Predigt zu 1.Johannes 1,1-4 von Karl Hardecker
Liebe Gemeinde,
Weihnachten ist immer gefeiert worden, auch in unruhigen Zeiten, selbst in friedlosen Zeiten.
Die Älteren unter uns haben dies selbst erlebt, die Jüngeren davon gehört: dass auch in Zeiten des 2. Weltkriegs Weihnachten gefeiert wurde, auch wenn es nichts zu feiern gab. Dass hier und da eine Feuerpause zu Stande kam, - an Heiligabend und wenn es hoch kam auch noch am Morgen des Christtags, bevor dann das Töten und Sterben weiter ging.
Der Christbaum in friedlosen Zeiten erinnert daran, dass das Christfest ein Fest des Friedens ist und damit alles in Frage stellt, was dem Unfrieden dient. Krieg und Gewalt vertragen sich nicht.
Der Christbaum steht. Als Symbol steht er ganz fest, fest verwurzelt in der Erde, wie wenn er schon immer dort gestanden hätte, aus ewigen Zeiten.
Was von Anfang an war, - so beginnt der 1. Johannesbrief.
Was von Anfang an war: die Liebe Gottes zu den Menschen und zu dieser Welt. Was von Anfang an war: ein zutiefst konstruktives Verhältnis Gottes zu dieser Welt.
Konstruktiv, nicht destruktiv. Und so fördert dieser Gott die Menschen, wo er nur kann und er tut dies mit seinem Geist: in seinem Geiste errichten Christen Spitäler für die Ärmsten; in seinem Geiste werden behinderte Menschen gefördert, gepflegt und umsorgt; in seinem Geiste kümmern sich Christen um die seelische Not anderer Menschen und lindern ihre Angst.
Gottes Verhältnis zu dieser Welt war von Anfang an konstruktiv. Eine hohe Kunst pflegt hier unser Gott. Mit dem Mörder, der in unendlicher Schuld einen anderen Menschen getötet, konstruktiv umzugehen und mit ihm das Gespräch zu suchen und ein Verhältnis zu pflegen, an dem am Ende ein einsichtiger Mensch steht, - das ist hohe Kunst.
Konstruktiv umzugehen mit Menschen, die dementiell erkrankt sind und einen Zugang zu ihnen zu finden, der sie auch in ihrer Situation noch erreicht und erheitert, ist hohe Kunst, aber durchaus erlernbar.
Um dieses Ziel zu erreichen, setzt dieser Gott Himmel und Erde in Bewegung. Sein Einsatz lohnt sich. Menschen reagieren und lassen sich bewegen: sie haben den Christus mit ihren Augen gesehen, mit ihren Händen betastet, mit ihren Ohren gehört.
Schade, dass wir dieses Bewegt Werden an einer Weihnachtskrippe nicht sehen: Maria sitzt, wenn auch oft lächelnd, aber doch meistens stoisch und still; Josef steht wie ein Wächter und beide bleiben bewegungslos, die Hirten stehen, die doch gelaufen kamen und an der Seite verharren die drei Magier, wo die doch eine weite Strecke zurück gelegt haben.
Wir träumen uns hinein in diese Krippe; wir verlieben uns in dieses Bild eines harmonischen Friedens, in diese Idylle. Ist sie zu schön, um wahr zu sein? Oder wie kommen wir soweit, ein Teil dieser Krippe zu sein? Wie kommen wir dahin, diese Kraft in uns zu spüren, diese Kraft, die in der Bewegung Gottes steckt, wenn er seinen Himmel verlässt?
Wir müssen dies üben. Dies ist hohe Kunst, Weihnachtskunst. Sie beginnt damit, dass wir zur Krippe her treten, demütig und mit dem Bewusstsein: wenigstens wir könnten friedlich sein, wo doch unsere Welt voller Unfrieden ist. Wenigstens wir sollten erkennen, wo der Friede beginnt. Treten wir also herzu in einer Haltung, die dem anderen das Leben lässt. In einer Haltung, die das Leuchten im anderen erkennt, die ihn zum Reden bringt, weil sie Vertrauen schafft, die seine Angst überwinden hilft, dass sein Antlitz zu leuchten beginnt.
Diese Weihnachtskunst wollen wir üben. Denn diese Kunst kann mit ihrer Kraft das elende und gedemütigte Leben von Menschen verwandeln. Sie kann das verängstigte Leben derer, die unter die Räder kommen, wenn Terror und Krieg ein Land in Schutt und Asche legen wie in Syrien, ein Stück weit verwandeln. Und so gilt das Wort des Lebens diesen verängstigten Menschen als ersten. Sie zeigt ihnen, dass das neu erschienene Leben ein Leben in Achtung und Würde ist.
Fürchtet euch nicht! sagt der Engel zu verängstigten Hirten.
Fürchtet euch nicht! Diese Botschaft gilt den Millionen von verängstigten Menschen, die auf der Flucht sind nicht nur nach Europa, auch innerhalb Afrikas, die auf der Flucht sind vor den Al- Shabaab- Milizen und sich in die gigantischen Flüchtlingslager von Dadaab nach Kenia zurückgezogen haben.
Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod: diese Erklärung der islamistischen Märtyrer macht die Schieflage deutlich, in der wir uns derzeit befinden.
Die den Tod lieben, weil sie einer fanatisierten Märtyrerpropaganda aufsaßen, sind uns, die wir das Leben lieben, unendlich überlegen. Die Kunst, die sie pflegen, ist destruktiv. Sie zerstört alles, was ihnen entgegensteht, was die Welt anders sieht.
Kein Wunder, dass es da kritische Stimmen gibt, die sagen: noch besser wäre es, wir kämen ganz ohne Religion aus, dann würde aufhören, dass in ihrem Namen Selbstmordattentate verübt, Kriege geführt, Menschen getötet oder Menschen vertrieben werden.
Aber selbst wenn wir alle Religionen abschafften, bliebe die Aufgabe, konstruktiv umzugehen mit unserer Welt und unserem Leben, Wege zu finden aus der Gefahr.
Navid Kermani hat in seinem neuesten Buch geschrieben, dass ihm das Kreuz Jesu Mühe bereite, weil es eine Geschichte der Gewalt in sich trägt. Viel mehr würde ihn Jesus mit seinen so milden und menschenfreundlichen Zügen überzeugen.
Und dabei verweist er auf ein Gedicht Hölderlins, in dem Hölderlin schreibt, dass Jesus nie genug von Güte zu sagen hatte und nie genug davon das Zürnen der Welt zu erheitern (Patmos).
Das Zürnen der Welt zu erheitern: das könnte auch eine Botschaft von Weihnachten sein. Dann wäre es selbst ein Wort des Lebens: Das Zürnen der Welt wollte Gott erheitern mit der Geburt eines Kindes, mit seinem Lächeln, mit seiner Wehrlosigkeit, mit seiner Hilflosigkeit, die so entwaffnend ist, dass sie unser Herz anspricht, die uns zu rühren im Stande ist.
Es ist hohe Kunst, Menschenherzen zu wenden. Diese Kunst kennt unser Gott. Sie beginnt damit, dass ihm Menschen, die verloren gehen, zu Herzen gehen, dass er erschüttert wird von all dem Menschenleid und all der Menschenschuld. Und dass er nach einer Antwort sucht auf all die Not und all die Angst und dass seine Antwort im Kind zu finden ist, das seinen Namen trägt. Und dieses Kind den Frieden bringt. Und dieses Kind uns die Weihnachtskunst lehrt. Und diese ist konstruktiv, diese ist menschenlieb, diese hilft Welt zu bauen, aus Kriegslandschaften Städte zu bauen und aus zerstörten Seelen Menschen, die anderen wieder vertrauen. Mit dieser Kunst kommst Du weit.
Amen