Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat ist. Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten. … und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des HERRN, sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.
Liebe Gemeinde!
Wie schön und passend zum Sonntag Kantate, dass wir hier einen biblischen Bericht haben, in dem so viel Musik erklingt! Mit aller Inbrunst wird gesungen, Trompete wird geblasen und Zimbeln, Psalter und Harfen erklingen. Wunderbar! Und dass wir in unserer Corona-Zeit überhaupt wieder Gottesdienst - und das mit Musik - feiern können, genauso wunderbar! Vielleicht reicht das alles an diesem Sonntag auch schon für so richtig musikalische Menschen, die den ganzen Tag eine Melodie summen, immer ein Liedchen auf den Lippen haben, dabei fröhlich sind – und dann endlich auch wieder einen beschwingten Spaziergang durch Parks oder Fußgängerzonen machen dürfen. Möglicherweise werden solche Menschen durch die wunderbare Macht der Musik erheblich besser erreicht als durch eine ausgewachsene Predigt. Und sicherlich hätte jeder Verständnis dafür, wenn alle, die derart von unserem Gott musikalisch mit besonderen Gaben beschenkt sind, einer Predigt am Sonntag Kantate nur mit einem Ohr zuhören und im anderen Ohr eben allen diesen wunderbaren Klang haben.
Allerdings würde es mich wundern, wenn nicht wir anderen, etwas weniger reich begabten, bei diesem Bericht über die Einweihung des Tempels in Jerusalem doch die eine oder andere Beobachtung machen und auch erörtern könnten.
So könnte man doch etwa erwarten, dass in unserer üblichen protestantischen Nüchternheit etwas Verwunderung darüber aufkommt, was da damals für ein Aufwand bei der Tempeleinweihung getrieben wurde! Wie sollten wir da als nüchterne Norddeutsche irgendetwas mitempfinden können? Und könnte sich heutzutage nicht mancher aufrechte evangelische Christ vielleicht eher belästigt fühlen und möglicherweise sogar sagen: Für mich kann Tempeleinweihung nur heißen: Es geht um ein Dach über dem Kopf. Es kann also nur um ein Haus gehen, in dem man zu bestimmten Zeiten und zu bestimmten Anlässen zusammenkommen kann. Was sollte daran schon Besonderes sein? Außerdem haben uns unsere Corona-Zeiten ja gelehrt, wie viel gegenwärtig nicht nur per home-office möglich ist, sondern auch durch sonntägliche youtube-Beiträge des Ortspastors oder anderer engagierter internetfähiger Gemeindeglieder.
Was sollte man nun gegen solches Argumente sagen können? Doch, da gibt es tatsächlich etwas! Und das steht auch direkt in unserem Bibelwort: Denn das ist doch wirklich etwas Besonderes, dass dann die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen dieser Wolke, mit der die Herrlichkeit des HERRN dieses neue Haus erfüllte. Ein mächtiges Wolkengebirge, das alles erfüllt und klein macht und seinen eigenen Raum braucht! Was muss das für ein Erlebnis gewesen sein, ein Erlebnis, das man wirklich sein Leben lang nicht vergessen wird!
Und obwohl man dabei kaum noch Augen und Ohren für anderes haben kann, höre ich trotzdem einen Einwand, einen Einwand gerade von engagierten Christenmenschen. Denn die betonen aufrichtig und zurecht: Wenn wir die Herrlichkeit des HERRN wirklich ernst nehmen, dann kann sie auch ein Zelt ausfüllen, wie es bis dahin in Israel immer war. Oder genauso dürfen wir doch genauso fest daran glauben, dass die Herrlichkeit des HERRN sich mit einem Male auf freiem Feld zeigt, oder am Computer, in einem Krankenzimmer oder mitten auf dem Meer. Wenn Gott Gott ist, dann kann er doch nicht eingegrenzt oder verfügbar sein oder gar an eine Behausung gebunden. Ja, schon gar nicht an eine von Menschen gemachte. Denn dann - so sähe es jedenfalls aus - denn dann wäre er ja auf menschliches Tun, Gestalten, Werken oder Manipulieren förmlich angewiesen, so schön und prächtig das alles im Einzelfall auch sein mag.
Übrigens wissen wir uns in dieser Überzeugung von Herzen mit unserem Herrn Jesus Christus eng verbunden. Denn er zog ohne festes Haus von Ort zu Ort. Und er war kein ehrwürdiger Hoherpriester, der im Tempel die Gottheit durch blutspritzende Schlachtopfer zu besänftigen wusste, weil sie vielleicht sonst von dorther, in ihrem Zorn das ungläubige und ungehorsame Volk mit Blitz und Donner, Aschewolken und zerstörerischem Unglück überschütten würde. Sondern das Sensationelle der Botschaft Jesu, des Sohnes Gottes, ist doch, dass wir uns im Vaterunser und auch sonst an den Schöpfer des Himmels und der Erden ganz vertraulich und intim wenden und ihn anreden dürfen: „Vater unser“!, was sich in unserer Zeit vielleicht auch anhören dürfte wie „Mein Papa im Himmel“! „Meine Mami im Himmel!
Und diese Vertraulichkeit, dieses intime Gebet und dieses tiefe Vertrauen auf sein Hören, sein Helfen, Retten und Erlösen, ja auch in Zeiten von Pandemien und schlimmsten Verwüstungen, wo hat das nun seinen Ort? Natürlich einerseits in der Kirchengemeinde! In der Gemeinschaft der Glaubenden! Denn Jesus verspricht doch: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“(Mt 18,20)
Aber wenn Jesus weiter spricht vom Gebet „im Geist und in der Wahrheit“(Joh 4,21), muss dann auch nicht andererseits diese Vertraulichkeit, dieses intime Gebet, seinen ganz persönlich vertrauten und intimen Ort haben - etwa unter der Bettdecke vorm Einschlafen oder an vielen anderen Orten?
Ja, so darf die Christenheit ganz vertraulich und intim mit Gott, dem allmächtigen und allgewaltigen Schöpfer des Himmels und der Erden, in Verbindung sein und bleiben, bis in alle Ewigkeit, wo es dann das wunderbare Schauen von Angesicht von Angesicht geben wird! -
Und trotzdem hat die Christenheit Kirchen gebaut. Aber warum denn das? Wollte man nun etwa doch eine Religion sein, wie so viele andere? Wollte man etwa nun doch eine Kultstätte haben, wie es so üblich war? Wollte man nun doch „Heilige Orte“ haben, um die sich alles schart und um die gegebenenfalls auch gekämpft wird bis zum letzten Blutstropfen? Wollte man sich durch Bauwerke gewaltigen Ausmaßes einen Namen machen, vor allen Völkern oder gar vor Gott?
Unser Gott weiß allein, wie viele unterschiedliche und manchmal auch nicht sehr fromme Gedanken es zu kirchlichen Bauten gibt. Und vielleicht ist dabei die Erinnerung an den Turmbau zu Babel nicht völlig hergeholt. Aber möglicherweise ist hier gerade die Besinnung darauf, dass die Christenheit im Grundsatz für ihr Leben keine Kirchen braucht recht hilfreich, und das sogar weltpolitisch! Denn erinnern wir uns: wie war das früher bei Eroberungen? Man zerstörte bei dem eroberten Volk seinen Tempel und nahm ihn damit seine Gottheit. Und nach der Niederlage durch Feuer und Schwert kam so die mentale Niederlage dazu und die besiegten Völker mussten die Religion der Sieger annehmen und verschwanden so meist so aus der Weltgeschichte.
Wie anders ist es dagegen bei dem alten und neuen Gottesvolk! Nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem ging das Volk nicht unter, sondern wusste Gott auch ohne Tempel zu dienen. Christliche Völker wurden besiegt und gedemütigt und ihre Kirchen zerstört, aber ihr Gottesdienst ging weiter - in Ruinen, in Privathäusern, im Wald, in Turnhallen oder eben auch über das Internet, überall, wo man sich treffen und wo man sich erkennen konnte. Nein, so ist in der Christenheit durch die Zerstörung von Bauwerken die ganz vertrauliche und intime Verbindung mit Gott, wie wir sie durch Jesus haben dürfen, nicht zu zerstören – auch nicht durch schlimmste Pandemien.
Und trotzdem baut die Christenheit Kirchen. Und feiert die Einweihung festlich gekleidet und mit großer Freude und Musik, so, wie wir es hier in unserem Bibelwort hören. Aber warum denn nur? Etwa nur, weil man praktischerweise für die Versammlung von mehr als 10 oder 100 oder 1000 Gemeindegliedern eine eigene Räumlichkeiten braucht? Aber wozu das heute, wo man sich ohne weiteres per Internet zusammenschalten kann?
Und dennoch! Denn könnte der Bau einer Kirche nicht so etwas wie ein Zeichen sein? Als ich Kind war, da war es üblich, von den Kirchtürmen in der Landschaft als „Zeigefinder Gottes“ zu reden. Heute mag ich dieses Bild nicht mehr so richtig, weil es für mich zu bedrohlich klingt. Aber wenn in unseren Kirchen auf dieser Welt ein Raum zu finden wäre, der anders ist als andere Räume, weil man in ihm – und das miteinander - sehen und verspüren kann, dass in diesem Raum Gott die Ehre gegeben werden soll, was wäre das für ein Zeichen!
Ein Gebäude als Zeichen und Anlass dafür, über das Wirken und Fügen Gottes in dieser Welt nachzudenken und sich gewiss zu werden, dass alle Welt von ihm durchdrungen wird. Ein Bauwerk als Zeichen und Anlass dafür, vor dem Angesicht Gottes still zu werden, aber auch zu weinen und zu lachen, wie Generationen vor uns und nach uns. Und hatte man nicht sogar früher Kirchen nach dem Schema gebaut, wie das himmlische Jerusalem mit seinen Mauern und Toren in der Bibel beschrieben ist? Und das doch nicht, weil das Kirchengebäude schon das himmlische Jerusalem war, sondern weil es ein Zeichen für alle himmlische Erwartung und Hoffnung, für alle himmlische Tröstung und Erfüllung sein sollte, hier auf Erden. Und ist es da nicht ganz selbstverständlich, dass man an einem solchen zeichenhaften Ort, an dem dann auch das Wort Gottes öffentlich für jedermann verkündigt wird, auch zur Taufe zusammenkommt wie zum Abendmahl, zur Trauung genauso wie zur Trauerfeier?
In unserem biblischen Bericht leitet ja Salomo alle diese großartigen Feierlichkeiten zur Einweihung des Tempels in Jerusalem und natürlich hat er recht, wenn er dann in seinem Einweihungsgebet fragt: „Sollte Gott wirklich bei den Menschen auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen; wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?“ (2. Chr. 6, 18)
Aber genau dieser Gott, den Himmel und aller Himmel Himmel nicht fassen können, genau der hat versprochen, das aufrichtige Gebet seines Volkes zu hören, das aufrichtige Gebet des ganzen Volkes und von jedem Einzelnen! Darauf dürfen wir uns um Jesu Christ willen verlassen. Und darum dürfen wir froh und dankbar darüber sein, dass es auf dieser Welt zeichenhafte Orte gibt, eben Kirchen gibt, in denen man sich in diesem Glauben versammeln kann und Gott loben und bitten, danken und preisen kann. Und das, das sollte man dann auch gefälligst tun - mit aller Kraft, mit aller guten Musik, mit Singen und Spielen, wie es eben zum Sonntag Kantate gehört. Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Es ist eine Vorstadt-Gemeinde versammelt, Alt und Jung sind beieinander. Kinder sind zuerst beim Gottesdienst dabei, dann aber Auszug der Kinder nach dem Evangelium zum parallelen Kindergottesdienst.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Das Kirchbauthema ist mir nicht ganz fremd, denn wir haben hier vor Ort vor sechs Jahren selbst einen Kirchenneubau mit großer Dankbarkeit und Freude einweihen dürfen. Aber ich weiß auch, dass das in der heutigen Zeit „Spezialerfahrungen“ sind, die nicht unbedingt verallgemeinerbar sind.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
ohne Antwort
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Es wird bei der Spannung zwischen persönlicher Frömmigkeit und dem zeichenhaften Versammlungsort „Kirche“ bleiben. Es ist hilfreich, eine sachkundige „neutrale“ Stimme zum Pre- digtentwurf zu hören. Denn im eigenen Nachdenken gibt es eben manchmal unbeabsichtigte „Verschlingungen“ oder Doppelungen, die einem nicht gleich auffallen. Ich habe die Anregung des Predigtcoaches zu einer gewissen Konzentration gern aufgenommen.