Sorge und Fürsorge - Predigt zu Lukas 12,15-21 von Frank Fuchs
12,15-21

Sorge und Fürsorge - Predigt zu Lukas 12,15-21 von Frank Fuchs

Sorge und Fürsorge 

Dann sagte er zu den Leuten: Gebt acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt. Und er erzählte ihnen folgendes Beispiel: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er hin und her: Was soll ich tun? Ich weiß nicht, wo ich meine Ernte unterbringen soll. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink, und freu dich des Lebens! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast? So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist.

Liebe Gemeinde,

der Philosoph Martin Heidegger hat sich ganz besonders mit der Sorge befasst. Sie zeichnet aus, dass sie wesentliche Züge unseres menschlichen Daseins erschließt. Sie ist eine Grundbefindlichkeit unseres Lebens und lässt sich näher beschreiben. Dies hilft ihm der Frage näherzukommen, was das menschliche Leben im Grunde ausmacht. Dazu zieht er eine Fabel heran, die aus der Antike stammt.

„Als einst die Sorge über einen Fluss ging, sah sie tonhaltiges Erdreich: sinnend nahm sie davon ein Stück und begann es zu formen. Während sie darüber nachdenkt, was sie geschaffen, tritt Jupiter hinzu. Ihn bittet die Sorge, dass er dem geformten Stück Ton Geist verleihe. Das gewährt ihr Jupiter gern. Als sie aber ihrem Gebilde nun ihren Namen beilegen wollte, verbot das Jupiter und verlangte, dass ihm sein Name gegeben werden müsse. Während über den Namen die Sorge und Jupiter stritten, erhob sich auch die Erde (Tellus) und begehrte, dass dem Gebilde ihr Name beigelegt werde, da sie ja doch ihm ein Stück ihres Leibes dargeboten habe. Die Streitenden nahmen Saturn zum Richter. Und ihnen erteilte Saturn folgende … gerechte Entscheidung: ʼDu, Jupiter, weil du den Geist gegeben hast, sollst bei seinem Tode den Geist, du, Erde, weil du den Körper geschenkt hast, sollst den Körper empfangen. Weil aber die Sorge dieses Wesen zuerst gebildet, so möge, solange es lebt, die Sorge es besitzen. Weil aber über den Namen Streit besteht, so möge es homo heißen, da es aus humus (Erde) gemacht ist. ʽ“

Die Fabel erzählt so, wie es zum Namen des Menschen kam. Auch wenn der Mensch nicht Sorge heißen darf, so ist er doch von der Sorge zum Leben bestimmt. Die Fabel ist für Heidegger ein Beleg dafür, dass das menschliche Leben zeitlebens der Sorge gehört. Solange er in der Welt ist, ist sein Leben durch Sorge geprägt.

Von Sorge bestimmt ist auch das Leben des reichen Mannes in der Beispielerzählung von Jesus. Er besitzt viele Felder und die Ernte fiel in diesem Jahr besonders gut aus. Die bestehenden Scheunen reichen nicht aus, um die Ernte aufzunehmen. Seine Sorge ist wohl, dass ein Teil der Ernte einfach vernichtet werden müsste. Da entscheidet er sich, in neue Lagerstätten zu investieren. Er will die alten abreißen und neue errichten lassen. Vermutlich sorgt er sich um die Zukunft. Denn niemand kann sehen, was noch kommen wird. Weil die Zukunft ungewiss ist, möchte er ausgesorgt haben. Er folgt der Logik der Sorge ums Dasein, wenn er die Ernte für die Zukunft sichern möchte. Damals in Ägypten war es auch so, dass die 7 mageren Jahre nur überstanden werden konnten, weil in den 7 fetten Jahren gesammelt worden war. Es entspricht eben der menschlichen Vernunft, auf die Zukunft zu achten und mit weniger guten Jahren zu rechnen. Es gilt auch heute noch als richtig, dass ein Staat, dem es wirtschaftlich gut geht und dessen Einnahmen sprudeln, bereits für schlechtere Zeiten vorsorgt. Was für Staaten gilt, ist auch für den einzelnen sinnvoll. Genauso sollen heute auch diejenigen, die im Arbeitsleben sind, für den Ruhestand vorsorgen, usw. Es ist also vernünftig, so zu handeln.

Was ist dann nur an dem Verhalten des reichen Mannes auszusetzen? Im Prinzip nichts. Nur das Motiv hinter seinem Handeln ist zu kritisieren. Es geht ihm immer nur um die eigene Daseinsvorsorge. Entsprechend sagt er: „Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink, und freu dich des Lebens!“ Es geht ihm nur um sein Glück. In seinen Gedanken kreist er nur um sich selbst. Es geht ihm nur um die eigene Fürsorge. Niemals geht es ihm um die Fürsorge für andere.

Von Fürsorge ist in diesen Tagen die Rede, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht. In dieser Woche wurde in unserer Stadt bekannt, dass ein Erstaufnahmelager des Landes Hessen auf dem Kasernengelände eingerichtet wird. In den nächsten Wochen sollen dort bis zu 1.500 Menschen einziehen. Die Sorgen vieler Flüchtlinge sind so groß geworden, dass sie ihr Land verlassen haben und auf ein besseres Leben in Deutschland hoffen. Die Aufnahme von so vielen Menschen weckt wiederum Sorgen bei der heimischen Bevölkerung. Wie wird sich das Zusammenleben gestalten? Bislang gab es eine sehr große Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge in unserer Stadt. Auf einen Flüchtling kam ungefähr ein Ehrenamtlicher. Auf so viele Menschen wird sich das nun nicht mehr übertragen lassen.

Die Geschichte vom reichen Mann zeigt jedenfalls, dass Vorsorge für das eigene Leben zu einseitig gedacht ist. Vielmehr gesellt sich zur gelungenen Vorsorge die Fürsorge gern dazu. Unsere Fürsorge gilt auch weiterhin den Menschen, die in unserer Gesellschaft arm sind und sich abgehängt fühlen. In diesem Monat bieten wir wieder unser Essen für Bedürftige an, das in der kalten Jahreshälfte monatlich stattfindet. Es wäre ein fatales Zeichen, wenn die Not dieser Menschen in den Hintergrund treten würde und sie noch weiter abrutschen würden. Und Fürsorge kann schließlich auch bedeuten, in Krisengebieten zu helfen und sich dafür einzusetzen, dass das Leben dort erträglicher wird.

Erntedank meint, dass wir dankbar sind, genug zum Leben zu haben, genug an Essen und Trinken, genug an allen Gaben, die wir zum Leben brauchen. Die mythologische Geschichte zeigt, dass der Mensch ein Kind der Sorge ist. Der Mensch muss sich dementsprechend verhalten, was durch Vorsorge geschieht. Am Erntedankfest denken wir daran, dass der Vorsorge um das eigene Leben in dieser Erntezeit Genüge getan wurde. Die dafür angemessene Haltung gegenüber Gott ist der Dank. Denn er ermöglicht uns die Vorsorge. Alle guten Gaben kommen von ihm. Wer dankt, ist „reich an Gott“, weil er sich des Grundes seines Lebens vergewissert. Die Sorge bleibt, behält aber nicht die Oberhand. Es wächst vielmehr die Gewissheit, dass die Ernte auch in Zukunft reicht, um gut leben zu können. In diesem Vertrauen wird leichter bewusst, dass die Sorge um das eigene Leben – die Vorsorge – wertvoll und wichtig ist, aber auch die Fürsorge für andere ermöglicht.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, er bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Die mythologische Fabel ist von Hyginus überliefert und wird zitiert nach Martin Heidegger: „Sein und Zeit“, Tübingen 198617, S. 198

Die Gottesdienstgemeinde befindet sich in Babenhausen, einer Kleinstadt in Südhessen. Die aktuelle Situation lässt sich folgendem Artikel entnehmen.

http://www.echo-online.de/lokales/darmstadt-dieburg/babenhausen/kaserne-wird-rasch-erstaufnahmelager_16205998.htm

Über das Essen informiert dieser Artikel.

http://www.op-online.de/region/babenhausen/kostenlose-mittagstafel-babenhausen-geht-essen-kontakt-4867987.html

 

Lieder: Wir pflügen und wir streuen, EG 508

Als Gesang zwischen den Fürbitten eignet sich: Alle guten Gaben, EG 463