Von solchen, die Gottes Wohlgefallen suchen - Predigt zu Hebräer 13,15–16 von Ulrich Kappes
13,15-16

Von solchen, die Gottes Wohlgefallen suchen - Predigt zu Hebräer 13,15–16 von Ulrich Kappes

Von solchen, die Gottes Wohlgefallen suchen

So lasst uns nun durch Christus Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.
Gutes zu tun und Gemeinschaft zu halten, vergesst nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl.

Ich habe vor einigen Wochen die Stadt Wiedenbrück besucht.
Es ist eine alte Stadt in Ost – Westfalen, unweit von Bielefeld. Viele Fachwerkhäuser, alte gotische Kirchen, ein barockes Schloss mit einem großen Park prägen das Stadtbild.
Auf dem Markt steht ein Denkmal. Man sieht auf einer Säule einen jungen Bauern stehen. Sein Gesicht wirkt sehr gesammelt. Ein Fuß ist auf seinen Spaten gestützt. Der Kopf ist gesenkt. Die Hände sind über der Mütze, die er über den Spaten gehängt hat, gefaltet. „Betender Landmann“ heißt die Skulptur. Nach getaner Feldarbeit faltet ein Bauer seine Hände, um Gott für Feld und Frucht zu danken und um Segen für seine Arbeit zu bitten. Dann erst kann der Feierabend kommen.

Eine rührselige Statue aus vergangener Zeit? Viele Wiedenbrücker scheint der Vorwurf  nicht zu stören, sonst hätte dieses Standbild nicht im Herzen der Stadt ihren Platz behalten.

(Foto der Statue: s. unten "Downloads")

Wenn wir auf den geschmückten Altar heute am Erntedanktag sehen, dann leuchten unsere Augen. Das dunkle Brot, die hellgrünen Weintrauben, die goldgelben Birnen und roten Äpfel erfreuen uns.
Mancher unter uns mag aber auch nachdenklich werden.
„Es ist ja wieder einmal alles gut gegangen. Wir haben eine gute Ernte an Gemüse und Obst und Getreide. Die extrem heißen Wochen aber im Juni / Juli dieses Jahres machten schon bange, ob im Herbst des Jahres wieder die gute Ernte wartet.  
 
Die Worte des Predigttextes knüpfen an eine nachdenkliche Einstellung an. Der „Betende Landmann“ mit seiner in sich gekehrten Haltung könnte über ihnen stehen.  Sie sperren sich gegenüber einer frohen Erntedanktagstimmung. Nach meinen Unterlagen sind sie, gerade sie aber, ein uralter Predigttext am Erntedanktag. I1I So bitte ich, der Weisheit  zu vertrauen, die meinte, das sei genau das Richtige am Erntedanktag für uns.
„Lasst uns durch Christus Gott ein Lobopfer darbringen … Gutes zu tun und Gemeinschaft zu üben, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott wohl!“

Was ist eigentlich ein „Opfer“?

Opfere ich etwas, dann gebe ich etwas weg, das mir lieb und wert ist.
Opfere ich Zeit, gebe ich etwas von dem Gut ab, das durch die Umstände eines angestrengten Arbeitslebens knapp und kostbar ist.
Opfere ich Geld, dann habe ich weniger Sicherheit im Leben, habe es nicht mehr für Dinge, die mir Spaß machen.

„Opfern“, „Sich- Aufopfern“ geht nur, wenn es sich lohnt, es für ein Ziel zu tun. „Wenn du weißt ‚warum’, erträgst du jedes ‚wie’“, sagt ein Sprichwort. Wenn du weißt, warum du etwas opferst, ist das möglich. Opfer um des Opfers willen geht in der Regel nicht.

Gleichzeitig hat ein „Opfer“ eine nicht zu unterschätzende Nebenwirkung. Ich habe ein Ziel, das dem Leben Richtung und Sinn gibt. Das Ziel liegt außerhalb von mir und das bedeutet, ich höre auf,  um mich zu kreisen. Menschen, die sich für eine Aufgabe hingeben, sich für eine Aufgabe „opfern“, nehmen sich selbst nicht wichtig. I2I
 
Das Wort „Opfer“ hat freilich auch eine schillernde, ja gefährliche Seite. Es ist ein Lieblingswort der Demagogen und Verführer, der Fundamentalisten und Sektierer.
Wir erinnern uns:
Das deutsche Volk opferte sich bis zum Wahnsinn für seinen „Führer“.
Die Todesschützen an der Berliner Mauer nannte man Helden, nachdem man sie infiltriert hatte, ihre Gesinnung der sozialistischen Sache zu opfern.
Selbstmordattentäter opfern ihr Leben, weil ihnen ein sicherer Platz in Allahs Himmel versprochen wurde.
Nie fordert die Schrift ein Opfer von uns, das nicht vor der Instanz unseres Gewissens geprüft wurde. (1.Thess. 5,21) Kraft der Urteilskraft, die ich habe, und im Hören auf das Gewissen, ist zu entscheiden, ob ein Opfer gut oder schlecht, gefordert oder schädlich ist.

„Lasst uns Gott durch Christus ein Lobopfer darbringen … Gutes zu tun und Gemeinschaft zu üben, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott wohl!“

Was ist ein Lobopfer? Ich lasse mir von dem 50.Psalm (Vers 23) helfen. Hier heißt es:
„Wer Dank opfert, der preiset mich und das ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil unseres Gottes.“ Dank ist zu „opfern“. D.h.: Es gilt sich hinüberzuarbeiten zum Dank gegen die eigene Gleichgültigkeit und Müdigkeit. Dankopfer und Lobopfer geschieht dann, auch wenn mir nicht danach zumute ist. Ich opfere, ich überwinde meine Gleichgültigkeit und Passivität, falte die Hände wie der „Betende Landmann“ und danke „trotzdem“.

Im Tempel opferte der Priester ein geschlachtetes Tier und verbrannte es. Er gab übergab etwas von sich oder im Auftrag anderer dem heiligen Feuer.
Erklingt das Lobopfer der Lippen, dann sind – sozusagen - Trägheit und Stumpfsinn  zu verbrennen, damit die so erlösten Lippen Gott ein Lob- und Danklied singen können.

„Lasst uns Gott ein Lobopfer durch Christus darbringen. Gutes zu tun und Gemeinschaft zu üben, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott wohl!“
Beide Sätze bilden eine Einheit, sind gedanklich durch ein dickes „und“ verbunden. Es geht um die Einheit von einem geistlichen Lob und dem Leben im Alltag. „Lasst uns Gott ein Lobopfer darbringen …“ und „Gutes zu tun und Gemeinschaft zu üben, vergesst nicht!“ Das Eine, das Lobopfer gegenüber Gott, hat kein Daseinsrecht ohne das Opfer, das in einem Leben der Nächstenliebe besteht. I3I

Nichts ist dem Christentum abträglicher als fromme Menschen, die hartherzig sind.
Es macht Kirche und Gemeinde kaputt, wenn Christen zum Gottesdienst gehen, aber kein Interesse an ihren Mitmenschen haben.
Unser Ruf steht grundlegend auf dem Spiel, wenn es Christinnen und Christen gibt, die sich fromm geben, aber gleichzeitig anderen Schaden zufügen. Das treibt Menschen scharenweise aus der Kirche.

Neben das Lobopfer, das ein Mensch darbringt, der Gott bekennt, stellt der Hebräerbrief das Opfer der Tat, das Liebesopfer. Dazu zählt er die Wahrung von Gemeinschaft.
Der rote Faden des Neuen Testamentes beginnt beim Vaterunser, wo die Personalfürwörter „ich“ und „mein“ fehlen und immer nur „uns“ oder „unser“ gesagt wird. Er geht weiter bis hierher. Die gute Tat zu tun und Gemeinschaft zu halten, vergesst nicht. Solches Opfer gefällt Gott wohl. Gemeinschaft zu halten mit sympathischen Leuten ist kein Opfer.
Es sieht anders aus bei den Schwierigen. Gemeinschaft zu haben und zu teilen ist auch am Krankenbett oder Altersheim nicht immer erfreulich. Zum Christ - Sein gehört das Gemeinschaft - Halten, das Zusammensein mit anderen und das kann in der Tat manchmal ein Opfer sein.

Wir hatten gesagt, dass das Opfer ein Ziel braucht.
Warum überwinden wir uns – bisweilen geht es nicht anders – zum Dankgebet?
Warum üben wir Gemeinschaft auch dann, wenn es schwerfällt?
„Solche Opfer gefallen Gott wohl“, sagt der Hebräerbrief. Das Ziel ist, das Wohlgefallen Gottes zu erlangen. Der Hebräerbrief beschreibt uns Christinnen und Christen als Pilgerinnen und Pilger. Das Ziel am Ende des Weges heißt: Ich möchte das Wohlgefallen Gottes finden.
Darum das Opfer.
Amen


Lied: EG 324, 1 + 10-14 – Ich singe dir mit Herz und Mund


I1I Die Predigthilfen, II, von Wilhelm Stählin, Kassel 1959 (504-507) behandeln die Perikope als Erntedanktagstext.
I2I „… Eine Opferhandlung (ist) … die Absage an alle Selbstherrlichkeit …“ W. Stählin, a. a. O., S. 504.
I3I Erich Gräßer, An die Hebräer, 3. Teilband, Zürich, Neukirchen-Vluyn 1997,S. 392: „V 16 … macht deutlich, dass ohne die ihr zugeordneten ‚Opfer der Liebe’ die thysia aineseohs leeres Geplapper bleibt …“
 

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