über das alles. Bei den ersten beiden Versuchungen zitiert der Teufel die Thora und die Psalmen – „Steine werden Brot“ – „die Engel werden dich auf Händen tragen“. Und Jesus kontert – Schrift gegen Schrift, wie ein Streit zwischen Rabbinern.
Beim dritten Überzeugungsversuch lässt der Teufel die Maske fallen. Er zeigt, wer er ist.  „Das alles will ich dir geben, wenn du in die Knie gehst und mich anbetest.“ Sagt er.
Die totale Macht gibt es eben nur im Pakt mit dem Teufel.

Frau Baitz, eine Frage: gäbe es für Sie einen Punkt, wo Sie „Nein“ sagen würden? Also eine Versuchung, der Sie nicht erliegen möchten, selbst wenn es für Sie persönlich große Vorteile bringen würde?

Antonia Baitz:
Ich bin Sanitätsoffizier und Zahnarzt. Und da behandle ich sowohl einfache Soldaten als auch Vorgesetzte. Irgendwann mal hat mir jemand im Scherz gesagt, wenn da so jemand auf meinem Behandlungsstuhl sitzt, der Dir mal Unrecht getan hat – dann kannst Du Dich ja rächen. 
Also, im Ernst: ich möchte niemals meine Stellung für mich selbst oder für etwas ausnutzen, was ich nicht gutheißen kann. Und zu der Versuchungsgeschichte von Jesus fällt mir ein, dass es zu einem verantwortlichen Umgang mit der Macht gehört, dass man auch um seine Grenzen weiß. Wenn jemand viel Macht hat, könnte ja ein Problem sein, dass man anfängt zu denken: jetzt kann mir keiner mehr etwas. Oder dass man anfängt, sich selbst zu überschätzen und zu denken, man könne und dürfe nun alles. Vielleicht kann man den Hinweis von Jesus ja so verstehen, wenn er sagt: man soll Gott allein anbeten. Also, dass wir menschlich bleiben müssen und unsere Grenzen kennen müssen.

Pastorin Anne Gidion:
Christenmenschen müssen wohl immer macht-skeptisch sein. Egal wo. „Denn Dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit „ – nicht umsonst beten wir das im Vaterunser. Wir geben Gott die Macht.
Aber ganz ohne Macht geht es auch nicht, oder? Nur begrenzen müssen wir sie. Balance of Power – Macht balanciert durch Gegenmacht. Also kontrollierte Macht. Wichtig ist für Christen: Macht ist auf der Welt nur geliehen. Wir bekommen sie nicht für uns. Nicht um sie zu haben. Sondern zum Schutz für die, die keine Macht haben. Die sonst untergehen. Macht ist genau das Gegenteil vom blanken Recht des Stärkeren. Sie muss helfen, das Zusammenleben zu fördern.
Noch ein Gedanke: Wenn ich den Fernseher anstelle, flackern in diesen Wochen ständig die Bilder von Krieg und Kampf auf – in Gaza, in der Ostukraine, im Irak. Ich sehe Männer mit Waffen, Männer in Panzern, Männer in Flugzeugen. Frauen werden gezeigt, wenn sie ihre toten Söhne beweinen und ihre Säuglinge schützen. Eine letzte Frage, Frau Baitz: Gehen Frauen mit der Macht vielleicht anders um als Männer?

Antonia Baitz:
Ich glaube nicht, dass der Umgang mit Macht geschlechtsspezifisch ist. Versuchung unterscheidet nicht zwischen Geschlecht oder Herkunft oder Nationalität. Dennoch agieren und reagieren Frauen und Männer manchmal unterschiedlich, die Machtmotive sind nicht immer die gleichen.

Pastorin Anne Gidion:
Der Begriff Macht bleibt schillernd. Macht kann dazu dienen, Schwächere zu schützen. Sie kann aber auch schlimm missbraucht werden. Jesus war im Umgang mit den Mächten und Gewalten ziemlich klar. Er wird König genannt und reitet auf einem Esel.
Der Teufel bietet ihm alle Macht der Welt und er will sie nicht. Seine Macht ist eine andere Voll-Macht. Sie kommt aus seinem Vertrauen in Gott. Und weil er den Leuten nah ist. Fischer verlassen ihre Boote, Kranke schöpfen in seiner Nähe Hoffnung, Frauen und Kinder fühlen sich ernst genommen.  Aber die Ordnungsmächte seiner Zeit lassen seine Art Macht nicht zu. Der Gottessohn muss sterben. Die Herrschafts-Macht darf nicht in Frage gestellt werden. So kommt Jesus ans Kreuz statt auf den Thron. Weithin kann man ihn sehen – im Tod, statt im Prunk. Er wollte seine Macht nicht sichern.
Und dann? Aber das Grab wird leer und der Gottes Sohn lebt.
Er sagt seinen Leuten: Wenn ihr zusammen esst, wie wir gegessen haben, Brot und Wein, und  wie Geschwister zusammen lebt – dann bin ich da. In meiner Weise. Mit all meiner Macht. Mit all meiner Liebe.
Amen.

Ein Lied, das nach Kampf klingt. Ein Lied, in dem Gott allein die Macht zugesprochen wird. Ein Lied des Glaubens. Wir singen: Ein feste Burg ist unser Gott.