Konfirmationspredigt über das Doppelgebot der Liebe von Christoph Dinkel

Konfirmationspredigt über das Doppelgebot der Liebe von Christoph Dinkel

Konfirmationspredigt über das Doppelgebot der Liebe

Als Predigttext dient uns Jesu Doppelgebot der Liebe wie Ihr es uns gerade aufgesagt habt:

Du sollst den Herrn, deinen Gott,
lieben von ganzem Herzen,
von ganzer Seele
und von ganzem Gemüt.
Dies ist das höchste und größte Gebot.
Das andere aber ist dem gleich:
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Liebe Gemeinde und heute besonders:
liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!
Gott lieben und den Nächsten lieben. – So kurz fasst Jesus zusammen, was der christliche Glaube bedeutet – und wo-rauf es im Leben ankommt: Gott lieben und den Nächsten lieben. Das klingt ganz einfach, aber wie macht man das eigentlich?

1. Mich selbst lieben – geht das?

Meinen Nächsten soll ich lieben wie mich selbst. Jesus geht davon aus, dass man die Liebe zu sich selbst einfach voraussetzen kann. Manche würden bestreiten, dass das mit der Liebe zu sich selbst so einfach ist. Gerade Ju-gendliche neigen dazu, sich selbst nicht zu mögen. Jeden-falls mögen sie sich nicht so wie sie sind. Sie meinen, sie seien zu dick oder zu klein, zu unsportlich oder nicht schön genug. Sie messen sich an Supermodels und großen Athleten und meinen, wenn sie so wären wie diese, dann wäre ihr Leben besser. Aber ein kurzer Blick in die Medien genügt um zu wissen, dass auch die Supermodels und Athleten keinesfalls glücklicher sind als andere. Ihr Glück ist oft genug Fassade, ist Verkaufsstrategie, Täuschung.

Sich selbst zu lieben so wie man tatsächlich ist, ist gar nicht so einfach. Aber wenn es mit der Selbstliebe schon so schwer ist, wie soll das dann gehen, dass man seinen Nächsten liebt wie sich selbst?

2. Den Nächsten lieben

Immerhin, in manchen Situationen wissen wir sehr wohl uns selbst zu lieben. Im Neid auf den anderen und das, was er hat oder kann, steckt eine gehörige Menge Selbstliebe: Im Neid auf die Schönheit des anderen, auf seinen Reichtum, auf die Aufmerksamkeit, die ihm oder ihr widerfährt. Deshalb heißt es in den Geboten: Du sollst nicht begehren, was deinem Nächsten gehört. All das, was der andere kann und hat und bekommt, hätten wir auch gerne für uns. Wenn Jesus uns auffordert, den Nächsten zu lieben, dann heißt das erst einmal dem anderen das zu gönnen, was ich gerne für mich selbst hätte. Wenn ich das Gebot ernst nehme, werde ich versuchen, nicht alles an mich zu raffen und für mich zu beanspruchen. Denn mein Nächster hat es nicht weniger verdient als ich.

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Jesus erzählt zu diesem Satz das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10,25-37). Auf dem Weg von Jerusalem nach Je-richo wird ein Mann von Räubern überfallen und ausge-raubt. Halbtot bleibt er am Weg liegen. Ein Priester geht vorbei, sieht ihn und geht vorüber. Später kommt ein anderer Tempeldiener vorbei. Auch er geht weiter. Wieder später kommt ein Samariter zu der Stelle des Überfalls. Er erbarmt sich des Verletzten, verbindet seine Wunden, bringt ihn zu einer Unterkunft und zahlt dem Wirt auch noch die Pflege für die nächsten Tage bis der Mann wieder gesund ist.

Das Verhalten des Samariters ist vorbildlich. So wie er sollen Christenmenschen handeln, wenn sie einen anderen in Not sehen. Der Samariter ist zum zentralen Symbol der christlichen Ethik geworden. Der Samariter zeigt echtes Mitgefühl. Er kann sich in die Lage des Verletzten am Straßenrand hineinversetzen. Er schaut nicht weg, sondern nimmt die Situation aus der Perspektive des anderen wahr. Der Samariter denkt: Wenn ich verletzt am Wegrand läge, dann würde ich hoffen, dass der andere mir hilft. Und ge-nau das macht er dann. Nächstenliebe heißt nicht nur dem anderen das Seine zu gönnen. Nächstenliebe heißt auch, dem anderen zu helfen, wenn er in Not ist.

Die Menschheit musste in ihrer langen Geschichte das Mitgefühl mit dem anderen Menschen erst mühsam lernen. Das Gebot der Nächstenliebe markiert damit einen wichtigen Schritt in der sozialen Evolution des Menschen. Jeder einzelne von uns muss diesen Entwicklungsschritt noch einmal selbst gehen. Kleine Kinder müssen erst lernen, sich in andere hineinzuversetzen. Normal ist die Selbstdurchsetzung des Stärkeren. Dass aber der Stärkere lernt, eine Situation aus der Sicht des Schwächeren zu betrachten, dass er lernt Rücksicht zu nehmen und das Lebensrecht des anderen zu achten, ist eine Leistung. Viel zu viele Menschen kennen nur ihr eigenes Glück und sind blind für die Bedürfnisse und das Lebensrecht anderer. Den Nächsten zu lieben wie sich selbst ist eine Lernaufgabe für das ganze Leben.

3. Gott lieben

Der barmherzige Samariter nimmt den unter die Räuber Gefallenen als Nächsten wahr. Er übersieht ihn nicht, son-dern wendet sich ihm zu und hilft ihm. Doch Jesus will mit seinem Gleichnis mehr sagen. Deshalb stellt er dem Samariter die beiden anderen Figuren gegenüber, den Priester und den Tempeldiener. Beide müssten eigentlich Experten für Gott sein. Es ist geradezu ihr Beruf Gott zu lieben. Wenn Jesus dem Samariter den Priester und den Tempeldiener gegenüberstellt, dann ist das eine sehr ironi-sche und durchaus böse gemeinte Spitze. Die beiden, deren Beruf es ist Gott zu lieben, tun das gerade nicht. Sie erkennen Gott gar nicht. Sie übersehen ihn, obwohl er vor ihnen verletzt am Wegrand liegt. Der Fremde jedoch, der Samariter, der, von dem man es nicht erwartet, erkennt Gott und wendet sich ihm zu. Er versorgt den Verletzten und hilft ihm. Und damit hilft er Gott. Denn für Jesus fallen die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten zusammen. In seinem Gleichnis vom Weltgericht lässt Jesus den Weltenrichter sagen: „Was ihr getan habt einem von meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40) Denn Gott ist in jedem seiner Geschöpfe gegenwärtig. Gott lieben und den Nächsten lieben – das ist für Jesus eigentlich ein Gebot. Gott zu lieben ist also gar nicht schwer. Wenn wir unseren Nächsten lieben, dann lieben wir auch Gott.

4. Mich selbst lieben – gesegnet werden

Was es heißt den Nächsten zu lieben, was es heißt Gott zu lieben, ist damit geklärt. Aber es bleibt das Problem, wie ich mich selbst lieben soll, wo ich doch mit vielem an mir nicht zufrieden bin, wo ich doch manchmal gerne anders wäre oder ein ganz anderer.

Mich selbst lieben kann ich nicht von alleine und nicht aus mir selbst heraus. Mich selbst lieben kann ich, weil andere mich lieben, weil Gott mich liebt. In aller Liebe, die mir widerfährt, begegnet mir Gottes Liebe. Gottes Liebe teilt sich mit, wenn Menschen andere Menschen liebevoll behandeln. Gottes Liebe ist wirksam, wenn Menschen einander helfen wie der Samariter dem unter die Räuber Gefallenen. Gottes Liebe ist da, wenn Menschen zueinander „Ja“ sagen und sich gegenseitig vertrauen. Gottes Liebe ist da, wenn mir ein anderer Mensch freundlich begegnet und mehr und Besseres in mir sieht als ich selbst in mir sehen kann.

Viele Menschen ahnen es gar nicht, wie viele liebevolle Blicke auf ihnen ruhen. Gerade als Jugendlicher ist man oft blind dafür wie viel Liebe, wie viel Wohlwollen, wie viel Freundlichkeit einem begegnet. Heute bei der Konfirmation werdet Ihr deshalb gesegnet. Dieser Segen soll Euch zeigen, dass Gott Euch liebt, dass er es gut mit Euch meint und mit seiner Freundlichkeit begleitet. Dieser Segen soll Euch aufmerksam machen auf all die guten Wünsche, die Euch umgeben, auf alles Wohlwollen um Euch herum, auf die vielen liebenden Blicke, die auf Euch ruhen.

Wie soll ich mich selbst lieben? – Indem ich all die Liebe wahrnehme, die für mich da ist. Der Segen bei der Konfirmation soll Euch daran erinnern: Gott liebt Dich. – Amen.