Predigt zu 2. Könige 5, 1-19a von Luise Stribrny de Estrada
5,1
(Der Predigttext wird in Auszügen (V. 9-15.19a) als Erste Lesung vorgetragen.)
Liebe Schwestern und liebe Brüder!
Da ist einer, der verzweifelt ist. Er ist krank, schwer krank und es gibt keinen, der ihm helfen kann. Vieles hat er schon versucht, hat Kosten und Mühen nicht gescheut, sondern Spezialisten aufgesucht, die man ihm empfohlen hatte – zwecklos. Seinen anspruchsvollen Job kann er nicht mehr ausfüllen, und wie lange sein Arbeitgeber seinen Platz noch freihält, ist unklar. Hat er nicht die anderen schon hinter seinem Rücken davon reden hören, dass bereits nach einem Ersatz für ihn gesucht wird? Oder bildet er sich das nur ein, sind es Hirngespinste, denen er aufsitzt? Seine Freunde haben sich zurückgezogen, sie haben Angst sich anzustecken. Verstehen kann er sie ja, aber jetzt, wo er sie am meisten braucht, lassen sie ihn hängen – da hatte er sich unter Freundschaft was anders vorgestellt. Auch seine Frau hält ihn auf Distanz und redet nur noch mit ihm, wenn zwischen ihnen ein großer Raum bleibt. Kein Mensch lässt sich mehr von ihm berühren. Und auch ihn berühren nur diejenigen, die keine andere Wahl haben. Wie soll es weitergehen mit seinem Leben? Geht es überhaupt weiter? Oder soll er nicht lieber zur Selbsthilfe greifen und dem, was noch von seinem Leben übrig ist, ein Ende machen?
So einer greift nach jedem Strohhalm. Er hört vielleicht sogar auf eine, die einem Volk angehört, das er gerade unterworfen hat. Er hört womöglich auf eine Sklavin. Oder doch nicht? „Der Prophet in meiner Heimatstadt Samaria, der könnte ihm helfen“, hat sie zu seiner Frau gesagt. Immer wieder gehen ihm diese Worte im Kopf herum. Er wendet sie hin und her und beschließt am Schluss, es zu probieren. Das ist seine letzte Hoffnung. Lieber zu diesem Wunderheiler gehen als elendiglich zu krepieren. Sein Chef lässt ihn ziehen, und so kommt er auf Umwegen mit seinem Begleitpersonal zum Haus des Propheten. Er ist gespannt darauf, ihn zu sehen, genug Geschichten hat er inzwischen über ihn gehört.
Aber der Kerl wagt es, ihm die kalte Schulter zu zeigen. Unerhört! Was bildet der sich ein! Was glaubt er eigentlich, mit wem er es hier zu tun hat. Ein Wink von ihm genügte, und seine Leute würden diesen Scharlatan einen Kopf kürzer machen. Er hat es anscheinend noch nicht mal nötig ,sein Haus zu verlassen, um ihn zu empfangen, wie es die Regeln der Gastfreundschaft verlangen und der politische Instinkt gebietet. So hat ihn noch keiner düpiert! Er schnaubt vor Zorn und kehrt auf dem Absatz um. Diese Reise war umsonst, er hat auf das falsche Pferd gesetzt. Bloß weg hier!
Bei der ersten Rast kommen seine Diener vorsichtig näher. Sie sind die einzigen, die keinen Abstand zu ihm halten können, auch wenn sie es sicherlich gerne würden. Sie kommen ins Gespräch. Was hat der Prophet ihm genau ausrichten lassen? Er hat gar nicht richtig hingehört, so wütend war er, dass der nur seinen Boten schickte anstatt selbst zu kommen. Seine Diener erinnern ihn: „Geh zum Jordan und wasche dich siebenmal, dann wird dein Körper wieder heil und du wirst rein werden“, hat der Prophet ihm sagen lassen. „Was soll ich im Jordan“, fährt er auf, „als ob wir nicht selbst Flüsse hätten, deren Wasser sicherlich sauberer ist als das dieses Jordan. Dafür habe ich nun die ganze weite Reise gemacht, nur um mich in der stinkenden Brühe eines fremden Flusses zu waschen! Da hätte ich genauso gut zuhause bleiben können!“ Seine Diener wiegen die Köpfe. Dann wagt sich einer vor und sagt: „Wieso probierst du es nicht, wo wir nun gerade hier sind?“ Und ein anderer ergänzt: “Wenn der Prophet dir geboten hätte, ihm einen Sack Gold zu geben und dann 40 Tage zu fasten und währenddessen nur bittere Kräuter zu essen, hättest du das sicher getan. Nun gibt er dir eine viel leichtere Aufgabe. Versuch doch, ob es hilft, du verlierst ja nichts dabei.“ „Meint ihr wirklich?“, knurrt ihr Herr. „Gut, ihr habt mich überredet, lasst uns zu diesem Fluss fahren.“
Bis sie dort angekommen sind, dauert es einige Stunden. Während er in seinem Wagen sitzt, hat er Muße zum Nachdenken: Da gibt es also einen Mann, diesen Propheten, der nicht so funktioniert, wie er es gewohnt ist. Da widersetzt sich einer seinen Vorstellungen. Das kennt er nicht. Er ist gewöhnt, dass das, was er befiehlt und will, augenblicklich in die Tat umgesetzt wird. Aber in letzter Zeit, will sagen, seit er krank ist, hat das ja auch sonst nicht immer funktioniert. Langsam war ihm alles aus dem Ruder gelaufen. Und er hatte sich gefragt, fragen müssen, wer er eigentlich noch war ohne die Macht, an die er sich gewöhnt hatte. Diese fiese Krankheit hatte ihm das Heft des Handelns aus der Hand genommen, er war immer abhängiger von anderen geworden. Er konnte sich selbst nicht mehr in die Augen schauen, ihm schauderte vor dem eigenen Anblick im Spiegel. Er war nichts mehr wert, weder für sich noch für die anderen. Ohne seinen Job, ohne den Erfolg, ohne die Angst der anderen vor ihm war er ein Nichts.
Er schreckt aus seinen Gedanken auf. Da liegt der Fluss vor ihm, in dem er sich waschen soll. Er legt seine Kleider am Ufer ab und schämt sich, als er seinen entstellten Körper ansieht und weiß: Die anderen sehen ihn auch. Er, der Krieger, war immer stolz gewesen auf seinen durchtrainierten, kräftigen Leib. Davon hat die Krankheit nichts mehr übrig gelassen. Er taucht schnell ins Wasser ein. Waschen soll er sich, hat der andere gesagt, siebenmal. Sonst hat er seine Diener, die ihn waschen, nun muss er alles selbst tun. Er übergießt sich mit Wasser und taucht unter. Ein ums andere Mal. Keuchend zählt er mit, bis sieben. Er schwimmt ans Ufer. Er traut sich nicht, an sich herunter zu schauen. Er zittert.
Da sieht er die Gesichter seiner Diener: ungläubig, voller Überraschung, strahlend. „Du bist gesund“, rufen sie, „schau dich an, deine Haut ist wieder rein“, „du siehst aus wie ein junger Mann!“ Da wagt er es, an sich herabzuschauen und staunt: Ist dieses wirklich sein Arm, seine Hand, gesund und ohne Ausschlag? Ist das sein Leib mit glatter Haut, ohne Makel? Und dieser Fuß, der schon anfing zu faulen, wo ist er geblieben? Jetzt ist er wieder so, wie er ihn gekannt hatte, vollkommen geformt. Er kann es noch immer nicht glauben – ist er das wirklich? Nicht mehr das körperliche Wrack, sondern ein Mann im Vollbesitz seiner Kräfte! Er stößt einen Freudenschrei aus. Endlich, endlich ist er gesund! Er ist geheilt! Er fühlt sich wieder als Mensch!
Da war doch noch etwas. Ja, der Prophet. Er hat ihm tatsächlich geholfen, obwohl er sich das nicht vorstellen konnte. Aber wie hat er das geschafft? Ob das zusammenhängt mit dem Gott, zu dem die Leute hier beten? Das muss wohl so sein. Dann ist dieser Gott stärker als die Götter, die er von zuhause kennt. Denn die haben ihn trotz aller Opfer nicht heilen können. Dieser eine Gott hat ihn gesund gemacht. Er hat Power. Wenn er das geschafft hat, kann er auch noch andere Wunder tun. - Und er beschließt: Dann will ich von jetzt an diesem Gott dienen und an ihn glauben. Er hat mir geholfen, gesund zu werden, dann wird er mir auch in Zukunft helfen, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Ich will zurück zu dem Propheten gehen und ihm danken. Er soll mir sagen, wie ich seinen Gott verehren und zu ihm beten kann. Denn er hat mich nicht im Stich gelassen, als ich verzweifelt war, sondern hat mir herausgeholfen.
Und er ging hin und hatte gefunden, was er nicht gesucht hatte: Gott, den Lebendigen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Liebe Schwestern und liebe Brüder!
Da ist einer, der verzweifelt ist. Er ist krank, schwer krank und es gibt keinen, der ihm helfen kann. Vieles hat er schon versucht, hat Kosten und Mühen nicht gescheut, sondern Spezialisten aufgesucht, die man ihm empfohlen hatte – zwecklos. Seinen anspruchsvollen Job kann er nicht mehr ausfüllen, und wie lange sein Arbeitgeber seinen Platz noch freihält, ist unklar. Hat er nicht die anderen schon hinter seinem Rücken davon reden hören, dass bereits nach einem Ersatz für ihn gesucht wird? Oder bildet er sich das nur ein, sind es Hirngespinste, denen er aufsitzt? Seine Freunde haben sich zurückgezogen, sie haben Angst sich anzustecken. Verstehen kann er sie ja, aber jetzt, wo er sie am meisten braucht, lassen sie ihn hängen – da hatte er sich unter Freundschaft was anders vorgestellt. Auch seine Frau hält ihn auf Distanz und redet nur noch mit ihm, wenn zwischen ihnen ein großer Raum bleibt. Kein Mensch lässt sich mehr von ihm berühren. Und auch ihn berühren nur diejenigen, die keine andere Wahl haben. Wie soll es weitergehen mit seinem Leben? Geht es überhaupt weiter? Oder soll er nicht lieber zur Selbsthilfe greifen und dem, was noch von seinem Leben übrig ist, ein Ende machen?
So einer greift nach jedem Strohhalm. Er hört vielleicht sogar auf eine, die einem Volk angehört, das er gerade unterworfen hat. Er hört womöglich auf eine Sklavin. Oder doch nicht? „Der Prophet in meiner Heimatstadt Samaria, der könnte ihm helfen“, hat sie zu seiner Frau gesagt. Immer wieder gehen ihm diese Worte im Kopf herum. Er wendet sie hin und her und beschließt am Schluss, es zu probieren. Das ist seine letzte Hoffnung. Lieber zu diesem Wunderheiler gehen als elendiglich zu krepieren. Sein Chef lässt ihn ziehen, und so kommt er auf Umwegen mit seinem Begleitpersonal zum Haus des Propheten. Er ist gespannt darauf, ihn zu sehen, genug Geschichten hat er inzwischen über ihn gehört.
Aber der Kerl wagt es, ihm die kalte Schulter zu zeigen. Unerhört! Was bildet der sich ein! Was glaubt er eigentlich, mit wem er es hier zu tun hat. Ein Wink von ihm genügte, und seine Leute würden diesen Scharlatan einen Kopf kürzer machen. Er hat es anscheinend noch nicht mal nötig ,sein Haus zu verlassen, um ihn zu empfangen, wie es die Regeln der Gastfreundschaft verlangen und der politische Instinkt gebietet. So hat ihn noch keiner düpiert! Er schnaubt vor Zorn und kehrt auf dem Absatz um. Diese Reise war umsonst, er hat auf das falsche Pferd gesetzt. Bloß weg hier!
Bei der ersten Rast kommen seine Diener vorsichtig näher. Sie sind die einzigen, die keinen Abstand zu ihm halten können, auch wenn sie es sicherlich gerne würden. Sie kommen ins Gespräch. Was hat der Prophet ihm genau ausrichten lassen? Er hat gar nicht richtig hingehört, so wütend war er, dass der nur seinen Boten schickte anstatt selbst zu kommen. Seine Diener erinnern ihn: „Geh zum Jordan und wasche dich siebenmal, dann wird dein Körper wieder heil und du wirst rein werden“, hat der Prophet ihm sagen lassen. „Was soll ich im Jordan“, fährt er auf, „als ob wir nicht selbst Flüsse hätten, deren Wasser sicherlich sauberer ist als das dieses Jordan. Dafür habe ich nun die ganze weite Reise gemacht, nur um mich in der stinkenden Brühe eines fremden Flusses zu waschen! Da hätte ich genauso gut zuhause bleiben können!“ Seine Diener wiegen die Köpfe. Dann wagt sich einer vor und sagt: „Wieso probierst du es nicht, wo wir nun gerade hier sind?“ Und ein anderer ergänzt: “Wenn der Prophet dir geboten hätte, ihm einen Sack Gold zu geben und dann 40 Tage zu fasten und währenddessen nur bittere Kräuter zu essen, hättest du das sicher getan. Nun gibt er dir eine viel leichtere Aufgabe. Versuch doch, ob es hilft, du verlierst ja nichts dabei.“ „Meint ihr wirklich?“, knurrt ihr Herr. „Gut, ihr habt mich überredet, lasst uns zu diesem Fluss fahren.“
Bis sie dort angekommen sind, dauert es einige Stunden. Während er in seinem Wagen sitzt, hat er Muße zum Nachdenken: Da gibt es also einen Mann, diesen Propheten, der nicht so funktioniert, wie er es gewohnt ist. Da widersetzt sich einer seinen Vorstellungen. Das kennt er nicht. Er ist gewöhnt, dass das, was er befiehlt und will, augenblicklich in die Tat umgesetzt wird. Aber in letzter Zeit, will sagen, seit er krank ist, hat das ja auch sonst nicht immer funktioniert. Langsam war ihm alles aus dem Ruder gelaufen. Und er hatte sich gefragt, fragen müssen, wer er eigentlich noch war ohne die Macht, an die er sich gewöhnt hatte. Diese fiese Krankheit hatte ihm das Heft des Handelns aus der Hand genommen, er war immer abhängiger von anderen geworden. Er konnte sich selbst nicht mehr in die Augen schauen, ihm schauderte vor dem eigenen Anblick im Spiegel. Er war nichts mehr wert, weder für sich noch für die anderen. Ohne seinen Job, ohne den Erfolg, ohne die Angst der anderen vor ihm war er ein Nichts.
Er schreckt aus seinen Gedanken auf. Da liegt der Fluss vor ihm, in dem er sich waschen soll. Er legt seine Kleider am Ufer ab und schämt sich, als er seinen entstellten Körper ansieht und weiß: Die anderen sehen ihn auch. Er, der Krieger, war immer stolz gewesen auf seinen durchtrainierten, kräftigen Leib. Davon hat die Krankheit nichts mehr übrig gelassen. Er taucht schnell ins Wasser ein. Waschen soll er sich, hat der andere gesagt, siebenmal. Sonst hat er seine Diener, die ihn waschen, nun muss er alles selbst tun. Er übergießt sich mit Wasser und taucht unter. Ein ums andere Mal. Keuchend zählt er mit, bis sieben. Er schwimmt ans Ufer. Er traut sich nicht, an sich herunter zu schauen. Er zittert.
Da sieht er die Gesichter seiner Diener: ungläubig, voller Überraschung, strahlend. „Du bist gesund“, rufen sie, „schau dich an, deine Haut ist wieder rein“, „du siehst aus wie ein junger Mann!“ Da wagt er es, an sich herabzuschauen und staunt: Ist dieses wirklich sein Arm, seine Hand, gesund und ohne Ausschlag? Ist das sein Leib mit glatter Haut, ohne Makel? Und dieser Fuß, der schon anfing zu faulen, wo ist er geblieben? Jetzt ist er wieder so, wie er ihn gekannt hatte, vollkommen geformt. Er kann es noch immer nicht glauben – ist er das wirklich? Nicht mehr das körperliche Wrack, sondern ein Mann im Vollbesitz seiner Kräfte! Er stößt einen Freudenschrei aus. Endlich, endlich ist er gesund! Er ist geheilt! Er fühlt sich wieder als Mensch!
Da war doch noch etwas. Ja, der Prophet. Er hat ihm tatsächlich geholfen, obwohl er sich das nicht vorstellen konnte. Aber wie hat er das geschafft? Ob das zusammenhängt mit dem Gott, zu dem die Leute hier beten? Das muss wohl so sein. Dann ist dieser Gott stärker als die Götter, die er von zuhause kennt. Denn die haben ihn trotz aller Opfer nicht heilen können. Dieser eine Gott hat ihn gesund gemacht. Er hat Power. Wenn er das geschafft hat, kann er auch noch andere Wunder tun. - Und er beschließt: Dann will ich von jetzt an diesem Gott dienen und an ihn glauben. Er hat mir geholfen, gesund zu werden, dann wird er mir auch in Zukunft helfen, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Ich will zurück zu dem Propheten gehen und ihm danken. Er soll mir sagen, wie ich seinen Gott verehren und zu ihm beten kann. Denn er hat mich nicht im Stich gelassen, als ich verzweifelt war, sondern hat mir herausgeholfen.
Und er ging hin und hatte gefunden, was er nicht gesucht hatte: Gott, den Lebendigen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Perikope