Ein christusgemäßer Mensch sein und werden – Predigt zu Epheser 5, 1 – 8 von Paul Geiß
5,1-8

Ein christusgemäßer Mensch sein und werden – Predigt zu Epheser 5, 1 – 8 von Paul Geiß

Ein christusgemäßer Mensch sein und werden

Epheser 5, 1 – 8 (Einheitsübersetzung):
1 Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder
2 und liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt.
3 Von Unzucht aber und Schamlosigkeit jeder Art oder von Habgier soll bei euch, wie es sich für Heilige gehört, nicht einmal die Rede sein
4 Auch Sittenlosigkeit und albernes oder zweideutiges Geschwätz schickt sich nicht für euch, sondern Dankbarkeit.
5 Denn das sollt ihr wissen: Kein unzüchtiger, schamloser oder habgieriger Mensch - das heißt kein Götzendiener - erhält ein Erbteil im Reich Christi und Gottes.
6 Niemand täusche euch mit leeren Worten: All das zieht auf die Ungehorsamen den Zorn Gottes herab.
7 Habt darum nichts mit ihnen gemein!
8 Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichts!

Liebe Gemeinde,

das ist starker Tobak, eingepackt in die Taufzusagen, die eine ganz tiefe Verbundenheit jedes Christen und jeder Christin mit Christus durch die Taufe beschreiben. Grund dafür sind Vers 2: Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben als Gabe und als Gott gefälliges Opfer. Und der Vers 8: Einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Und das heißt: Du bist vor Gott und in Gott ein neuer Mensch. Er gibt Dir seine Zusage, eine Versiegelung durch die Taufe, eine Zumutung und Anmutung, die für ein ganzes Leben gelten soll, die aber ihre Konsequenzen hat. Stark kontrastiert das der Verfasser des Epheserbriefes, er sagt nicht einmal: Ihr wart in Finsternis, sondern: Ihr wart Finsternis. Jetzt seid ihr Licht.

Lass ich mir das sagen? Mute ich mir diese Zuschreibungen zu?
Ich bin als Kind getauft worden. War ich vorher Finsternis und bin dann Licht geworden?
Meine Eltern haben versucht, mir den richtigen Weg ins Leben zu zeigen. Sie waren Vorbild für mich, aber keineswegs nur immer Licht. Und ich, ich glaube, ich war für sie auch manchmal Finsternis auf meinem holprigen Weg in ein selbstbestimmtes, Gott gewolltes lichtes Leben.

Im Epheserbrief geht es um den Aufbau von Kirche und Gemeinde von Jesus Christus. Durch die Taufe sind die Glaubenden der Finsternis entrissen und mit Christus verbunden worden. Als Folge der Taufe können Christen den alten, der Sünde verfallenen Menschen überwinden und ein neues Leben verwirklichen, das durch Christus erleuchtet ist: Christus hat sich für uns geopfert, jetzt lebt auch christusgemäß.
So fasst die Erläuterung aus der Einheitsübersetzung der römisch-katholischen Kirche wichtige Gedanken des Epheserbriefes zusammen.

Aber dann haut der Verfasser dieses Schreibens, vielleicht ein Paulusschüler, uns, den Gemeindegliedern, den getauften Christinnen und Christen, einige knallharte Sätze um die Ohren, dass es nur so kracht.
Die Finsternis ist keineswegs ausgerottet, auch nicht bei den neuen Menschen in Christus. Unzucht, Schamlosigkeit, Habgier, Sittenlosigkeit, Gemeinheiten und alberne Reden sind offenbar auch bei Christen nicht verschwunden, sonst müsste der Verfasser nicht so gewaltig auf die Pauke hauen.
Da kennt einer die Menschen, da weiß einer, dass kein Christ einfach durch seine Taufe frei von all diesen Lastern ist.

Manchmal kommt die Sittenlosigkeit in albernen Reden zum Ausdruck, und Habgier, Machtstreben, Sicherung des eigenen Wohlstandes gegen die Not der anderen, das sind Zeichen des alten Menschen. Dadurch kommen unter Christen und in den Kirchen heftige Konflikte auf, die auch vor Kirchengemeinden, Kirchentüren und Kirchenvorständen, Presbyterien oder Gemeindekirchenräten nicht Halt machen.
Wer in der Kirche Gemeindeberatung oder Organisationsentwicklung betreibt, kann davon ein Lied singen.
Da geht es unter dem Deckmantel der Diskussion um das rechte Verständnis des Abendmahls oft genug um Rechthaberei oder darum, der Pfarrerin, dem Pfarrer eins auszuwischen, weil man an ihr oder an ihm etwas auszusetzen hat. Oder man mag die Neuerungen in der Jugend- und Gemeindearbeit nicht und fängt deshalb einen Streit über Glaubensfragen an?
Auch im Christentum gibt es Fundamentalisten, die um ihres Verständnisses der Wahrheit willen meinen, Konflikte anzetteln zu müssen.
Und kirchliche Hierarchien sind vor Machtstreben, Geltungssucht und Mobbing keineswegs gefeit.

Die Superintendentin, die die Dienstaufsicht über ihre Pfarrkolleginnen und Pfarrkollegen ausübt,  - sie war jahrelang eine nette Kollegin, bis sie sich auf die neue Position bewarb - , sie sagt jetzt in der neuen Rolle: Ich bin Eure Vorgesetzte, ich sage jetzt, wo es lang geht! Sie löst damit lang andauernde Konflikte aus, die aus dem Ruder geraten.

Der Direktor eines Gymnasiums mag den jungen Kollegen mit seinen schülerfreundlichen Angeboten nicht und versucht, ihn kalt zu stellen, wo es nur geht, weil er seine Macht und Geltung bedroht sieht durch einen, der in der Schule besser ankommt als er, der Direktor.

Die Frau eines Lehrers wird ihres Mannes überdrüssig und beginnt ein Verhältnis mit seinem besten Freund und Kollegen anstatt in ihrer Ehe mit ihrem vor Gott angetrauten Mann etwas gemeinsam zu verändern.

Ein Bauunternehmer verbaut minderwertige Materialien, weil er meint, das merkt keiner. Kommt es dann zu einer Katastrophe, werden jahrelang Gutachter beschäftigt, endlose Rechtsstreitigkeiten sind die Folge, obwohl der Materialfehler schon zu Beginn der Auseinandersetzungen aufgedeckt wurde.

Der Verfasser des Epheserbriefes scheint ein guter Menschenkenner zu sein und ermahnt deshalb seine Adressaten und uns dazu immer wieder aus der Zusage zu leben: Du bist in Christus ein neuer Mensch geworden. Hast Du es dann nötig, wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen und durch Geltungssucht, Schamlosigkeit und Habgier Menschen zu verschrecken und auszubeuten?

All diese Schrecken von Rassismus, Raffgier, Machtstreben, Ausbeutung sind ja auch von Christen verübt worden.
So wurde das Apartheidsystem in Südafrika über Jahrzehnte als im christlichen Glauben begründet dargestellt, bis es erst in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts überwunden werden konnte. So wurde in den faschistischen und kommunistischen Systemen eine Ideologie zu menschenverachtenden Gewaltherrschaft missbraucht, auch von Christen, die im Schoße ihrer Kirche und ihrer christlichen Pflicht und Überzeugung lebten. Und so ist es auch heute noch in weiten Teilen der Welt, wo demokratischen Prinzipien und Gewaltenteilung den Interessen überalterter Staatsmänner geopfert werden wie zum Beispiel in Zimbabwe, Burundi, Eritrea.

Im Epheserbrief geht es um den Aufbau von Kirche und Gemeinde. Das Licht, das die getauften Christen darstellen, soll in die Welt ausstrahlen, soll die Welt verändern.
Christus hat sich für uns geopfert, jetzt können wir auch christusgemäß leben. Christen können eine tiefe Verbundenheit mit Christus leben, die durch die Taufe zugesagt ist und den ganzen Menschen ergreift. Das ist mehr als ein kategorischer Imperativ oder eine ethische Anweisung zur Besserung, es ist eine Folge der Gnade, die Christus durch sein Leben und Sterben erwirkt hat, ein, wie es in der alten Kirche heißt, Mittel der Gnade! Es ist ein Angebot, um immer wieder ein neuer Mensch zu sein, immer wieder ein neuer Mensch zu werden. Man kann Folge und ethische Konsequenz auch so ausdrücken: Sei und werde, was Du in Gott bereits bist. Ein christusgemäßer Mensch.

Luther hat sich da auch drastisch ausgedrückt. Im kleinen Katechismus antwortet er auf die Frage: Was bedeutet denn solch Wassertaufen?
Es bedeutet, dass der alte Adam, - heute muss man sicher auch korrekterweise sagen die alte Eva -, in uns durch tägliche Reue und Busse soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.

Licht sind wir. Wir kennen das von der Elektrizität, Licht lebt von der Spannung, vom Wechselstrom, Licht entsteht, wenn Spannung da ist. Und die tägliche Anspannung, in der Christ und Christin stehen sollen, um vor der Welt zu leuchten, sie bedeutet immer wieder fröhlich und entschlossen den Widerstand gegen die alltäglichen Versuchungen aufrecht zu erhalten.
Das kann mit Humor geschehen, dass kann im entschlossenen Widerstand gegen Angst oder die alltägliche Gewalt bestehen, die uns bedroht, das kann darin bestehen, vertrauensbildende Maßnahmen anzugehen. Mir geht noch so eine altertümlich klingende Übersetzung aus der alten Stuttgarter Jubiläumsbibel durch den Kopf aus dem Paulusbrief an die Philipper, Kapitel 4 Vers 5:
Eure Lindigkeit lassen kund sein allen Menschen.
Und Lindigkeit, das kann man üben.

Im Kirchenvorstand versucht der Berater den Widerstand der Presbyter gegenüber dem Pfarrer aufzudecken und daran zu arbeiten und nicht künstlich hochgespielte Glaubensdifferenzen weiter zu bearbeiten.

Die Superintendentin bekommt selbst Supervision für ihre Führungsaufgabe, damit sie die Kolleginnen und Kollegen nicht mit ihren Forderungen erschreckt, sondern an den Ressourcen der Pfarrgemeinschaft andockt.

Die Lehrerkonferenz sucht sich einen außenstehenden Organisationsberater, der behutsam Differenzen bearbeitbar macht und auch dem Direktor ermöglicht, seine Grenzen ohne Groll zu sehen, wenn er lernbereit ist.

Die Frau des Lehrers schafft es, in Gesprächen mit einer Eheberatung offen über ihre Frustrationen in der Ehe zu sprechen und sich die Entscheidung gut zu überlegen, ob sie ihre Ehe aufrechterhalten will oder nicht.

Christen haben durch die Taufe und durch ein tiefes Verhältnis zu Christus die Chance, neue Menschen zu sein und zu werden. Das macht die Christengemeinde aus und dazu gibt gerade in der Passionszeit unsere Bibelstelle aus dem Epheserbrief die richtigen Hinweise.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen in Christus Jesus, unserem Herrn. AMEN