Predigt zu 2. Könige 5, 1-19a von Tanja Schmidt
5,1
Liebe Gemeinde,
„keiner kann aus seiner Haut heraus.“ Haben Sie diesen Ausspruch auch schon einmal verwendet? Wir sagen das manchmal über einen Menschen, wenn er für uns schwierige Verhaltensweisen zeigt. Wir stören uns daran, aber wir wissen: Ändern können wir ihn nicht. Denn „keiner kann aus seiner Haut heraus.“ Auch über uns selbst sagen wir das manchmal, wenn wir eine für uns typische Verhaltens- oder Reaktionsweise zeigen und sie zu rechtfertigen versuchen.
„Keiner kann aus seiner Haut heraus.“ In dieser Feststellung können Realismus, Resignation und Stolz mitschwingen. Manchmal ist es gut, dass man nicht aus seiner Haut kann. Es gibt Menschen, die sofort zur Hilfe schreiten, wenn jemand ihre Hilfe braucht. Sie helfen anderen, einfach, weil sie das als Kind gelernt und Mitgefühl verinnerlicht haben. Manchmal ist es aber auch schlecht, nicht aus seiner Haut zu können. Manche Menschen haben sich Eigenarten angewöhnt, die ihnen und ihren Mitmenschen schaden. Das kann eine Sucht sein, von der sie nicht mehr loskommen. Andere Menschen können sich nicht beherrschen, wenn andere sie ärgern oder wenn sie meinen, dass man sie ärgern will. Solche Menschen sind sehr empfindlich und fahren sofort aus ihrer Haut, wenn sie sich gekränkt oder angegriffen fühlen. Sie können nicht anders. Und wieder andere Menschen tun sich schwer damit, ihr Leben zu organisieren. Sie wissen, dass sie sich selbst und anderen damit das Leben schwer machen. Aber sie können einfach nicht aus ihrer Haut heraus.
Kennen Sie solche Erfahrungen, liebe Gemeinde? Es ist mühsam, ja scheint unmöglich, aus der eigenen Haut zu schlüpfen, sich zu häuten und von störenden Hautresten zu befreien. Der Feldherr Naam will das aber. Er will seine Schuppenflechte los-und gesund werden. Und das gelingt. Denn Naam lässt sich auf Gott ein. Er vertraut ihm und seinem Propheten und nimmt ein Bad im Jordan. Und siehe da: Die alte Haut fällt von ihm ab. Naam fühlt sich wie neugeboren. Ein neuer Mensch steigt aus dem Bad. Einer, dessen Haut nicht mehr juckt und krazt. Einer, der nicht mehr das Gefühl hat, ständig aus der Haut fahren zu können. Einer, der eine neue schützende Hautschicht um sich herum hat. Naam wird ein Neuanfang geschenkt. (vgl. zu dieser Idee der alten und neuen Haut: Jürgen Wandel, Das Leben geändert, 3. Sonntag nach Epiphanias 2012, in: Zeitzeichen 1/2012, Seite 56-57.
Sie Lieben, Christen erinnert diese Geschichte an die Taufe. Und so liegt es nahe, heute über die Taufe zu predigen. Aber trotzdem möchte ich das heute nicht tun. Denn mir ist zu dieser Geschichte ein Gespräch mit einem Jugendlichen eingefallen, das sehr viel mehr mit dem anderen Sakrament unserer Kirche, also mit Abendmahl zu tun hatte. Ich möchte Ihnen davon erzählen.
Das Gespräch fand im Rahmen des Konfirmandenunterrichts statt. Es ist einige Jahre her und ereignete sich noch in der Christuskirche, wo ich vor Leutershausen war. Daher kann ich hier davon erzählen. Niemand kennt den Jungen, von dem ich erzählen möchte. Ich nenne ihn heute einfach mal Leo.
Von Anfang an hatte Leo in der Komfirmandengruppe einen schweren Stand. Viele der Jugendlichen kannten Leo aus Grundschultagen. Als sie bei der Anmeldung zum KU mitbekamen, dass auch Leo dabei sein wird, sagten viele: „Oh nein, nicht der!“ Das hatte seinen Grund: Leo war als Grundschulkind in der Schule mit schwierigem Verhalten aufgefallen. Wenn man ihn reizte, fuhr er sofort aus der Haut und schlug auf die Kinder ein. Leo fühlte sich schnell angegriffen und schlug schnell um sich. Nun waren einige Jahre vergangen. Aber alle, die ihn kannten, fürchteten das Zusammensein mit ihm. Sie sahen seinen Namen auf der Liste. „Oh nein, der Leo. Das ist doch der, der so schnell aus der Haut fährt!“ Leo wurde sofort von den anderen auf frühere Verhaltensweisen festgelegt. Keiner konnte sich vorstellen, dass er aus seiner alten Haut heraus konnte.
Aber erstaunliches geschah. Der Konfirmandenunterricht fand statt, Leo war dabei. Ein völlig unauffälliger Junge. Auffällig höchstens darin, dass er gut mitmachte. Bedrückend war nicht sein Verhalten, sondern das einiger seiner früheren Klassenkameraden. Sie versuchten, ihn zu reizen. Sie wollten ihn dazu bringen, dass er wieder aus der Haut fährt. Von seinen früheren Klassenkameraden wurde Leo auf seine alte Identität, auf seine alte Haut festgelegt. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass ein anderer Leo unter ihnen war. Sie wollten es auch gar nicht. Es hatte doch schon früher immer Spaß gemacht, ihn bis zur Weißglut zu treiben und ihm dann, wenn er ausgeflippt war, den schwarzen Peter zu zuschieben. Erstaunlicher Weise jedoch ließ Leo sich nicht reizen. Leo blieb ruhig und ließ die dummen Sprüche der anderen an sich abperlen. Leo wollte ein anderer sein und er beharrte darauf, dass er nicht mehr der alte ist. Leo war das gelungen, was viele von uns nicht können. Er war aus seiner alten Haut heraus gekommen.
Seine früheren Klassenkameraden aber konnten nicht aus ihrer Haut. Sie wollten so gerne das Spiel von früher spielen und versuchten es immer wieder, ihn zu reizen und zu ärgern.
Zu dieser Zeit haben wir in der Gruppe über das Abendmahl gesprochen. So wie wir am letzten Mittwochnachmittag, liebe Konfirmanden. Wir haben über die Situation gesprochen, in der das letzte Abendmahl gefeiert wird. Die Jünger sitzen mit Jesus an einem Tisch. Sie wollen Passah miteinander feiern. Sie sind ausgelassener, fröhlicher Stimmung. Und in diese Stimmung hinein sagt Jesus: „Einer ist unter euch, der wird mich verraten.“ Ihr, liebe Konfirmanden habt am Mittwoch beschrieben, wie die Stimmung im Raum mit diesem Satz kippt. Misstrauen breitet sich unter den Freunden aus. Sie fragen sich: „Wer von uns könnte so etwas tun?“ Mancher wird sogar misstrauisch gegen sich selbst: „Könnte ich so etwas vielleicht morgen schon tun?“ Ängstlich und bedrückt sitzen sie am Tisch. Mancher wird sogar wütend auf Jesus: „Wie kannst du uns so etwas zutrauen? Wir sind doch deine Freunde!“
Die vorher harmonische Gemeinschaft der Freunde zerbricht mit diesem Satz Jesu. Jeder misstraut jedem. Alle haben Angst voreinander oder sind einander zumindest sehr fremd geworden.
Erstaunlicherweise ist es für Jesus aber damit nicht vorbei. Er greift nach dem Brot und sagt: „Immer wenn ihr dieses Brot untereinander teilt, bin ich mitten unter euch.“Er teilt das Brot unter den Freunden. Dann nimmt der Kelch mit dem Wein und sagt: „Immer wenn ihr von diesem Wein trinkt, dann bin ich mitten unter euch. Euch werden eure Sünden vergeben.“
Sie und Ihr Lieben, mit der Konfirmandengruppe von Leo habe ich über diese Sätze Jesu gesprochen. Wir haben versucht, diese Sätze Jesu zu verstehen. Die Konfirmanden sagten: „Für Jesus steht die Freundschaft zu seinen Jüngern nicht in Frage. Er bleibt ihnen treu.“ Und: „Jesus macht eine Art Testament. Er sagt: Ich bin auch nach meinem Tod bei euch, immer dann wenn ihr Brot und Wein teilt. Ich stärke euch.“ Die Konfis sagten auch: „Jesus vergibt seinen Jüngern. Er stiftet die Gemeinschaft untereinander und mit ihm neu. Jesus schenkt ihnen einen neuen Anfang.“ Sehr beeindruckt hat die Konfirmanden damals, dass auch der Verräter Judas mit am Tisch sitzt. Eine Konfirmandin fragte: „Heißt das, dass wir einander alles vergeben müssen?“
Ich sagte dazu, wovon ich überzeugt bin: „Wir sollen uns bemühen, zu vergeben. Wir sollen einander eine neue Chance schenken. Das finde ich wichtig. Der Friedensgruß vor dem Abendmahl bedeutet ja genau dies: Wir gehen aufeinander zu, wir überwinden Grenzen. Zugleich gibt es aber auch Dinge, die können wir nicht vergeben. Das wäre von uns zu viel verlangt. Über solche Dinge kann nur Gott richten und Vergebung zusprechen.“
So also verlief das Gespräch. Da ergriff Leo das Wort und sagte: „Jesus schenkt seinen Freunden eine neue Chance und sagt zu den Jüngern: Vergebt euch untereinander, so wie ich euch vergebe. Jesus sagt: Schenkt auch einander eine neue Chance. Genau das möchte ich auch erleben. Ich weiß, dass viele hier von euch denken. Ach der Leo, das ist doch der, der so schnell ausflippt. Aber ich tu das schon lange nicht mehr. Ich will auch eine neue Chance!“
Wir haben alle die Luft angehalten. Es war ganz still. Niemand hat ein Wort gesagt. Ich habe mich dann bei Leo bedankt, dass er den Mut hat das zu sagen. Dann ging die Stunde weiter.
Und wie ging es sonst weiter mit Leo und der Gruppe? - Natürlich sehe ich nicht alles. Aber ich hatte schon den Eindruck, dass die anderen Leo nun nicht mehr ständig zu reizen versuchten. Auch die anderen schlüpften aus ihrer alten Haut und legten alte Verhaltensweisen ab.
Sie und Ihr Lieben, Gott will nicht, dass Menschen sich für ihr ganzes Leben in die Folgen ihres früheren Handelns verstricken. Er will nicht, dass Menschen scheitern und von anderen auf ihr Scheitern festgelegt werden. Gott will den Neuanfang und das gelingende Leben.
Solch einen Neuanfang schenkt Gott uns immer wieder, wenn wir miteinander Abendmahl feiern. Wenn wir gemeinsam feiern, dann wissen wir, dass Jesus selbst mitten unter uns ist. Jesus reicht uns das Brot des Lebens und den Kelch des Heils. Wenn wir das Brot und den Kelch miteinander teilen, verbindet er sich mit uns und macht uns zu einer neuen Gemeinschaft in seinem Namen. Im Abendmahl werden wir gleichsam mit einer neuen Haut überkleidet. Wir bekommen alle eine neue Identität als Glieder am Leib Christi. Im Abendmahl ist Christus unter uns lebendig und schenkt uns seine Vergebung über alle Grenzen, Entfremdungen und Schuld hinweg. Im Abendmahl schenkt Gott uns neues versöhntes Leben.
Gott helfe uns, dass wir es der Hauptfigur unseres Predigttextes, dem Feldhauptmann Naam, gleich tun. Gott helfe uns, dass wir sein Geschenk eines Neuanfangs immer wieder erbitten und annehmen können.
Und so kommt, denn es ist alles bereit. Seht und schmeckt wie freundlich der Herr ist. Wohl dem, der auf ihn trauet. Amen
„keiner kann aus seiner Haut heraus.“ Haben Sie diesen Ausspruch auch schon einmal verwendet? Wir sagen das manchmal über einen Menschen, wenn er für uns schwierige Verhaltensweisen zeigt. Wir stören uns daran, aber wir wissen: Ändern können wir ihn nicht. Denn „keiner kann aus seiner Haut heraus.“ Auch über uns selbst sagen wir das manchmal, wenn wir eine für uns typische Verhaltens- oder Reaktionsweise zeigen und sie zu rechtfertigen versuchen.
„Keiner kann aus seiner Haut heraus.“ In dieser Feststellung können Realismus, Resignation und Stolz mitschwingen. Manchmal ist es gut, dass man nicht aus seiner Haut kann. Es gibt Menschen, die sofort zur Hilfe schreiten, wenn jemand ihre Hilfe braucht. Sie helfen anderen, einfach, weil sie das als Kind gelernt und Mitgefühl verinnerlicht haben. Manchmal ist es aber auch schlecht, nicht aus seiner Haut zu können. Manche Menschen haben sich Eigenarten angewöhnt, die ihnen und ihren Mitmenschen schaden. Das kann eine Sucht sein, von der sie nicht mehr loskommen. Andere Menschen können sich nicht beherrschen, wenn andere sie ärgern oder wenn sie meinen, dass man sie ärgern will. Solche Menschen sind sehr empfindlich und fahren sofort aus ihrer Haut, wenn sie sich gekränkt oder angegriffen fühlen. Sie können nicht anders. Und wieder andere Menschen tun sich schwer damit, ihr Leben zu organisieren. Sie wissen, dass sie sich selbst und anderen damit das Leben schwer machen. Aber sie können einfach nicht aus ihrer Haut heraus.
Kennen Sie solche Erfahrungen, liebe Gemeinde? Es ist mühsam, ja scheint unmöglich, aus der eigenen Haut zu schlüpfen, sich zu häuten und von störenden Hautresten zu befreien. Der Feldherr Naam will das aber. Er will seine Schuppenflechte los-und gesund werden. Und das gelingt. Denn Naam lässt sich auf Gott ein. Er vertraut ihm und seinem Propheten und nimmt ein Bad im Jordan. Und siehe da: Die alte Haut fällt von ihm ab. Naam fühlt sich wie neugeboren. Ein neuer Mensch steigt aus dem Bad. Einer, dessen Haut nicht mehr juckt und krazt. Einer, der nicht mehr das Gefühl hat, ständig aus der Haut fahren zu können. Einer, der eine neue schützende Hautschicht um sich herum hat. Naam wird ein Neuanfang geschenkt. (vgl. zu dieser Idee der alten und neuen Haut: Jürgen Wandel, Das Leben geändert, 3. Sonntag nach Epiphanias 2012, in: Zeitzeichen 1/2012, Seite 56-57.
Sie Lieben, Christen erinnert diese Geschichte an die Taufe. Und so liegt es nahe, heute über die Taufe zu predigen. Aber trotzdem möchte ich das heute nicht tun. Denn mir ist zu dieser Geschichte ein Gespräch mit einem Jugendlichen eingefallen, das sehr viel mehr mit dem anderen Sakrament unserer Kirche, also mit Abendmahl zu tun hatte. Ich möchte Ihnen davon erzählen.
Das Gespräch fand im Rahmen des Konfirmandenunterrichts statt. Es ist einige Jahre her und ereignete sich noch in der Christuskirche, wo ich vor Leutershausen war. Daher kann ich hier davon erzählen. Niemand kennt den Jungen, von dem ich erzählen möchte. Ich nenne ihn heute einfach mal Leo.
Von Anfang an hatte Leo in der Komfirmandengruppe einen schweren Stand. Viele der Jugendlichen kannten Leo aus Grundschultagen. Als sie bei der Anmeldung zum KU mitbekamen, dass auch Leo dabei sein wird, sagten viele: „Oh nein, nicht der!“ Das hatte seinen Grund: Leo war als Grundschulkind in der Schule mit schwierigem Verhalten aufgefallen. Wenn man ihn reizte, fuhr er sofort aus der Haut und schlug auf die Kinder ein. Leo fühlte sich schnell angegriffen und schlug schnell um sich. Nun waren einige Jahre vergangen. Aber alle, die ihn kannten, fürchteten das Zusammensein mit ihm. Sie sahen seinen Namen auf der Liste. „Oh nein, der Leo. Das ist doch der, der so schnell aus der Haut fährt!“ Leo wurde sofort von den anderen auf frühere Verhaltensweisen festgelegt. Keiner konnte sich vorstellen, dass er aus seiner alten Haut heraus konnte.
Aber erstaunliches geschah. Der Konfirmandenunterricht fand statt, Leo war dabei. Ein völlig unauffälliger Junge. Auffällig höchstens darin, dass er gut mitmachte. Bedrückend war nicht sein Verhalten, sondern das einiger seiner früheren Klassenkameraden. Sie versuchten, ihn zu reizen. Sie wollten ihn dazu bringen, dass er wieder aus der Haut fährt. Von seinen früheren Klassenkameraden wurde Leo auf seine alte Identität, auf seine alte Haut festgelegt. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass ein anderer Leo unter ihnen war. Sie wollten es auch gar nicht. Es hatte doch schon früher immer Spaß gemacht, ihn bis zur Weißglut zu treiben und ihm dann, wenn er ausgeflippt war, den schwarzen Peter zu zuschieben. Erstaunlicher Weise jedoch ließ Leo sich nicht reizen. Leo blieb ruhig und ließ die dummen Sprüche der anderen an sich abperlen. Leo wollte ein anderer sein und er beharrte darauf, dass er nicht mehr der alte ist. Leo war das gelungen, was viele von uns nicht können. Er war aus seiner alten Haut heraus gekommen.
Seine früheren Klassenkameraden aber konnten nicht aus ihrer Haut. Sie wollten so gerne das Spiel von früher spielen und versuchten es immer wieder, ihn zu reizen und zu ärgern.
Zu dieser Zeit haben wir in der Gruppe über das Abendmahl gesprochen. So wie wir am letzten Mittwochnachmittag, liebe Konfirmanden. Wir haben über die Situation gesprochen, in der das letzte Abendmahl gefeiert wird. Die Jünger sitzen mit Jesus an einem Tisch. Sie wollen Passah miteinander feiern. Sie sind ausgelassener, fröhlicher Stimmung. Und in diese Stimmung hinein sagt Jesus: „Einer ist unter euch, der wird mich verraten.“ Ihr, liebe Konfirmanden habt am Mittwoch beschrieben, wie die Stimmung im Raum mit diesem Satz kippt. Misstrauen breitet sich unter den Freunden aus. Sie fragen sich: „Wer von uns könnte so etwas tun?“ Mancher wird sogar misstrauisch gegen sich selbst: „Könnte ich so etwas vielleicht morgen schon tun?“ Ängstlich und bedrückt sitzen sie am Tisch. Mancher wird sogar wütend auf Jesus: „Wie kannst du uns so etwas zutrauen? Wir sind doch deine Freunde!“
Die vorher harmonische Gemeinschaft der Freunde zerbricht mit diesem Satz Jesu. Jeder misstraut jedem. Alle haben Angst voreinander oder sind einander zumindest sehr fremd geworden.
Erstaunlicherweise ist es für Jesus aber damit nicht vorbei. Er greift nach dem Brot und sagt: „Immer wenn ihr dieses Brot untereinander teilt, bin ich mitten unter euch.“Er teilt das Brot unter den Freunden. Dann nimmt der Kelch mit dem Wein und sagt: „Immer wenn ihr von diesem Wein trinkt, dann bin ich mitten unter euch. Euch werden eure Sünden vergeben.“
Sie und Ihr Lieben, mit der Konfirmandengruppe von Leo habe ich über diese Sätze Jesu gesprochen. Wir haben versucht, diese Sätze Jesu zu verstehen. Die Konfirmanden sagten: „Für Jesus steht die Freundschaft zu seinen Jüngern nicht in Frage. Er bleibt ihnen treu.“ Und: „Jesus macht eine Art Testament. Er sagt: Ich bin auch nach meinem Tod bei euch, immer dann wenn ihr Brot und Wein teilt. Ich stärke euch.“ Die Konfis sagten auch: „Jesus vergibt seinen Jüngern. Er stiftet die Gemeinschaft untereinander und mit ihm neu. Jesus schenkt ihnen einen neuen Anfang.“ Sehr beeindruckt hat die Konfirmanden damals, dass auch der Verräter Judas mit am Tisch sitzt. Eine Konfirmandin fragte: „Heißt das, dass wir einander alles vergeben müssen?“
Ich sagte dazu, wovon ich überzeugt bin: „Wir sollen uns bemühen, zu vergeben. Wir sollen einander eine neue Chance schenken. Das finde ich wichtig. Der Friedensgruß vor dem Abendmahl bedeutet ja genau dies: Wir gehen aufeinander zu, wir überwinden Grenzen. Zugleich gibt es aber auch Dinge, die können wir nicht vergeben. Das wäre von uns zu viel verlangt. Über solche Dinge kann nur Gott richten und Vergebung zusprechen.“
So also verlief das Gespräch. Da ergriff Leo das Wort und sagte: „Jesus schenkt seinen Freunden eine neue Chance und sagt zu den Jüngern: Vergebt euch untereinander, so wie ich euch vergebe. Jesus sagt: Schenkt auch einander eine neue Chance. Genau das möchte ich auch erleben. Ich weiß, dass viele hier von euch denken. Ach der Leo, das ist doch der, der so schnell ausflippt. Aber ich tu das schon lange nicht mehr. Ich will auch eine neue Chance!“
Wir haben alle die Luft angehalten. Es war ganz still. Niemand hat ein Wort gesagt. Ich habe mich dann bei Leo bedankt, dass er den Mut hat das zu sagen. Dann ging die Stunde weiter.
Und wie ging es sonst weiter mit Leo und der Gruppe? - Natürlich sehe ich nicht alles. Aber ich hatte schon den Eindruck, dass die anderen Leo nun nicht mehr ständig zu reizen versuchten. Auch die anderen schlüpften aus ihrer alten Haut und legten alte Verhaltensweisen ab.
Sie und Ihr Lieben, Gott will nicht, dass Menschen sich für ihr ganzes Leben in die Folgen ihres früheren Handelns verstricken. Er will nicht, dass Menschen scheitern und von anderen auf ihr Scheitern festgelegt werden. Gott will den Neuanfang und das gelingende Leben.
Solch einen Neuanfang schenkt Gott uns immer wieder, wenn wir miteinander Abendmahl feiern. Wenn wir gemeinsam feiern, dann wissen wir, dass Jesus selbst mitten unter uns ist. Jesus reicht uns das Brot des Lebens und den Kelch des Heils. Wenn wir das Brot und den Kelch miteinander teilen, verbindet er sich mit uns und macht uns zu einer neuen Gemeinschaft in seinem Namen. Im Abendmahl werden wir gleichsam mit einer neuen Haut überkleidet. Wir bekommen alle eine neue Identität als Glieder am Leib Christi. Im Abendmahl ist Christus unter uns lebendig und schenkt uns seine Vergebung über alle Grenzen, Entfremdungen und Schuld hinweg. Im Abendmahl schenkt Gott uns neues versöhntes Leben.
Gott helfe uns, dass wir es der Hauptfigur unseres Predigttextes, dem Feldhauptmann Naam, gleich tun. Gott helfe uns, dass wir sein Geschenk eines Neuanfangs immer wieder erbitten und annehmen können.
Und so kommt, denn es ist alles bereit. Seht und schmeckt wie freundlich der Herr ist. Wohl dem, der auf ihn trauet. Amen
Perikope