1. Advent: „Weltrettung für Fortgeschrittene“ - Predigt über Sacharja 9, 9-10 von Kerstin Offermann
9,9

1. Advent: „Weltrettung für Fortgeschrittene“ - Predigt über Sacharja 9, 9-10 von Kerstin Offermann

„Weltrettung für Fortgeschrittene“

  Weltrettung ist eine ernste Angelegenheit!
  Eine Aufgabe für mutige, verwegene Männer
  Und zu allem entschlossene Frauen.
  Eine Aufgabe für Superhelden –
  Und für Esel!
  Doch, Sie haben richtig gehört!
  Gott braucht für seine Weltrettung vor allem Esel.
  Genau solche Esel, über die Sie und ich täglich stöhnen, denen wir lieber aus dem Weg gehen, mit denen kein Staat zu machen ist.
  Auf dem Rücken dieser Esel und vor ihren Augen entfaltet Gott das ganz große Szenario von Katastrophe, Untergang und Weltrettung.
  
  Beim ersten Auftritt eines Esels in Gottes Rettungsplan sind Katastrophe und Untergang in den Köpfen der Menschen allgegenwärtig. Die Zerstörung Jerusalems ist ein Trauma in der Erinnerung und in den Herzen der Menschen. Zwar leben sie nun wieder in Jerusalem und auch der Tempel ist wieder aufgebaut, aber nun werden sie von anderen Fremdherrschern regiert, sind nicht frei, fühlen sich gedemütigt und erniedrigt.
  Noch immer ist für sie die Katastrophe Jerusalems damals nicht begreifbar. War sie eine Strafe Gottes, oder sogar eine Niederlage Gottes?
  In diese Zweifel hinein schreibt Sacharja:
  
  
  Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.
  Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.
  
  Ist in einer solchen unklaren, kritischen Situation ein sanftmütiger und freundlicher König auf einem Esel wirklich ein Grund zum Jubeln?
  
  Die amerikanischen Panzer, die im März 45 durch zerstörte deutsche Städte fuhren, wurden eher beklommen beobachtet – sie waren deutliche Zeichen der Siegermacht und ihrer Stärke.
  Zum Glück kamen sie jetzt in der Absicht, Frieden zu bringen und zu sichern.
  Aber es waren Panzer –
  Stellen Sie sich mal vor, die amerikanischen Soldaten wären stattdessen auf Eseln geritten!
  Welch ein lächerlicher und absurder Gedanken!
  
  Es waren ja die gleichen Kräfte, die vorher diese Städte in Schutt und Asche gebombt hatten.
  Dieser Friede hatte einen hohen Preis.
  Und genau so sind doch die menschlich, realistischen Erwartungen, wie es politischen Frieden und Stabilität geben kann.
  Unter den Bedingungen von Kräftemessen und Stärke, mit Waffen und Panzern und militärischen Abschreckungspotential. Mit vielen Toten und unter großen Opfern.
  
  Das erstaunliche Bild von dem Friedenskönig auf seinem Esel ist doch dazu keine Alternative.
  Er hat doch keine Chance.
  Er ist völlig aus der Welt gefallen!
  
  Und doch nistet sich dieses Bild in den Herzen ein und es weckt die Sehnsucht, es möge doch eine echte Alternative zum Kräftemessen geben und wirklichen Frieden.
  
  Dieses Bild setzt sich hartnäckig in den Herzen und in den Hinterköpfen fest.
  Diese Sehnsucht treibt Menschen um – bis in eine Zeit hinein, 200 Jahre später, in der Jerusalem noch immer unter der Fremdherrschaft von anderen Völkern steht, den Römern diesmal, und von dem sanftmütigen Friedensreich, von Jubel und Freudenfesten wenig zu spüren ist.
  
  Da trägt ein Esel eine schwangere Frau.
  Und er steht daneben, als das Kind geboren wird.
  Steht dabei, als die Hirten kommen und die Könige und die Engel vom Frieden auf Erden singen.
  Wenn schon der König auf einem Esel ein Bild wie aus einer anderen Welt ist,
  wie viel mehr dann dieser Neugeborene in Armut, obdachlos, mit Hilfsarbeitern und Ausländern und Eseln als Zeugen seiner Macht.
  
  Ein Bild, das sich in die Herzen senkt und in die Hinterköpfe, das Hoffnung aufkeimen lässt, Hoffnung, die nicht von dieser Welt ist, schräg und vermessen.
  
  Was für starke Bilder!
  
  Dieser Neugeborene liefert 30 Jahre später als erwachsener Mann zu den Bildern den Soundtrack.
  Er holt sie aus den Hinterköpfen und den verseckten Winkeln von Herzen und Sehnsucht.
  Er hat die Unverfrorenheit zu sagen:
  Das, was ihr alle, was Israel, was die Menschheit seit Jahrhunderten ersehnt und erhofft, erwartet und erträumt,
  Jetzt ist es erfüllt!
  Heute, Hier, vor euren Augen und Ohren, durch mich!
  
  Und mancher mag geschaut haben wie ein Esel und ungläubig mit dem Kopf geschüttelt haben.
  Was ist denn erfüllt?
  Was hat Jesus denn eingelöst von den großen Verheißungen?
  Welche Rolle spielt er denn bei der Rettung der Welt?
  Jesus antwortet selbst auf die ungläubig staunenden Fragen:
  Lahme gehen, Blinde sehen, Armen wird die beste Nachricht der Welt ausgerichtet, Gefangene kommen endlich frei.
  
  Gott beginnt damit, mitten unter euch sein Königreich zu erreichten, hier in Jerusalem, wo noch die Römer das sagen haben!
  
  Gott selbst ist da!
  Das ist mehr als Panzer,
  mehr als ein Superheld,
  Mehr als alles:
  Gott selbst!
  
  Wer sollte sich ihm noch in den Weg stellen?
  
  Was jetzt schon bei einigen beginnt, wird bald für alle da sein: Heilung und Heil, Frieden und Gerechtigkeit, Freude in Freiheit und Menschenwürde!
  
  Und dann reitet er wirklich und wahrhaftig auf einem Esel in Jerusalem ein!
  Vor den staunenden Augen der Menschen Menge, die in Jubel ausbricht und ihn im Freudentaumel begrüßt, ihren versprochenen und sehsüchtig erwarteten König und Retter!
  
  Der reitet in Jerusalem ein und er reitet direkt in die Katastrophe in den Untergang.
  
  Und man fragt sich beklommen, wer hier der Esel ist und wer der Superheld!
  
  Gottes Verheißung erfüllt sich – endlich!
  Aber so???
  
  Selbst Jesus muss darum im Gebet ringen, in diese Wege Gottes einstimmen zu können, in diesen Weg, den Gott geht.
  Der in die totale Katastrophe führt, in den vollkommenen Untergang, gerade, als alle die Erfüllung ihrer Hoffnung in greifbarer Nähe sehen!
  
  Gott erfüllt seine Verheißung und entzieht sie wieder – im selben Moment.
  Um dann erstrecht, unvorstellbar und über alle Erwartungen hinaus zu erfüllen.
  
  Der Gescheiterte geht aus der Katastrophe als Sieger hervor.
  Selbst der Tod gibt kleinbei
  angesichts dieser Sanftmut, dieser Ohnmacht und Hilfsbedürftigkeit eines Säuglings und eines Toten;
  angesichts von Gottes Gegenwart und Lebenskraft.
  
  Die Welt ist gerettet, versöhnt, befriedet.
  Der Jubel begründet, die Freude befreit!
  
  Gott erfüllt, aber so, dass aus dem, was er an großartigem weltveränderndem tut,
  notwendig wieder Sehnsucht und Erwartung erwächst.
  Nicht, weil die Verheißung nicht erfüllt ist, sondern weil sie erfüllt ist.
  
  Es ist eben ganz anders, als mit menschlichen Erwartungen und menschlicher Vorfreude.
  Jahr für Jahr war für mich als Kind die Vorfreude auf Weihnachten riesengroß – sie wuchs mit jedem Tag bis zum 24. Dezember. Aber schon am 25. Spätestens am 26. Stellte sich eine Ernüchterung ein: Schade, das war‘s also mal wieder…
  Vielleicht waren alle Erwartungen erfüllt worden, aber damit war es auch zu Ende.
  
  Bei Gottes Verheißungen ist das anders!
  Da ist es eher so, wie in der Rede von Barak Obama nach seiner Wiederwahl:
  Das Beste kommt noch!
  
  Obwohl, oder sogar weil Gott seine Verheißungen erfüllt, entsteht mit der Freude darüber zugleich eine Sehnsucht darüber hinaus.
  Und es entsteht die berechtigte Hoffnung auf mehr, auf noch anderes, noch vollkommener:
  Auf Frieden auf Erden,
  auf Versöhnung aller Menschen,
  auf Gottes Friedensreich.
  
  Das Beste kommt noch –
  Und bis dahin baut Gott sein Friedensreich hier, mitten unter uns, vor unseren staunenden Augen weiterhin aus Trümmern, in Ohnmacht und Scheitern, weiterhin durch und mit Eseln.
  
  Mit uns Eseln, die gut und Laut klagen und über Nichtigkeiten streiten können.
  
  Mit den verborten Eseln, die meinen die eigentlichen Herren der Welt oder zumindest ihres Lebens zu sein, und die doch vor Jesus ihre Knie beugen müssen.
  
  Mit uns beschränkten Eseln, die nicht begreifen können, dass Jesus wirklich lebt und in der Welt und in uns handelt, wirkt, und allem Tiefen und Dunklen und Schweren eine neue Dimension von Segen eröffnet.
  
  Mit uns sturen Eseln, die nicht so recht begreifen wollen, dass Versöhnung eine reale Macht ist. Eine echte Wirklichkeit in dieser Welt, die uns zur Verfügung steht, weil Jesus sie in uns und durch uns schafft.
  
  Wir Esel dürfen dabei sein, zuschauen, staunende mitmachen, wenn Gott hier und jetzt und heute an seinem großen Projekt arbeitet: die Welt zu retten, sein Reich zu bauen, Frieden und Gerechtigkeit zu schaffen.
  Uns werden vor Staunen die Augen übergehen und die Sehnsucht wird sich in Jubel verwandeln,
  wenn Gott seine Verheißung erfüllt, auf Wegen, auf die wir nie gekommen wären und über alles hinaus, was wir uns vorstellen können.
  Das Beste kommt noch!